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Blütenpracht im Dezember in Bremen-Nord Was es mit dem derzeitigen Phänomen auf sich hat

In Wätjens Park in Blumenthal blühen die Rosen, in Vegesacks Fußgängerzone stehen die Robinien in vollem Laub. Was sagen Umweltbetrieb und Naturschützer zu diesem Phänomen?
29.12.2019, 21:54 Uhr
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Was es mit dem derzeitigen Phänomen auf sich hat
Von Patricia Brandt

Normalerweise sind die Bäume in der Vegesacker Fußgängerzone und die Rosen in Wätjens Park im Dezember kahl. Doch in diesen Tagen grünt und blüht es im Bremer Norden. Leser unserer Zeitung zückten ihre Kameras und schickten der Redaktion Fotos von diesem ungewöhnlichen Phänomen. Doch so ungewöhnlich, wie es auf den ersten Blick scheint, ist die Pflanzenpracht nicht, heißt es beim Umweltbetrieb Bremen.

„Das Wetter scheint momentan etwas milder zu sein, für Norddeutschland sind die Tagestemperaturen für Dezember aber durchaus nicht ungewöhnlich, wie auch, dass einige Pflanzen, besonders Gehölze, um diese Jahreszeit blühen“, sagt Kerstin Doty, Sprecherin des Bremer Umweltbetriebs auf Anfrage. Es gibt nach ihren Worten gleich mehrere Erklärungen für die Blüten.

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Die Haselnuss (Corylus avellana) und die Kornelkirsche (Cornus mas) zum Beispiel öffnen ihre Blüten zu einer Zeit, in der wenig Konkurrenz mit intensiverer Blütenpracht vorhanden sei. Der Sinn liege darin, dass bestäubende Insekten überhaupt auf sie aufmerksam werden. Denn die Blüten dieser Pflanzen seien relativ unscheinbar, so Kerstin Doty.

Winterblühenden Gehölze aus Asien

In den Bremer Parks seien überdies zahlreiche Gehölze zu finden, die aus fernen Ländern kommen. Die meisten dieser winterblühenden Gehölze stammen nach den Worten von Kerstin Doty aus Asien, speziell auch China und häufig aus den hohen Gebirgsregionen des Himalajas. Einige kämen aber auch aus Japan oder Nordamerika. Die Sprecherin des Umweltbetriebs: „In den hohen Gebirgsregionen unterliegen diese Pflanzen ganz anderen Regeln. Hier sind sie oft unter einer dicken Schneedecke verborgen.„ Wenn dieser Schnee teilweise wegtaut, seien die Gehölze darauf vorbereitet, sofort ihre Blüten für die Bestäubung zu öffnen, bevor sie vom nächsten Schnee wieder zugedeckt werden. “Deshalb öffnen sie auch im schneearmen Bremen ihre Blüten, sobald das Wetter frostfrei ist.“

Auffällig bei einigen dieser Arten sei ein ausgesprochen intensiver Duft, der dazu diene, Insekten auf sich aufmerksam zu machen. Zu den typischen asiatischen Winterblühern gehören laut Kerstin Doty die Winterblüte, die Zaubernuss, der Winterjasmin und der Winter-Schneeball. Ausgesprochen intensiv dufteten die Winter-Heckenkirsche und die Schleimbeere. Und wie kommt es, dass manche Gehölze jetzt blühen, andere aber nicht? „Hierfür ist unter anderem ein natürlicher Mechanismus verantwortlich, der Induktion genannt wird“, erklärt Kerstin Doty. Zum Öffnen der Blüten und Treiben der Blätter sei ein Impuls erforderlich, der zumeist durch das Wetter bestimmt werde. Dazu gehöre eine Wärmeperiode, der eine kältere Zeit vorangegangen ist.

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„Zum Treiben und Blütenbilden kann aber auch die Lichtmenge verantwortlich sein. Deshalb öffnen manche Pflanzen ihre Blüten nur, wenn die Tage kürzer sind als die Nächte, andere nur, wenn die Tage und Nächte etwa gleichlang sind und die dritte Gruppe, wenn die Tage deutlich länger sind als die Nächte“, heißt es beim Umweltbetrieb. Die Blätter treiben bei den meisten Pflanzen erst dann aus, wenn die Tage deutlich länger werden und die Temperaturen kontinuierlich ansteigen. So würden Frostschäden an den zarten, jungen Trieben weitgehend ausgeschlossen.

