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Schadstoffe in Bremen-Nord Die unsichtbare Gefahr im Boden

Allein im Bremer Norden sind den Behörden 48 Altlasten bekannt. Doch nach Schätzungen der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Bodenschutz könnten es bis zu 300 sein.
16.09.2019, 19:58 Uhr
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Die unsichtbare Gefahr im Boden
Von Julia Ladebeck

Sie liegen im Boden, sind unsichtbar und können zur Gefahr für Menschen und Umwelt werden. Altlasten stammen in den meisten Fällen aus einer Zeit, in der Umweltschutz noch keine große Rolle spielte. Erst kürzlich haben Anwohner aus Grohn ihre Sorge darüber geäußert, dass Schadstoffe aus einer ehemaligen Sandgrube an der Ecke Furtstraße/Friedrichsdorfer Straße ins Grundwasser gelangen könnten (wir berichteten). Dieser Altlasten-Standort ist jedoch längst nicht der einzige in Bremen-Nord. Nach Angaben der Umweltbehörde sind in Burglesum, Vegesack und Blumenthal aktuell 48 Altlasten bekannt. Tatsächlich könnten es noch weitaus mehr sein.

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Nach einer Schätzung erwartet die Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Bodenschutz (Labo) für Bremen-Nord noch 300 sogenannte altlastverdächtige Standorte. Das hat die Umweltbehörde unserer Redaktion auf Nachfrage mitgeteilt. Demnach wird die Zahl der infrage kommenden Orte in Bremen und Bremerhaven für eine Statistik der Labo jährlich abgeschätzt. Als Grundlage dienen Hinweise auf frühere Nutzungen von Grundstücken, Adressbucheinträge, alte Akten des Gewerbeaufsichtsamtes und Kriegszerstörungsakten. Dabei geht es allerdings nicht um eine konkrete Identifizierung betroffener Flächen, sondern lediglich um eine Einschätzung des diesbezüglich zukünftig noch zu erwartenden Aufwandes.

Weitere Untersuchungen nach Einstufung als Verdachtsfläche

Erst wenn sich bei einer Boden- oder Baugrunduntersuchung herausstellt, dass ein Schadstoffgrenzwert überschritten wird, ordnet die Umweltbehörde das betroffene Areal konkret als Verdachtsfläche ein. Dabei ist nach Angaben von Jens Tittmann, Sprecher der Umweltsenatorin, der „nutzungsbezogene Prüfwert der Bundesbodenschutz- und Altlastenverordnung“ entscheidend. Die Einstufung als Verdachtsfläche ziehe dann zeitnah weitere Untersuchungen nach sich, „mit dem Ziel, den Verdacht entweder zu bestätigen und gegebenenfalls Sicherungs- oder Sanierungsmaßnahmen zu bestimmen oder den Verdacht zu entkräften“.

In einem Bericht über das Überwachungsprogramm für Altablagerungen in der Stadtgemeinde Bremen beschreiben die Verfasser im Vorwort, dass sogenannte Altablagerungen in der Regel stillgelegte Deponien der kommunalen oder gewerblichen Abfallentsorgung sind, „von denen schädliche Bodenveränderungen oder andere Gefahren für den Einzelnen oder die Allgemeinheit ausgehen“. Aufgrund ihres Alters und des meist lange zurückliegenden Betriebsendes fallen sie nicht unter das Abfallrecht, sondern gelten als Altlasten beziehungsweise altlastenverdächtige Flächen. Fehlendes Umweltbewusstsein und Sorglosigkeit im Umgang mit umweltgefährdenden Stoffen in der Vergangenheit sind das Problem.

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Als „altlastverdächtig“ gilt aktuell beispielsweise eine Fläche am U-Boot-Bunker an der Straße Rekumer Siel. Es gab dort bereits Grundwasseruntersuchungen, die nach Angaben der Umweltbehörde „keinen relevanten Schadstoffaustrag“ ergeben haben. Eine abschließende Bewertung dieser Verdachtsfläche steht jedoch noch aus. Die bekannten Altlasten in Bremen-Nord, das teilt die Behörde mit, befinden sich „entweder in der Sanierung, sind gesichert beziehungsweise in der Überwachung, oder erfordern bei gegenwärtiger Nutzung und Bebauung vorerst keine weiteren Maßnahmen“. An sechs Standorten wird der Boden aktuell saniert.

Entsorgung des verseuchten Bodens

Einer davon ist der ehemalige Hafen des Tanklagers Farge. Seit Monaten erleben die Anwohner der Straße Unterm Berg die unangenehmen Begleiterscheinungen – Lärm und Geruchsbelästigungen – des Rückbaus der Ölumschlaganlage an der Weser.

Die Firma Strabag entsorgt dort den verseuchten Boden; das Gelände wird metertief ausgehoben. Das Tanklager Farge hat bekanntermaßen an zahlreichen weiteren Stellen den Boden vergiftet. Sanierungen laufen derzeit an der Kanisterabfüllstation und dem Abfüllplatz für Tankkesselwagen, an den beiden Verladebahnhöfen und auf dem eigentlichen Tanklager-Gelände.

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Der Zustand des Grundwassers am Rande der Schadstofffahne, die ebenfalls durch das Tanklager Farge entstanden ist, wird engmaschig an mehreren Brunnen überwacht. Darüber hinaus hat die Umweltbehörde bereits seit den 1990er-Jahren zwölf weitere Areale in Bremen-Nord im Blick, darunter zwei in Burglesum (Steindamm, Hockenstraße), vier in Vegesack (An der Aue – südlich, Furtstraße, Ziegeleiweg, Meinert-Löffler-Straße – westlich) und sechs in Blumenthal (Landrat-Christians-Straße, Schweinsweide – Bremer Vulkan, BWK-Gelände Nord, Bockhorner Weg, Claus-von-Lübken-Straße, Rekumer Mühle). Die Überwachung umfasst die regelmäßige Kontrolle der Sickerwasserbelastung und der Grundwasserqualität. Fünf der überwachten Standorte werden zusätzlich regelmäßig im Hinblick auf mögliche Deponiegasbildung kontrolliert.

Zweimal im Jahr sind Mitarbeiter des Landesuntersuchungsamtes für Chemie, Hygiene und Veterinärmedizin in Bremen-Nord unterwegs und entnehmen an den betroffenen Standorten Grundwasserproben. Anhand einer spezifisch für jeden Standort angepassten Parameterliste wird das Wasser dann im Labor analysiert. Beispielsweise an der Meinert-Löffler-Straße. Dort befand sich bis Anfang der 1970er-Jahre eine Ziegelei, später diente das Areal als Müllhalde. Anfang der 1990er-Jahre häuften sich dort Schutt und Fabrikationsreste. Die Altlasten wurden mit einer Oberflächenabdeckung gesichert. Seither wird das Grundwasser regelmäßig untersucht, um zu überprüfen, ob Schadstoffe hineingelangt sind.

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