Der Zorn auf die Nordwestbahn war in den vergangenen Wochen groß. Das Nahverkehrsunternehmen bekam die volle Breitseite der Kritik auch aus Bremen-Nord ab. Viele Verbindungen fielen aus, auf die Züge zwischen Bremen-Nord und dem Hauptbahnhof konnten sich Fahrgäste nicht verlassen. Peter Nowack, Ortsamtsleiter und ehemaliger Bahn-Betriebsrat, fordert jetzt: Der Senat sollte unverzüglich zwischen Bremen und Burg für das dritte Gleis sorgen. Er schätzt: 40 Millionen Euro müssten für das Projekt reichen.
Nowack gibt nicht allein der Nordwestbahn (NWB) die Schuld für die jetzige Situation, die vor allem durch den Mangel an Lokführern geprägt ist. Die Ursache der Misere liegt nach seinen Worten darin, „dass es dreizehn Jahre, seit dem ersten Vertrag mit Niedersachsen und Bremen, keine grundlegenden Änderungen am System gegeben hat“. Und gerade jetzt addierten sich die Systemfehler. Auch die NWB könne nur machen, was die Infrastruktur hergebe. „Also muss man die zuerst ändern.“ Und das heißt für Peter Nowack: Ein zusätzliches Gleis, die Verlegung des Bahnhofs Vegesack nach Schönebeck und ein 15-Minuten-Takt bis Farge.
Wenn es um einen stabilen Nahverkehr geht, sieht der Blumenthaler beim dritten Gleis den ersten Ansatzpunkt. „Wie oft steht die Bahn vor dem Bahnhof Burg und kann nicht weiter, weil sie einen aus Bremerhaven kommenden, vorrangigen Zug kreuzen lassen muss?“ In Burg dränge sich der gesamte Seehafen-Verkehr von und nach Bremerhaven, der Personenverkehr zwischen Bremen und Bremerhaven und die Regio-S-Bahn zwischen Hauptbahnhof und Vegesack. Und die Frage stelle sich, was werden soll, wenn die Deutsche Bahn wieder einen ICE zwischen Bremen und Bremerhaven auf die Strecke bringt. An Geld müsste das seit Jahrzehnten diskutierte Projekt Gleisausbau zwischen Hauptbahnhof und Burg laut Nowack nicht scheitern. Seine Rechnung sieht so aus: Wenn der Ausbau der 11,7 Kilometer Farge-Vegesacker-Eisenbahn samt Oberleitung und Signalanlagen seinerzeit rund 22 Millionen Euro gekostet hat, sollte ein drittes Gleis von Bremen bis Burg für 40 Millionen möglich sein. Ein Problem stelle die Brücke über die Lesum dar. „Das ist schwierig. Aber technisch wohl nicht unlösbar.“
Finanzierung durchgerechnet
„Fünf Sechstel der Kosten würde der Bund übernehmen“, sagt Nowack weiter. Allein aus dem Topf „Regionalisierungsmittel“ stünden Bremen für 2019 rund 50 Millionen Euro für Betrieb und Investitionen beim Schienenpersonennahverkehr zur Verfügung, bis 2030 wären das in Summe gut 700 bis 800 Millionen. Selbst bei Abzug der Summen, die Bremen an die Nordwestbahn zahlt – Nowack schätzt sie auf jährlich 17,5 bis 20 Millionen Euro – bliebe genug Geld für das dritte Gleis übrig. Auch dann noch, wenn auf Bremer Stadtgebiet die Betriebskosten für den Metronom zwischen Hauptbahnhof und Oberneuland und für die Züge der Deutschen Bahn zwischen Hauptbahnhof und Mahndorf eingerechnet würden.

"Fällt aus": Diese Anzeige haben die Fahrgäste häufig zu sehen bekommen.
Nowack fordert vom Senat „ein Mobilitätsversprechen“. Der 15-Minuten-Takt bis Farge und der Bahnhof Farge-Ost müssten kommen. „Das waren zwei Bedingungen, unter denen der Blumenthaler Beirat 2006 dem Ausbau der Strecke Vegesack-Farge zugestimmt hat.“ Für die aktuellen Probleme hat Nowack auch Vorschläge parat. Mit Doppelstock-Zügen etwa könne man sich das An- und Abkuppeln von Zugteilen am Bahnhof Vegesack sparen. Derzeit werden hier die Züge für die Weiterfahrt nach Farge verkürzt, weil die Bahnsteige zwischen Vegesack und Farge nur 110 Meter lang sind. Umgekehrt werden Züge aus Farge in Vegesack für die Weiterfahrt zum Hauptbahnhof verlängert. Nowack sieht zudem eine Möglichkeit, längere Züge auch zwischen Vegesack und Farge fahren zu lassen. Auf den Strecken der Regio-S-Bahn Bremen/Niedersachsen setze die NWB unter anderem dreiteilige Triebwagen vom Typ Alstom Coradia Continental mit einer Länge von 57,8 Metern ein. Sein Vorschlag: Zwei Dreiteiler koppeln und den 115,6 Meter langen Zug auf den 110 Meter langen Bahnsteigen zwischen Vegesack und Farge dann so halten lassen, dass die vorderste und die hinterste Tür noch im Bahnsteigsbereich liegen.
Bahnsteige zu verlängern, wie es auch eine Idee ist, geht nach Ansicht von Nowack allein schon in Blumenthal am Bahnhof Mühlenstraße nicht. „Da stößt der Bahnsteig vorn auf die Mühlenstraße und hinten auf die Richard-Jung-Straße.“ Der Spielraum zwischen den beiden Straßen betrage geschätzt nur etwa 130 Meter. Davon müssten noch Rampen für Rollstühle abgezogen werden. Demnach reiche der Platz für eine Verlängerung nicht.

Auf dem Abstellgleis: Immer wieder fallen Züge der Regio-S-Bahn 1 zwischen Farge und Hauptbahnhof aus.
Ein anderes Bahnunternehmen zu beauftragen, ist laut Nowack auch nicht so einfach. Immerhin seien die aktuellen und möglichen Partner keine Schmalspurunternehmen. Die NWB gehört zu Transdev, das zweitgrößte in Deutschland aktive Eisenbahnunternehmen, und ist selbst eine Tochter der französischen Transdev-Gruppe. Eigenen Angaben zufolge ist die Gruppe der weltweit führende private Betreiber von öffentlichen Verkehrsmitteln.
Wünsche sind das eine. Der Blumenthaler Ortsamtsleiter ist aber Pragmatiker genug, es erst einmal mit einem konkreten Lösungsvorschlag zu versuchen, der kurzfristig hilft. Die Strecke Verden-Farge solle durchgängig im Halbstundentakt gefahren werden, dazu sollten in den Hauptverkehrszeiten Verstärkerzüge eingesetzt werden.