Ein Zigmillionen-Bauprojekt soll den Sedanplatz komplett umkrempeln. Nach Informationen der NORDDEUTSCHEN will der Vegesacker Bauträger M-Projekt zusammen mit der Ingenieurgesellschaft Procon als weiterem Investor die Markthalle erwerben und abreißen, um am Sedanplatz ein neues Gebäude mit Ladenlokalen, Gastronomie und Dienstleistungen zu errichten. Die Investoren könnten sich auch vorstellen, das alte Finanzamt am Sedanplatz neu zu beplanen. Ein Gebäude neben dem Finanzamt, der ehemalige Asia Markt, gehört M-Projekt schon.
Die Senatskanzlei hat bereits signalisiert, dass sie das Vorhaben im Vegesacker Zentrum begrüßt. „Es macht stadtentwicklungspolitisch Sinn und würde zur Aufwertung des Zentrums beitragen“, sagt der Nordbeauftragte Martin Prange (SPD).
Mit der Markthalle waren die Vegesacker nie glücklich. Zurzeit befindet sich eine Filiale der Dortmunder Handelskette Tedi in der gläsernen Markthalle. Sie hat erst vor Kurzem einen Fünf-Jahres-Vertrag mit dem Eigentümer abgeschlossen. Zuvor hatte ein einzelner Gemüsehändler versucht, die 1200 Quadratmeter große Markthalle der Hamburger AVW Gesellschaft mit seinem Angebot an Orangen und Äpfeln zu beleben, nachdem sie jahrelang leer gestanden hatte.
Bereits als die Bürgerschaft vor 13 Jahren über den Baukostenzuschuss der Stadt in Höhe von 1,9 Millionen Euro für die umstrittene Markthalle verhandelte, hatte der Bund der Steuerzahler vor einer Pleite gewarnt: „Das öffentliche Risiko ist nicht zu rechtfertigen. Schon gar nicht für Bremen mit seiner Haushaltsdramatik.“ Seitdem fordern Ortspolitik und Geschäftsleute in unregelmäßigem Abstand den Abriss der Halle. Zuletzt im Juni 2018 bei einer Tagung des Vegesack Marketings. Bei der Gelegenheit äußerten die Händler auch ihre Sorge, was das Umfeld betrifft: Man könne davon ausgehen, dass das Finanzamtsgebäude in einigen Jahren komplett leer stehen werde, hieß es im Verlauf der Tagung.
„Wir führen seit Längerem Gespräche mit Herrn Albrecht und der AVW über den Erwerb der Immobilie Markthalle und hoffen, dass wir diese zeitnah erfolgreich abschließen werden“, bestätigte Olaf Mosel, Geschäftsführer von M-Projekt am Mittwoch auf Nachfrage. Er hatte mit seinen Projektpartnern Stillschweigen vereinbart und wollte mit dem komplexen Vorhaben zu einem späteren Zeitpunkt an die Öffentlichkeit gehen.
Geplant sei ein Abriss – entweder nach Ablauf des derzeitigen Mietvertrags von Tedi, bei einer einvernehmlichen Lösung auch früher, so Olaf Mosel. Ihm schwebt ein Mix aus Ladenlokalen, Gewerbe und Gastronomie vor.
„Wir haben großes Interesse daran, den Platz zu entwickeln, weil wir jeden Tag sehen, was so nicht funktioniert“, begründet Mosel auf Nachfrage weiter. Ähnlich äußert sich M-Projekt-Geschäftsführer und Architekt Philipp Romeiser. „Das ist eine wichtige Stelle für die Entwicklung von Vegesack. Zusätzliches Angebot bringt zusätzliche Nachfrage.“
Bereits vor mehr als einem Jahr hat M-Projekt die Immobilie Asia Markt erworben. „Weil wir darin einen ersten Baustein für eine Gesamtlösung des Problems Sedanplatz sehen“, so Olaf Mosel weiter. Bei einem Abriss der Markthalle könne man den Sedanplatz neu denken. Der Immobilienfachwirt sieht hier auch Entwicklungspotenzial in Richtung Wohnen. Zentraler gehe es nicht. Und: „Städtebaulich gibt es sicherlich schönere Lösungen als ein Aktenlager zur Haupteinkaufsstraße, wie es augenblicklich der Fall ist und ein neues Finanzamt an gleicher Stelle könnte natürlich trotzdem in die Überlegungen integriert werden.“
Die Rede ist offenbar von bis zu 60 Zwei- bis Drei-Zimmer-Wohnungen. Auch der bisherige Parkplatz des Finanzamtes würde überbaut. Details will Olaf Mosel allerdings nicht preisgeben. „Unsere Überlegungen sind noch nicht so konkret, dass wir diese zum jetzigen Zeitpunkt vorstellen könnten, wir wollen gerne mit der Ortspolitik und den entsprechenden Ressorts in Gespräche einsteigen, wenn der Ankauf der Markthalle vollzogen ist und wir zumindest über diesen Bereich gesichert sprechen können.“
Projekt im Bremer Rathaus bekannt
Weiterhin will M-Projekt weitere Bremen-Norder-Akteure in das Projekt einbinden. "Weil wir der Meinung sind, dass dieses Projekt eine überragende Bedeutung für das obere Vegesack hat und angesichts der Projektgröße kann und sollte das auf mehrere Schultern verteilt werden. Daher freuen wir uns, dass sich die Firma Procon, Herr Thorsten Nagel, bereit erklärt hat, sich ebenfalls bei diesem Vorhaben einzubringen“, sagt Olaf Mosel.
