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Zustand der Gehwege in Bremen-Nord Blinde fordern Leitsystem am Bahnhof

Der Senat sieht den Zustand der Nordbremer Gehwege allgemein als verkehrssicher an. Gerade für blinde Menschen gibt es aber Abschnitte, in denen ihnen eine Orientierungshilfe fehlt.
07.08.2020, 06:36 Uhr
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Von Klaus Grunewald

„Der Bahnhofsplatz in Vegesack und sein Umfeld sind ein großes Sorgenkind“, sagt Martina Reicksmann. Die Lesumerin ist blind und vermisst ein Leitsystem, das ihr und allen Betroffenen hilft, einen sicheren Weg in Richtung Zentrum oder zum Hafen zu finden. Grundsätzlicher ist die Kritik der FDP-Bürgerschaftsfraktion, die den Senat nach Zustand und Barrierefreiheit der Gehwege, Fußgängerbrücken und Unterführungen auch in Bremen-Nord gefragt hatte. Die pauschale Antwort, die Fußwege seien verkehrssicher, bezeichnen die Liberalen als ungenügend.

Die FDP vermisst vor allem eine Beschreibung und Beurteilung des konkreten Zustands der Wege in den einzelnen Stadtteilen. Eine detaillierte Auswertung der Schäden, erläutert Martin Stellmann vom Amt für Straßen und Verkehr (ASV), werde im Zuge der Straßenkontrollen nicht vorgenommen. Die Erhebung dieser Daten für die Gehwege in rund 4000 Bremer Straßen, heißt es denn auch in der Mitteilung des Senats, sei frühestens ab Mitte 2022 möglich.

Regelmäßige Inspizierung

Dennoch werden die Bremer Fußwege laut Landesregierung regelmäßig inspiziert. In Hauptverkehrsstraßen, Fußgängerzonen und auf Plätzen alle zwei Wochen, in Sammelstraßen einmal im Monat und in Wohnstraßen alle acht Wochen. Dabei würden Schäden in ein digitales System des ASV eingegeben und zur Behebung direkt an eine Baufirma weitergeleitet. Bei dieser Straßenkontrolle werde auch festgestellt, ob die Gehwege verkehrssicher oder nicht verkehrssicher sind. Fußgängerbrücken und Unterführungen würden nach einer entsprechenden Richtlinie zweimal im Jahr überprüft.

Eine konkrete Bestandsaufnahme der Brücken und Unterführungen hinsichtlich der Verkehrssicherheit und Standsicherheit ist der Senatsmitteilung zu entnehmen. Danach befinden sich 15,4 Prozent von ihnen in sehr gutem, 17,3 Prozent in gutem, 50,6 Prozent in befriedigendem, 13,5 Prozent in ausreichendem und nur 3,2 Prozent in einem ungenügenden Zustand. Diese maroden Bauwerke würden aber im Zuge der Sanierungsmaßnahmen prioritär ertüchtigt, verspricht die Landesregierung. Im Norden der Hansestadt ist das nach den Worten von Martin Stellmann zurzeit nicht erforderlich, hier werden die Fuß- und Radwegebrücken also zumindest mit der Note vier bewertet.

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Es wird in der schriftlichen Antwort nicht verhehlt, dass es im gesamten Stadtgebiet problematische Fußwege gibt. Nämlich dort, wo sie von Bäumen beschattet werden. Doch nicht das Blätterdach, sondern das Wurzelwerk sorgt für Handlungsbedarf. Immer wieder drücken Baumwurzeln Gehwegplatten hoch und entpuppen sich als Stolperfallen. Ist das der Fall, werde das Pflaster durch wassergebundene Abdeckungen ersetzt, bekräftigt der Senat. Der Vorteil für die Bäume: Dieses Material ist wasserdurchlässig.

Defizite am Bahnhof

Baumwurzeln, die zur Reparatur der Gehwege zwingen, setzen das Amt für Straßen und Verkehr im Übrigen in doppelter Hinsicht unter Zugzwang. Der Gehweg, heißt es in der Senatsmitteilung, werde dann im Zuge der Instandsetzungsarbeiten auch barrierefrei gestaltet. Und schon deshalb könne nicht von einem Sanierungsstau die Rede sein.

Barrierefreiheit ist nach den Worten des Landesbehindertenbeauftragten Arne Frankenstein gleichwohl ein weites Arbeitsfeld geblieben. Die Hansestadt habe zwar in den vergangenen zehn Jahren viele Hindernisse für Behinderte abgebaut, müsse den Standard aber weiter verbessern. Frankenstein verweist auf einen Aktionsplan, der im Herbst auf der Tagesordnung des Senats stehen soll. Federführend sei das Ressort für Mobilität und Stadtentwicklung. Frankenstein: „Um die Mobilität für Behinderte zu verbessern, gibt es noch einiges zu tun.“

Positive nordbremische Beispiele aus Sicht auch des Landesbehindertenbeauftragten sind der Haltestellenumbau in der Vegesacker Heerstraße im Bereich der Brücke über die A 270, der Bau einer Fahrbahninsel in der Eggestedter Straße/Ermlandstraße sowie die taktile Nachrüstung der Treppenanlage beim Bahnhof Schönebeck.

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Eine solche Orientierungsmöglichkeit für Blinde mithilfe des Tastsinns hat der Beirat Burglesum auch für den Bahnhof St. Magnus gefordert, die Realisierung steht freilich noch aus. Und auch der von Martina Reicksmann gewünschte Abbau von Barrieren beim Bahnhof Vegesack dürfte auf sich warten lassen und wohl erst im Zuge der geplanten Umgestaltung des gesamten Areals zwischen Vegesacker Hafen, Bahnhof und Stadion erfolgen.

Die Lesumerin, die sich im Blinden- und Sehbehindertenverein als Beraterin engagiert, weist zudem auf eine schwierige Passage beim Bahnhof in Farge hin. Dort sei es problematisch, vom Bahnhofsgelände aus die Bushaltestelle auf der gegenüberliegenden Straßenseite zu erreichen. Eine Überquerungshilfe, so Martina Reicksmann, sei an dieser Stelle dringend erforderlich.

Und auch die Schwaneweder Straße zwischen Lüssumer Straße/Kreinsloger und Landesgrenze sei für sehbehinderte Menschen eine lange Barriere, weil an etlichen Bushaltestellen ebenfalls Orientierungshilfen zur Überquerung der Fahrbahn fehlten. Das hätten Mitglieder der Selbsthilfegruppe des Vereins während ihres jüngsten Treffens bemängelt. Nach ihrer Einschätzung sollte vor allem das Gefährdungspotenzial auf Höhe der Landrat-Berthold-Straße minimiert werden.

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