„Hochwasser um 9 Uhr in Elsfleth war uns zu früh“, sagt Kapitän Jens Wilbertz, „deshalb sind wir mit der Tide rauf nach Bremen, bis zum Weserbahnhof.“ Und auf dem Weg zurück wieder nach Elsfleth hat die „Grossherzogin Elisabeth“ am Donnerstag Station in Vegesack gemacht. Gegen 16 Uhr, so war’s angepeilt, sollte dann im Ziel- und Heimathafen Ende sein eines Vierzehn-Tage Törns, der bis nach Oslo, Göteborg und Helgoland gegangen ist. Vierzehn Tage Praxis auch für 39 Studenten des Fachbereichs Seefahrt und Logistik an der Jadehochschule in Elsfleth.
Niedrige Wolken und leichter Nieselregen über der Weser zwischen Vegesack und Lemwerder, das war die Kulisse, vor der sich der 60 Meter lange und über hundert Jahre alte Dreimaster von Bremen her näherte. Gegen Mittag legte der Segler an der Signalstation an. Kommandos, Rufe und Vollzugsmeldungen ließen unschwer erkennen, dass es sich hier um alles andere als eine Kaffeefahrt handelte. Und was als Höflichkeitsbesuch angekündigt war, war dann auch nebenher ein willkommenes weiteres Anlegemanöver für Stamm-Crew und Studenten. So wie man vorher noch am Weserbahnhof und im alten, jetzt stillgelegten Europahafen „Rückwärtsfahren, Einparken und sonstige Manövrierübungen“ absolviert hat.
Der Zwischenstopp wurde zum Mittagessen genutzt. Es gab Rindergulasch mit Nudeln satt, zum Nachtisch Quarkspeise. Anschließend bat Kapitän Wilbertz auf die Brücke und gab Auskunft über Zweck, Ziel und Verlauf der Fahrt. „In erster Linie ist es eine Navigationslehrfahrt. Zum einen sollen die N-6-er, also die Studenten im sechsten Semester, das bisher Erlernte in die Praxis umsetzen.“ Außerdem sei es auch für die aus dem ersten Semester, dem Theoriesemester, eine gute Gelegenheit, schon einmal in diese Praxis hineinzuschnuppern, kurz: „Damit sie Seebeine bekommen.“ Wobei sich die jeweiligen Aufgaben- und Lernbereiche natürlich unterscheiden. So besetzen die Frischlinge den Ausguck oder sind Rudergänger; die Sechstsemester stellen im Wechsel Kapitän und Wachoffizier.
„Schifffahrt“, sagt Jens Wilbertz, „kann man nur auf Schiffen lernen“. Warum aber, fragen wir, müssen das heute noch Segelschiffe sein? Antwort: „Auf denen bekommt man ein Gefühl für die Urgewalten der See.“ Schließlich sei es etwas Anderes, auf einem Kreuzfahrtschiff zu reisen, das allein von seiner Größe her kein Gefühl für diese Kraft, für Wind und Wellen zulässt. „Wir spüren das, spätestens bei Windstärke fünf, sechs.“ Und dann spielten auch die sogenannten Soft Skills eine gewichtige Rolle, unter anderem also die sozialen und kommunikativen Fähigkeiten: „Bei Segelmanövern sieht man dann schon, wer da ein Alphatier ist und wer dann doch mehr Zurückhaltung an den Tag legt“, erklärt der Kapitän. Besonders unter Segeln zeige sich, wer über entsprechende Kommunikationsqualitäten aufweise. Dazu gehört dann wohl auch das Angebot, dass wer Höhenangst hat, nicht in die Wanten muss, wenn er oder sie nicht will.
Wie ist der Tag an Bord eingeteilt? Wilbertz: „Vier Stunden Wache, acht Stunden frei: Das ist der gewöhnliche Turnus.“ Und fünfzig Leute wollen da beschäftigt sein. Deshalb gibt es neben der normalen Navigationsausbildung auch besondere Einlagen: Brandbekämpfung zum Beispiel, oder Rettung aus Seenot. Und da wir uns nicht auf militärischem Terrain befinden, wie steht es mit der persönlichen Ansprache? „Das ist dann in der Regel das Hamburger Sie – sinnvolle Varianten eingeschlossen, je nach Charakter, Persönlichkeit und Gelegenheit. Und nach der höchsten Strafe gefragt, die der Kapitän bei Verstößen gegen die Disziplin aussprechen und an Bord verhängen kann, sagt er: „Da wird der Delinquent, die Delinquentin zur Extrabackschaft verdonnert“, meint: Womöglich in der Freizeit unter anderem das Essensgeschirr für fünfzig Personen abspülen. Musste Kapitän Wilbertz während dieser Fahrt zu einer solchen Strafe greifen? – „Nein!“