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Amtsgericht Blumenthal Kulturbahnhof in Vegesack wird zum Gerichtssaal

Das Amtsgericht Blumenthal verlegt wegen der Corona-Pandemie Verfahren nach Vegesack in den Kulturbahnhof. Die erste Verhandlung ist für den 31. Juli angesetzt.
25.07.2020, 05:00 Uhr
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Von Klaus Grunewald

Die Premiere soll am 31. Juli stattfinden. Dann will das Amtsgericht Blumenthal zum ersten Mal eine Strafsache außerhalb des eigenen Domizils an der Landrat-Christian-Straße verhandeln. Anlass ist das Coronavirus. Weil die Räume des Blumenthaler Gebäudes aufgrund der Hygieneauflagen keine Sitzungen mit einer größeren Anzahl von Personen zulassen, verwandelt sich der Kulturbahnhof (Kuba) Vegesack am letzten Tag dieses Monats erstmals in einen Gerichtssaal.

Die Planungen für einen zeitweiligen Umzug laufen nach den Worten von Anna Reinke, Pressesprecherin des Amtsgerichts Blumenthal, schon seit geraumer Zeit. Grund: Verhandlungen mit einer größeren Anzahl von Beschuldigten, Zeugen und Besuchern konnten in dem 1899 errichteten Gebäude an der Landrat-Christians-Straße wegen der coronabedingten Abstandsregelung nicht mehr terminiert werden. Deshalb sei es geradezu notwendig geworden, eine räumliche Alternative zu finden, sagt Anna Reinke.

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Die zu einem kulturellen Treffpunkt umgebaute Halle im ehemaligen Vegesacker Güterbahnhof bot sich für den Einzug von Justitia geradezu an, weil das Virus jegliche künstlerische oder musikalische Nutzung des Saals lahm gelegt hatte. „Und natürlich“, so Kuba-Geschäftsführer Malte Prieser, „sind wir gerne bereit, Nachbarschaftshilfe zu leisten.“

60 bis 70 Teilnehmer möglich

Der neue „Untermieter“ aus Blumenthal darf den Saal in Vegesack für eine „kleine Miete“ nutzen. Normalerweise stehen im Kulturbahnhof 300 Sitzplätze zur Verfügung. Momentan, schätzt Prieser, könnten 60 bis 70 Menschen an einer Gerichtsverhandlung teilnehmen und dabei die vorgeschriebenen Abstände einhalten. Zum Vergleich: Im größten Sitzungsraum des Amtsgerichts Blumenthal finden nach Auskunft von Anna Reinke gegenwärtig nur 16 Personen Platz

Eine wichtige Rolle bei einer Gerichtsverhandlung spielen die präventiven Vorsichtsmaßnahmen. Sie müssten, versichert Anna Reinke, natürlich auch vor und während einer Sitzung im Kulturbahnhof Vegesack durch entsprechendes Sicherheitspersonal gewährleistet sein. Mit einer verstärkten Personenkontrolle, die jeden Besucher, Zeugen und natürlich Angeklagten betrifft, beginne das Amtsgericht Blumenthal aber erst am 3. August. Solche intensiven Prüfungen sind an den Gerichten in Bremen und Bremerhaven bereits gang und gäbe.

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Bei den stadtbremischen Kollegen können sich die Blumenthaler auch über Erfahrungen mit Gerichtsverhandlungen außerhalb der angestammten Domizile informieren. So sind die Bremer Richter und Justizangestellten schon mal in den Wall-Saal der Stadtbibliothek, ins Überseemuseum oder jüngst in den Saal der Glocke ausgewichen. Umzugserfahrungen haben auch Gerichte im niedersächsischen Umland schon gemacht. So sprach das Landgericht Verden unlängst in der Stadthalle der Reiterstadt Recht, funktionierte das Amtsgerichts Osterholz-Scharmbeck den Festsaal einer Gaststätte in einen Gerichtssaal um.

Erstes Verfahren ist nicht öffentlich

Während mündliche Verhandlungen in der Hansestadt von Mitte März bis Mitte April komplett ausgesetzt worden waren, wurde anschließend mit Abstandsregeln und Desinfektionsmaßnahmen ein improvisierter Betrieb aufgenommen. Und in der Premiere des Blumenthaler Amtsgerichts am 31. Juli im Vegesacker Kulturbahnhof gelten nun ebenfalls mobile Computer als unabdingbares Arbeitsmaterial.

Dort ist für den letzten Tag dieses Monats ein Verfahren nach dem Jugendstrafrecht angesetzt. Die Verhandlung, so Anna Reinke, finde deshalb unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Besucher sind also nicht zugelassen. Dem Sicherheitspersonal dürfte es Recht sein.

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Dass Bremen-Nord überhaupt noch über ein Amtsgericht verfügt, stand übrigens vor rund vierzig Jahren auf der Kippe. Damals gab es Überlegungen in der Landesregierung, es aus Kostengründen aufzugeben. Doch dagegen erhob sich massiver Protest in Bevölkerung und Kommunalpolitik. Mit dem Ergebnis, dass der Senat eine Bestandsgarantie für den Standort an der Landrat-Christian-Straße bekundete. Um ihn auch ökonomisch zu stärken, wurde der Ortsamtsbereich Burglesum aus der Zuständigkeit des Amtsgerichts Bremen aus- und in den Bezirk des Amtsgerichts Blumenthal eingegliedert.

Bis Ende August kann es nun gegen ein kleines Entgelt frei über die Nutzung des Saals im Kulturbahnhof für Gerichtsverhandlungen und Zwangsversteigerungen verfügen. So lange, sagt Malte Prieser, dauere die coronabedingte kulturelle Auszeit an. Für den Monat September aber plane man dort ein paar kleinere Formate, um den Veranstaltungsbetrieb nach und nach wieder zum Leben zu erwecken. Diese Termine muss dann das Blumenthaler Amtsgericht bei seinen Gastauftritten im einstigen Güterbahnhof berücksichtigen.

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