Zuerst war es das kreischende Geräusch einer riesigen Betonfräse, die die Anwohner über Wochen täglich begleitete. Als das vorbei war, ging es mit dem Lärm eines großen Presslufthammers weiter. An die lautstarken Begleiterscheinungen der Arbeiten, an Staub und Lkw-Verkehr haben sich die Bewohner der Straße Unterm Berg längst gewöhnt. Bereits im Sommer 2016 hat dort der Rückbau der Ölumschlaganlage an der Weser begonnen. Die Nachbarn können den Fortgang auf der Baustelle vom Deich aus beobachten. Dabei sehen sie auch Dinge, die ihnen Sorgen bereiten. Und sie wollen Klarheit darüber, was genau dort eigentlich passiert.
Welche Funktion haben die schwarzen Türme, die von Züblin Umwelttechnik, einem Unternehmen für Altlastensanierung aufgestellt worden sind? Warum wurden die Pump-, die Verteiler- und die Trafostation, die zum Teil aus massiven Bunkerbauten bestanden, mit so viel Aufwand abgerissen und nicht einfach verfüllt? Haben die Arbeiten einen Einfluss auf die sogenannte Schadstofffahne im Grundwasser, die sich bekanntlich vom Tanklager-Gelände in Richtung Weser zieht? Das sind einige der Fragen, die sich die Anwohner stellen.
Ab und zu bekommen die Auswirkungen der Arbeiten auch Farger zu spüren, die weiter weg wohnen. Beispielsweise Horst-Peter Witt aus dem Sandkuhlenweg, der am Morgen des 24. Juli ein heftiges Brummen und Vibrieren in Intervallen bemerkte. Es war so stark, dass er sich bei der Polizei, beim Bürgertelefon, beim Bauressort und schließlich beim geologischen Dienst nach der Ursache erkundigte. „Keiner konnte mir eine Antwort geben“, sagt er. Er vermutete den Ursprung in geologischen Untersuchungen und machte sich Gedanken, ob die Vibrationen die Schadstofffahne umlenken oder tiefer in den Grund bringen könnten.
Tatsächlich sind die Vibrationen durch die Verdichtung einer Baustraße auf dem Hafengelände entstanden. Für die Arbeiten wurde eine Walze benutzt. Das ergab eine Nachfrage beim Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr, die für den Rückbau der gesamten Tanklager-Infrastruktur zuständig ist. Mit der Stilllegung des Tanklagers, der dazugehörigen Hafenanlage und der sogenannten Mitteltrasse war das Kompetenzzentrum Baumanagement Hannover im Januar 2014 durch das Bundesministerium der Verteidigung beauftragt worden.
„Die Erdverdichtungen müssen vorgenommen werden, weil der Einbau von losem Boden zu Versackungen führen würde. Durch das Verdichten werden Unregelmäßigkeiten im Bodenuntergrund ausgeschlossen und Setzungen vermieden“, erläutert eine Sprecherin des Bundesamts. Sie versichert, dass die Schadstofffahne durch die Vibrationen weder umgelenkt noch tiefer in den Boden gelangen kann. „Schadstoffeinträge können sich durch die Vibrationen nicht verlagern.“
„Es gibt in Farge viele Gerüchte, aber niemand weiß Genaues“, sagt Hans-Dierk Lübsen, der Mitglied im Heimatverein Farge-Rekum ist. Der Verein ist im Kahnschifferhaus ansässig, und das befindet sich direkt gegenüber der Großbaustelle. Lübsen und seine Vereinskollegen haben die Arbeiten daher von Anfang an gut verfolgen können. Ebenso wie Volkmar Wrobel, der unweit der früheren Ölumschlaganlage wohnt. Er hat den Fortgang des Rückbaus mit seinem Fotoapparat dokumentiert.
An seinem Computer zeigt er zunächst die Aufnahmen aus dem Jahr 2016. Darauf sind der Abbau und der Abtransport der Entladeeinrichtungen und der beiden Rohrbrücken mit einem großen Schwimmkran zu sehen. Warum beide Brücken abgebaut worden sind, kann Hans-Dierk Lübsen nicht verstehen. „Es war angedacht, dort eine öffentliche Anlegestelle zu schaffen, die beispielsweise von Besuchern des Denkorts Bunker Valentin genutzt werden könnte.
Wieso wird das nicht umgesetzt?“, fragt Lübsen. Nach Angaben der Bundesamtssprecherin hatte der Senator für Wirtschaft, Arbeit und Häfen im Jahr 2015 tatsächlich Interesse an einer der Löschbrücken der Hafenanlage gezeigt, um dort eine Anlagestelle für Besucher des Denkorts einzurichten. Die Bundeswehr habe „moderierend“ entsprechende Gespräche geführt, mit dem Ziel „eine der zwei Löschbrücken für diesen Zweck unbedingt zu erhalten“.