Wenn nach einer milden Periode Frost folgt, erfrören die Winterblüher allerdings nur selten. Denn in der Natur hätten sich schützende Systeme entwickelt: „So lässt sich beim Winterschneeball, der manchmal schon ab November blüht, sehr gut beobachten, dass sich bei Minusgraden die Blüten wieder schließen. Sobald die Gefahr vorbei ist, öffnen sie sich einladend für die Insekten“, berichtet Doty.

Natürliches Frostschutzmittel

Andere Pflanzen hätten eine Art natürliches Frostschutzmittel eingelagert. „Das sind zuckerähnliche Stoffe, die verhindern, dass die Pflanzensäfte einfrieren, genau wie bei der Scheibenwaschanlage im Auto“, so Kerstin Doty. Dieses Phänomen ist auch aus dem Gemüsebau bekannt. Kartoffeln, die Frost bekommen haben, schmecken unangenehm süßlich; Grünkohl jedoch bekäme erst seinen richtigen Geschmack, wenn die eingelagerten Bitterstoffe nach Minustemperaturen durch zuckerähnliche Substanzen ersetzt worden sind.

Zurück zu den Robinien in der Fußgängerzone in Vegesack. Warum sind die Blätter grün? „Die Robinien treiben nicht aus, sie haben ihr Laub noch nicht verloren“, klärt Kerstin Doty auf.

„Auch Liguster und Rosen halten ihre Blätter bis zum ersten harten Frost“, erläutert Sönke Hofmann, Geschäftsführer des Nabu. Und Frost fehlte bisher. Erst an den vergangenen beiden Tagen ein wenig unter null. Von einem extrem milden Winter will Sönke Hofmann aber noch nicht sprechen. „Das ist noch im Rahmen. Wenn es nun dauerhaft 15 Grad warm wäre, das wäre etwas anderes.“ Laut regionaler Agrarwettervorhersage blieben die Temperaturen noch einige Tage um den Gefrierpunkt. Für Januar würden dann jedoch Temperaturen um die zehn Grad vorhergesagt. „Das wäre dann auch gefährlich für Winterschläfer“, so Hofmann.

In milderen Regionen wie Nordrhein-Westfalen hatten die milden Winter in der Vergangenheit auch für Irritationen bei Säugetieren, Amphibien und Insekten gesorgt. Wie der Nabu Nordrhein-Westfalen auf seiner Homepage berichtete, waren Winterschläfer wie Zwerg-, Fransen- und Mopsfledermaus gar nicht in den Winterschlaf gefallen. An manchen kleinen Gewässern seien den ganzen Winter über Grasfrösche, Berg- und Fadenmolche zu beobachten gewesen. Schmetterlinge, wie das Tagpfauenauge und der Kleine Fuchs, die sich den Winter über in menschliche Behausungen zurückgezogen hatten, saßen bei Temperaturen um die zehn Grad ebenfalls schon wieder in den Startlöchern.

Plötzlicher Kälteeinbruch

Während es für die Tagfalter bereits kritisch wird, wenn sie bei milden Temperaturen und Sonnenschein ausfliegen, da sie zurzeit noch keine Nahrung finden, seien andere Tiere und Pflanzen erst betroffen, wenn es zu einem plötzlichen Kälteeinbruch kommt, so der Nabu. Molche, Kröten und Frösche würden sich dann nicht mehr rechtzeitig durch Eingraben vor der Kälte schützen können und erfrieren.

Gartenbesitzern rät Sönke Hofmann deshalb, auch milderes Wetter nicht für Aufräumarbeiten zu nutzen: „Das Beste ist, nichts zu tun.“ Gerade Laubhaufen würden beispielsweise von Erdkröten dringend benötigt, um sich bei Kälteperioden verkriechen können.

In den milden Wintern sehen die Naturschützer auch einen Grund für den Rückgang der Vögel in unseren Gärten. Hintergrund: Sie fänden in den schneefreien Wäldern genug zu Fressen. 2018 wurde die zweitniedrigste Zahl nach einem Rekordminus im Jahr 2017 gemeldet: Sie liegt bei 37.1 Vögel pro Garten. 2011 wurden noch fast 46 Vögel pro Garten gemeldet. Vom 10. bis zum 12. Januar wird der Nabu wieder dazu aufrufen, an der „Stunde der Wintervögel“ teilzunehmen.

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