Ein warmer, sonniger Vorabend im Bremer Norden. Wer dieser Tage an einem Biergarten oder einer Sommerterrasse vorbei kommt, vergisst fast, dass das öffentliche Leben noch vor ein paar Wochen komplett still stand. Die Tische der Kneipen und Restaurants sind gut gefüllt, Gruppen, Paare und Familien sitzen beisammen und genießen die gemeinsame Zeit. In den Fußgängerzonen und auf den Plätzen des Stadtteils prägt die Außengastronomie das Straßenbild. Man hat den Eindruck, dass sich deutlich mehr Stühle und Sonnenschirme auf dem Pflaster verteilen als in den letzten Jahren.
„Wir haben insgesamt 48 Außenplätze“, zählt Christian Mätzler vom Restaurant „Zum Alois“ zusammen. Die Tische rahmen die Breite Straße auf beiden Seiten ein und verteilen sich zwischen der Einmündung Feddlerstraße und Reeder-Bischoff-Straße. Ein Außenbereich von einer Größe, die sich viele Gastronomen in dieser Zeit wünschen. Denn die Bewirtung unter freiem Himmel ist oft die einzige Möglichkeit, den durch die Corona-Auflagen bedingten Einnahmeverlust ein wenig zu kompensieren.
„Die Verunsicherung ist hoch“
„Dass wir die kleine Fläche vor der Tür nach vorne raus erweitern konnten, hat uns schon so manchen Tag gerettet“, erklärt Mätzler. Zwar gebe es durch den Saal auch drinnen genug Platz, doch dürfe das Restaurant durch die Abstandsregeln deutlich weniger Gäste aufnehmen und generell werde der Außenbereich bevorzugt. Selbst Stammkunden halten sich zurück und vermeiden das Essen in geschlossenen Räumen. „Die Verunsicherung ist hoch und alles sehr verworren. Trotzdem würde ich mir wünschen, dass sich die Leute mehr trauen“, so der Gastronom.
Beim „Zum Alois“ sind viele der Tische bereits kurz vor Beginn der offiziellen Öffnungszeit gut gefüllt. Ähnlich sieht es vor dem Renoir in Lesum aus. Die rund 100 Plätze werden mittags wie abends stark frequentiert, während es drinnen nicht nur wegen der geschrumpften Zahl an Tischen recht leer wirkt. „Durch das Abstandsgebot fallen im Restaurant viele Sitzplätze weg, trotzdem haben wir gut zu tun, da die meisten Gäste draußen sitzen wollen“, erklärt Aferdita Dervishaj. Die Gastronomin leitet gemeinsam mit ihrem Bruder die Renoir-Restaurants am Lesumer Marktplatz und in Walle. Dort arbeiten sie zurzeit nur mit einer Kernbelegschaft und setzen auf Kurzarbeit. Ein Teil der Mitarbeiter musste zu Beginn des Lockdowns entlassen werden. „Wir wussten nicht, wie es weiter geht, und mussten abwarten, was passiert“, so Dervishaj. Die aktuellen Einschränkungen wirken sich ihren Worten nach vor allem bei schlechtem Wetter aus. Auch in Lesum sind die Gäste mit dem Besuch im Innenbereich des Restaurants eher zurückhaltend. Inwiefern dies die kommenden Monate beeinflussen wird, kann Aferdita Dervishaj nicht abschätzen. „Wir müssen den Winter abwarten“.
Ebenfalls abwarten will Wenke Tydeks. Die Betreiberin des Restaurants Bootshaus Blumenthal hat sich mit geänderten Öffnungszeiten der aktuellen Situation angepasst: Montag und Dienstag sind bis auf Weiteres Ruhetage. „Wir behalten das erst einmal bei und warten den Herbst ab“, so die Gastronomin. Neben der Veränderung der Öffnungszeiten setzt sie außerdem auf Kurzarbeit und eine Verkleinerung der Karte. „Es geht darum, die Fixkosten gering zu halten“. Dies ist auch deshalb wichtig, weil Tydeks nur mit einer bestimmten Anzahl von Quadratmetern rechnen kann. Im Gegensatz zu anderen Kollegen kann sie den Außenbereich nicht vergrößern.