Ergebnislos beendet
Der Plan sei damals auch beim Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Bremen auf Zustimmung gestoßen. Die Gespräche über die Grundlagen des Verkaufs seien dann direkt zwischen der für Bundeswehrliegenschaften zuständigen Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) und dem Senator für Wirtschaft, Arbeit und Häfen geführt, allerdings ergebnislos beendet worden. Daraufhin, so die Sprecherin, mussten die Hafenbrücken abgebaut werden.
Im Herbst 2018, erzählt Volkmar Wrobel, gingen die Arbeiten mit den oberirdischen Abbrucharbeiten der Pump- und der Verteilerstationen weiter. Im Januar wurden die Dalben und die Poller entfernt. In den folgenden Monaten beobachtete Wrobel unter anderem, wie zahlreiche sogenannte Big Bags mit Sand gefüllt und danach wie ein Wall zur Weserseite hin aufgereiht wurden. „Das ist ein Flutschutz“, weiß der Anwohner. Auch den Aufbau von schwarzen Türmen durch die Firma Züblin Umwelttechnik, mehrere Bohrungen und die Abdichtung einer großen Fläche mit Planen hat er beobachtet. Auf diese Fläche wurde inzwischen Bodenaushub gelagert, den die Arbeiter mit Baggern aus der Baugrube geholt haben.
Im März bekamen einige Anwohner Besuch von einem Gutachter. Er untersuchte die Häuser, die in unmittelbarer Nähe zur Baustelle stehen, auf Schäden. Darunter auch das historische Kahnschifferhaus des Heimatvereins. „Das ist wichtig für die Beweissicherung für den Fall, dass durch die Arbeiten Schäden verursacht werden“, sagt Wrobel. Gewundert habe sich der Gutachter allerdings, dass die Arbeiten zu diesem Zeitpunkt schon längst begonnen hatten.
Die Sprecherin des Bundesamts erläutert den weiteren Ablauf des Hafenrückbaus. Im Mai sei damit begonnen worden, die Gebäude in größerer Tiefe abzubrechen. Damit ist der Teil gemeint, der vormals unterirdisch lag. Zeitgleich habe die Firma Strabag mit der Sanierung eines mit Schadstoffen belasteten Areals um die ehemalige Löschwasserpumpstation begonnen. Das Gebäude wird vollständig abgerissen und der kontaminierte Boden ausgehoben.
Um die Bauwerke abbrechen zu können, so die Sprecherin, sei zunächst im Vordeichbereich das belastete Grundwasser abgesenkt worden. Dadurch erfolge – anders als durch die erwähnten Vibrationen – tatsächlich eine Schadstoffverlagerung. Das sei jedoch positiv zu bewerten, weil das Wasser zunächst abgepumpt und dann gereinigt werde, bevor es schließlich in die Weser geleitet wird. „Diese Arbeiten werden wöchentlich durch chemische Analysen des Wassers kontrolliert“, versichert sie.
Grundwasserreinigung dringend nötig
Zur Reinigung des Grundwassers dienen die schwarzen Türme, über deren Funktion sich die Anwohner bereits den Kopf zerbrochen hatten. „Es sind sogenannte Stripptürme, die das verunreinigte Wasser vor dem Weiterleiten in die Weser reinigen.“ Beim Strippen, erläutert die Sprecherin, werden die verunreinigenden Inhaltsstoffe aus dem Grundwasser durch das Durchleiten von Strippgas entfernt. Erst danach fließt das Wasser in die Weser. „Es gelangen weder Schadstoffe ins Grundwasser noch in die Luft.“ In der Abwasserreinigung können beim Strippen zum Beispiel Ammoniak, Schwefelwasserstoff, Mercaptane, Phenole und chlorierte Kohlenwasserstoffe entfernt werden, heißt es dazu in spezieller Fachliteratur.
Die Verunreinigung des Bodens rund um die Löschwasserpumpstation ist auch ein Grund dafür, warum die Gebäude vollständig abgerissen und der Boden mit viel Aufwand ausgetauscht wird. Beim Rückbau des Tanklager-Hafens muss die Bundeswehr nämlich auch die Auflagen der Umweltbehörde erfüllen, und das heißt: Die mit Schadstoffen kontaminierten Bereiche müssen abgetragen werden. Eine Verfüllung der Gebäude kommt daher nicht infrage. Nach Abschluss der Arbeiten, so die Sprecherin, werde eine renaturierte Fläche „sauber und sicher“ in das Eigentum der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung übergehen.
Bis es so weit ist, müssen sich die Anwohner allerdings noch einige Zeit gedulden. Im August steht zunächst der Aushub des unbelasteten Bodens entlang der Weser an. Diese Arbeiten müssen bis Ende September abgeschlossen werden, weil ab Oktober die Hochwassersaison beginnt. Zeitgleich wird mit dem Austausch und der Wiederverfüllung des Bodens begonnen. „Diese Arbeiten können auch in der Hochwasserzeit erfolgen, da sie die Sicherheit des Deiches nicht beeinträchtigen“, erläutert die Sprecherin. Im Frühjahr 2020 soll die gesamte Baumaßnahme schließlich abgeschlossen sein.