530 Klassenfahrten haben Bremer Schulen wegen der Corona-Pandemie abgesagt. Noch weiß in der Behörde niemand, welche Storno-Kosten damit auf das Land zukommen. Im Bildungsressort spricht man bisher von „erheblichen Kosten“. Allein an der Oberschule an der Egge betragen sie 20 000 Euro. Noch sind nach den Worten der kommissarischen Schulleiterin Margarete Kloppenborg auch nicht alle Auseinandersetzungen über Teilforderungen aus der Reisebranche ausgestanden. Eltern in Niedersachsen mussten bis vergangene Woche indes fürchten, komplett auf Kosten für abgesagte Reisen sitzen zu bleiben.
Eine Zusage für die Übernahme von Stornierungskosten wollte Kultusminister Grant-Hendrik Tonne zunächst nicht geben. Auf der Internetseite des Ministeriums wurde den 3000 Schulen im Land stattdessen geraten, die Reisen zu verschieben. Vage blieb das Ministerium auch bei der Frage, was passiert, wenn sich eine Fahrt nicht verschieben lässt: „Wo zeitliche Verschiebungen nachweisbar nicht vorgenommen werden können, prüft das Niedersächsische Kultusministerium Möglichkeiten der Unterstützung.“
Andere Länder wie Nordrhein-Westfalen, Bayern und Bremen hatten da bereits die Übernahme der Kosten zugesagt. „Das hat viele Eltern beschäftigt. Niedersachsens Zurückhaltung ist nicht gut angekommen“, sagt Cindy-Patricia Heine, Vorsitzende des Landeselternrats. Gerade in dieser Zeit, in der Eltern ihre Kinder mit digitalen Endgeräten ausstatten müssen, seien viele Familien auf eine Rückzahlung angewiesen. Der Elternrat wolle sich dafür einsetzen, dass nun zügig Regelungen zur Abwicklung folgen.
Unsicherheit habe es auch bei Eltern im Kreis Osterholz gegeben, so Rikus Winsenborg, Vorsitzender des Kreiselternrats Osterholz. Es sei klare Forderung des Gremiums gewesen, dass die Landesregierung dem Bremer Beispiel folge. Man könne nicht von Eltern verlangen, etwas zu finanzieren, was nicht stattfindet, so Rikus Winsenborg.
„Das Land wird die gemeldeten Stornokosten der Schulen übernehmen“, so Ministeriumssprecher Sebastian Schumacher aus Hannover auf Anfrage am Montag. 20 Millionen Euro sollen nach seinen Worten über den zweiten Nachtragshaushalt im Juni 2020 zur Verfügung gestellt werden. „Mit Detailinformationen kommen wir in Kürze auf die Schulen zu“, versichert der Pressesprecher.
Eine der Schulen, die auf Informationen wartet, ist die Eschhofschule in Lemwerder. Wie Schulleiter Andreas Diercks sagt, gehe es bei der Oberschule aber nur um einen vergleichsweisen geringen Betrag, da nur eine Fahrt nach Lüneburg im Juni für die sechste Klasse abgesagt werden musste. Die Kosten hätten 136 Euro pro Schüler für eine Woche betragen sollen: „Wir hatten eine Reiserücktrittsversicherung abgeschlossen. Darüber wäre es abgegolten gewesen. Bisher hat sich das Schullandheim aber sehr kulant gezeigt, so dass es jetzt nur noch um die Kosten für das Busunternehmen geht.“
Bremen hatte früh zugesagt, die Stornokosten aller Klassenfahrten der Stadtgemeinde bis zum Ende des Schuljahres zu übernehmen, nicht nur Schullandheimfahrten. Martin Stoevesandt, Vorstandssprecher des Zentralelternbeirats Bremen, geht davon aus, dass die Eltern ihr Geld zügig wiederbekommen. Geregelt ist rund um das Thema abgesagte Klassenfahrten aber längst nicht alles.
Offen ist beispielsweise, wie hoch die Storno-Kosten sind, die Bremen nun zahlen muss. „Dazu liegen uns keinerlei Zahlen vor“, so Dagmar Bleiker, Sprecherin des Finanzressorts, „die Erfassung und Abrechnung erfolgt im Bildungsressort in Absprache mit den Schulen.“ Dort fehlt es ebenfalls an einem Überblick über das Kosten-Volumen. Sprecherin Annette Kemp: „Das können wir nicht beantworten, weil die Schulen autark buchen.“
Die Schulen wurden inzwischen von der Behörde aufgefordert, sämtliche Fahrten aufzulisten. Allein die Oberschule an der Egge hatte „eine Menge Klassenfahrten geplant“, wie die kommissarische Schulleiterin Margarete Kloppenborg sagt. Insgesamt sollten rund 330 Schüler und 30 Lehrkräfte dieses Jahr an einer Fahrt teilnehmen. Neben Abschlussfahrten und einem Austausch mit Norwegen sollten auch sogenannte Profilfahrten für die zwölften Jahrgänge stattfinden.
Für 2020 waren elf Fahrten geplant, die sich am jeweiligen Profil der Schüler orientieren. So wollten Schüler mit Englisch-Profil zum Beispiel nach Dublin reisen und die Schüler mit Biologie-Profil das Meer in Istrien erforschen. Margarete Kloppenborg bedauert die Absagen: "Die Fahrten tragen zur Stärkung des Zusammenhalts bei und bewirken viel für die Motivation fürs Abitur.“ Besonders bitter sei es für die Abschlussklassen: „Die Abschlussfahrten sind nicht nachholbar.“
Die Oberschule hatte alle Fahrten bereits im März storniert – als klar war, dass die Schule schließen würde. Obgleich für die Schüler Reiserücktrittsversicherungen abgeschlossen worden seien, weigerten sich einige Reiseunternehmen, das Geld zurückzuzahlen. Ein Argument lautete zunächst, bei Pandemien griffen die Rücktrittsversicherungen nicht. Die kommissarische Schulleiterin versteht, dass die Reisebranche unter Druck ist: „Weil die auch irrsinnige Kosten haben.“
Eine Perspektive für Klassenfahrten im nächsten Schuljahr fehlt zurzeit in Gänze. Die Motivation der Kollegen, neuen Fahrten zu planen, sei selbstredend denkbar gering. Magarete Kloppenborg: „Wir wissen ja nicht, in welche Richtung dürfen wir planen – und ist ein Reiseverkehr überhaupt möglich?“