Im Bremer Rathaus ist das Projekt bekannt. Wie der Nordbeauftragte Martin Prange berichtet, befürworte Bürgermeister Carsten Sieling (SPD) das Vorhaben. „Wir werden das Ganze wohlwollend begleiten“, meint Martin Prange als Beauftragter für Bremen-Nord.
Mit Blick auf das stadteigene Finanzamtsgebäude schränkt der Nordbeauftragte jedoch ein: „Wir sind uns einig, dass wir die Arbeitsplätze im Vegesacker Zentrum erhalten wollen, da haben wir für gekämpft.“ Es gelte, einen alternativen Standort zu finden. Die Wirtschaftsförderung Bremen sei gefragt, diesen Prozess zu koordinieren. Allerdings: „Wenn das Finanzamt zur Verfügung stünde, muss es ausgeschrieben werden. Das ist wettbewerbsrechtlich vorgeschrieben.“ Er könne sich jedoch nicht vorstellen, dass Investoren Schlange stehen. Zumal Mosel und Procon zusammen agieren wollten.
Olaf Mosel erinnert im Zusammenhang mit den neuen Ideen für den Sedanplatz gern an die positiven Erfahrungen, die er mit dem Umbau der Sparkasse in Lesum an der Hindenburgstraße gemacht hat: „Die Sparkasse bestand zu 90 Prozent aus toten Fenstern. Seitdem fünf Einzelhändler eingezogen sind, herrscht ein ganz anderes Bild vor.“
Die Chronik der Markthalle
Die ersten Entwürfe für eine Markthalle auf dem Sedanplatz besitzen beinahe schon historischen Wert. Ende 1993 wehrten sich die Marktkaufleute mit Unterschriftenlisten gegen den Vorschlag, eine Halle auf dem Platz zu bauen. Dann veränderte sich die Diskussion bekanntlich und es wurden reihenweise sehr unterschiedliche Entwürfe diskutiert: vom Surrealismus-Museum über ein Foliendach für den Platz bis hin zu einem Leuchtturm. Dann kam – gedacht als Gegenpol zum Haven Höövt – die Markthalle wieder zum Vorschein.
Sie wurde schließlich von der Albrecht Vermögensverwaltung (AVW) gebaut und im Dezember 2007 mit einem Mix aus Frischwaren und Gastronomie-Ständen eröffnet. Damit allerdings begannen bereits die Probleme, denn im Januar 2008 verabschiedete sich der erste Händler. Im Oktober 2008 stand die Hälfte der Verkaufsfläche leer.
2010 zog der Lebensmitteldiscounter Netto in die Halle, weil das Stadthaus umgebaut wurde. 2012 nutzten Bürgerhaus-Küche und Circus Tohuwabohu die Halle, für wenige Monate war auch die Bekleidungskette NKD hier zu Gast. Pläne, eine Brauerei-Gastronomie anzusiedeln, zerschlugen sich 2013. Im März 2014 zog ein Gemüse- und Lebensmittelhändler in die Halle. Er blieb, bis ihm Ende 2016/Anfang 2017 die AVW den Vertrag kündigte. Als Nachfolgerin war die Elektronik-Kette Expert Bening im Gespräch. Mitte 2018 eröffnete dann aber eine Tedi-Filiale, wobei das Vegesack Marketing unverändert einen Abriss forderte.