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Jürgen Borris Wolfsjagd mit dem Teleobjektiv

Naturfotograf Jürgen Borris aus dem Solling ist auf dem Truppenübungsplatz Munster unterwegs, um den Wolf vor die Linse zu bekommen. Der Ex-Banker berichtet, was ihn daran fasziniert.
11.07.2021, 22:01 Uhr
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Wolfsjagd mit dem Teleobjektiv
Von Peter Mlodoch

Von irgendwo her ist das Geknatter eines Maschinengewehrs zu hören, dann folgt der Knall eines Artilleriegeschützes. Hier und dort warnen rot-weiß-rote Ballons in zehn Meter Höhe vor dem laufenden Schießbetrieb auf dem Truppenübungsplatz Munster. „Militärischer Sicherheitsbereich“, steht bedrohlich auf den Schildern am Wegesrand; sie verbieten das Betreten und Weiterfahren.

Zivilist Jürgen Borris lässt sich davon nicht abschrecken. Ungerührt bewegt er seinen Toyota-Geländewagen über die „Privatstraße des Bundes“, biegt dann hinter einer Leitplanke in eine unscheinbare Einfahrt und findet sich hinter ein paar Büschen auf einer verborgenen Waldpiste entlang des Flüsschens Oertze wieder. „Könnte hier nicht gleich ein Rudel Wölfe vorbeiziehen?“, gruselt es den Beifahrer aus der Großstadt Hannover.

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Doch genau auf diese hat es der Mann am Steuer abgesehen; er will die scheuen Wildtiere mit seinem lichtstarken 800-Millimeter-Teleobjektiv ablichten. Der Naturfotograf stoppt nach ein paar hundert Metern an einer Lichtung, steigt aus, baut sein Stativ auf, schraubt seine Canon-Kamera drauf, zieht einen Klappstuhl auseinander und verschwindet samt kompletter Ausrüstung unter einem Camouflage-Umhang. An normalen Jagdtagen und Jagdnächten kann er darunter stundenlang ausharren, in klirrender Kälte ebenso wie in glühender Hitze.

Die Ergebnisse dieser Mühen lassen sich jetzt in einem üppigen Bildband bewundern. „Wolfsbegegnungen. Von Wölfen in freier Wildbahn“ heißt das 160-Seiten-Buch, das der 65-Jährige gemeinsam mit Text-Autorin Anke Benstem veröffentlicht hat. Das Werk will die Faszination der umstrittenen Räuber einfangen, weicht den Problemen aber nicht aus. Wolfsberater kommen darin zu Wort; Schäferin Ortrun Humbert aus Ostwestfalen fordert im Interview einen finanziellen Ausgleich und mehr Verständnis für die Nöte der Nutztierhalter. Es gibt einen Bericht aus dem Wolfsgehege im Solling und ein Gespräch mit dem Experten Frank Faß vom Wolfscenter Dörverden.

Bildband "Wolfsbegegnungen" veröffentlicht

Im Mittelpunkt aber stehen die Bilder aus der freien Natur. Eine Sequenz zeigt, wie ein Wolf sich im karelischen Moor in Finnland von hinten einem Braunbären nähert, diesen dann aus unerklärlichen Gründen ärgert und schließlich Reißaus nimmt. „Ich hatte seltenes Fotografenglück“, beschreibt Borris seine Ausbeute.

Einen spektakulären und später preisgekrönten Volltreffer landete der ehemalige Banker der Nord/LB vor einigen Jahren in der Lüneburger Heide, als er mit seiner Frau Angelika eigentlich die Balz der Birkhühner ablichten wollte. Bei der Vorbereitungstour über den Truppenplatz entdecken die beiden plötzlich sechs sich um Beute streitende Wölfe. Auf einmal rast eine äußerst erregte Wildschwein-Bache mitten durch die Gruppe – offenbar in Sorge um ihren Nachwuchs. Es bleibt bei Drohgebärden, der gegenseitige Respekt ist einfach zu groß. Die Rettungsaktion der Schweinemutter allerdings endet erfolglos. Borris erwischt mit seiner Kamera einen Wolf, der in seinem Maul einen toten Frischling davonträgt.

Ein ganzes Kapitel des Buches ist den Wölfen in der Heide gewidmet. Borris, der bei der Braunschweigischen Landessparkasse gelernt hat und später für die Nord/LB-Tochter in Holzminden tätig war, hat sich vor etlichen Jahren mit dem Wohnwagen auf einem Campingplatz in der Nähe des Militärgeländes niedergelassen. „Hier ist unser Basislager“, beschreibt der Fotograf, der sein Hobby längst zum zweiten Beruf gemacht hat, den Standort. Auf den riesigen Übungsplatz nebenan darf er mit Genehmigung der Bundeswehr und des Revierförsters. Er bekommt alljährlich eine neue Sicherheitsbelehrung, hat immer ein Auge auf den wöchentlichen Schießplan. „Bloß nichts anrühren, was irgendwie fremd in der Natur aussieht“, beschreibt Borris seine Devise, um jede Gefahr von Blindgängern zu vermeiden.

Jürgen Borris: "Ich erlebe die Tier als scheu und immer zum Rückzug bereit."

Und Angst vor den Wölfen? „Das ist kein Thema. Ich erlebe die Tiere als scheu und immer zum Rückzug bereit.“ Natürlich müsse man umsichtig unterwegs sein. „Die Rückkehr des Wolfes ist eine wahnsinnig tolle Geschichte.“ Aber man dürfe auch nicht die Kehrseite, die von Wolfsrissen betroffenen Tierhalter außer Acht lassen. Mit seinem Buch wolle er einen kleinen Beitrag zur Versachlichung der emotionalen und unversöhnlichen Diskussionen leisten, sagt der Fotograf. Nötig sei ein vernünftiges Wolfsmanagement. „Wenn ein Wolf seine natürlichen Grenzen überschreitet und Schutzvorrichtungen überwindet, muss man einschreiten können.“

Info

Nach Angaben des Wolfsmonitorings des Landes Niedersachsens leben aktuell 350 Wölfe in dem Bundesland – 36 Rudel und zwei Paare.

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