Um den vorhandenen Platz nutzen und dabei alle Auflagen einhalten zu können, hat sich die Blumenthalerin etwas einfallen lassen: Duschvorhänge trennen die Tische voneinander, sodass auf der schmalen Terrasse Platz genug für acht Tische und damit 23 Personen ist. Dies würde zwar die Sicht aufs Wasser einschränken aber ihre Gäste nähmen es mit Humor, erklärt Tydeks. „Die Leute sitzen gerne draußen, werden aber auch entspannter, was den Aufenthalt drinnen angeht. Das liegt wohl auch daran, dass wir das Hygienekonzept gut umsetzen und die Gäste wissen, dass sie sich gut aufgehoben fühlen können."
Positiver Blick in die Zukunft
Insgesamt geht es aus Sicht der Bootshaus-Betreiberin langsam aufwärts. Am Wochenende liefen die Geschäfte gut, unter der Woche mal mehr, mal weniger gut – abhängig vom Wetter. Die Zukunft sieht Wenke Tydeks positiv, geht aber davon aus, dass die aktuelle Situation einen bleibenden Eindruck hinterlassen wird. „Es verändert sich viel und wir alle müssen einen Weg finden, damit umzugehen. Wir können nur abwarten. Irgendwann wird alles wieder normal, aber trotzdem anders sein“, so Tydeks.
Dass die Außenfläche für viele Gastronomien der Faktor sein wird, der darüber entscheidet, ob sie die schwierigen Zeiten überstehen, davon ist Torben Tamoschus überzeugt. Zwar hat sein Café „Kaffeetante – der Laden“ an der Reeder-Bischoff-Straße aufgrund des Abstandsgebots nur noch zwei Outdoor-Plätze, doch die sind sehr beliebt. „Wir bemerken immer wieder Kunden, die mehrmals am Laden vorbei gehen, um zu schauen, ob ein Platz frei wird. Drinnen sitzen wollen nur wenige“, beschreibt der Barista.
Der Kaffeeausschank sei seit der Wiedereröffnung um rund 50 Prozent zurückgegangen. Viele die ein Kaffeegetränk möchten, nehmen es mit, trinken es im Außenbereich oder besuchen die mobile Version der Kaffeebar auf dem Vegesacker Wochenmarkt. „Wir achten sehr darauf, alle Auflagen genau umzusetzen, innen wie außen“, so Tamoschus. Die meisten Kunden reagierten darauf positiv, andere wiederum zeigten wenig Verständnis und bezeichneten die Umsetzung als übertrieben. Etwas, was Torben Tamoschus nicht nachvollziehen kann. „Wir halten uns nur an das, was uns zum Schutz aller vorgegeben wurde“. Dass einige Kollegen die Auflagen lockerer auslegen, ärgert ihn. Einerseits verschafften diese Gastronomen sich mit der Reduzierung der Abstände durch das Stellen von mehr Tischen einen Wettbewerbsvorteil, andererseits spielten sie dadurch seiner Ansicht nach mit der Gesundheit ihrer Gäste und Mitarbeiter.
Während sich die einen auf das Potenzial des schönen Wetters konzentrieren, plant Christian Mätzler längerfristig. „Wir müssen nach vorne schauen, denn aufgeben ist keine Option“, ist der Gastronom überzeugt. Das Vegesacker Restaurant habe den Lockdown mit einem blauen Auge überstanden, auch dank Kurzarbeit und der Bewilligung von Staatshilfen. Zudem seien Vermieter, Energieversorger und andere Partner sehr entgegenkommend gewesen. „Das hat uns den Rücken gestärkt, sodass wir nach der Wiedereröffnung voll durchstarten konnten“, erklärt Mätzler.
Dazu gehört auch ein neuer Veranstaltungskalender, der zahlreiche Events beinhaltet, die bereits in den vergangenen Jahren auf der Agenda standen. „Wir planen ganz normal, bieten unseren Gästen aber eine Geld-zurück-Garantie, sollte die Veranstaltung doch abgesagt werden müssen“, so Mätzler. Bei den Planungen bezieht der Gastronom auch die aktuelle Vorliebe seiner Gäste für die Außengastronomie mit ein. So soll es künftig draußen Grillabende geben, sofern diese vom Amt genehmigt werden. Auch über einen Laternenumzug denkt das Alois-Team nach. „Es bringt nichts, still zu halten“, ist Christian Mätzler überzeugt. „Wir haben noch viel vor.“