Der entscheidende Anruf kam im Dezember – und er sollte die Karriere von Maximilian Franzreb so verändern, wie er sich das erhofft hatte. Der Eishockey-Torhüter war daheim im bayerischen Bad Tölz, auf dem Display seines Telefons sah er die Nummer eines alten Bekannten: Alfred Prey, Manager der Fischtown Pinguins. Beide kennen sich seit Jahren, in der Saison 2014/15 gehörte der damals 18-jährige Torhüter kurz zum Aufgebot der Bremerhavener in der zweiten Liga. „Ich sagte ihm, dass wir ihn nach Hause holen wollen“, erzählt Prey von dem Anruf im Winter, wobei man dieses „nach Hause“ bei Franzreb erst einmal richtig verstehen muss.
Denn der Torhüter wurde zwar in Bad Tölz geboren und spielte zuletzt auch dort, dazwischen aber war er gefühlt überall, nur nicht im tiefsten Bayern. Viele Jahre lebte er in Norddeutschland. Mit sieben Jahren zog er mit seinem Vater, der auch Eishockeytorwart war, nach Hamburg – weshalb er stets mit einem freundlichen „Moin“ grüßt und nicht mit einem „Servus“.
Beim damaligen DEL-Klub Hamburg Freezers galt Franzreb als Top-Talent, er nahm auch an einem Nachwuchscamp der Los Angeles Kings teil. Nach der Auflösung der Freezers, für die er in der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) noch debütierte, griffen die Eisbären Berlin zu. Doch in der Hauptstadt wurde Franzreb in vier Jahren weder heimisch noch glücklich. Immer wieder wurde er an den kleineren Kooperationspartner Lausitzer Füchse verliehen. Seine großen Träume von einer richtigen Profi-Karriere gerieten in immer weitere Ferne.
„Wir haben ihn aber immer im Auge behalten“, sagt Pinguins-Manager Prey, der auch den ungewöhnlichen nächsten Schritt des Torhüters verstehen konnte. Im Januar 2020 packte er in Berlin seine Sachen und zog in seinen Geburtsort Bad Tölz, um bei den dortigen Löwen im Tor zu stehen: Raus aus der großen DEL-Blase, in der er nur noch einer von vielen Spielern im XXL-Kader der Eisbären war, dafür runter in die zweite Liga (DEL2). Ein Schritt zurück, um konstant zu spielen und sich zu entwickeln. Nur 25 DEL-Einsätze für die Eisbären, das war zu wenig. Und tatsächlich: In Bad Tölz blühte Franzreb auf, wurde zum besten Torhüter der DEL2 und auch wieder zu einem Top-Athleten. Zu Beginn der Pandemie bestellte er sich Fitnessgeräte und arbeitete hart daran, es zurück in die DEL zu schaffen. Als Prey anrief, versprach Franzreb: „Ich rede mit keinem anderen, wenn ihr mich holen wollt.“ Denn Bremerhaven bezeichnet er selbst als „zu Hause“. Dort sei er nun endlich wieder, nur eineinhalb Autostunden von Hamburg entfernt. Es war ein langer Weg nach Hause.

Unumstrittener Stammtorhüter bei den Pinguins: der Amerikaner Brandon Maxwell.
Bei den Pinguins ist Franzreb nicht nur der Backup, sondern auch der jüngere Herausforderer des amerikanischen Torhüters Brandon Maxwell. Der Mann aus Florida ist 30 Jahre alt, der Hamburger Junge aus Bayern ist 25. Bei den Pinguins kam er in Rekordzeit gut an. „Ein sehr verbindlicher, zuverlässiger und freundlicher Kerl – und darüber hinaus ein guter Eishockeyspieler“, lobt Prey, „er ist in der Mannschaft unheimlich beliebt und menschlich total in Ordnung.“ In der Champions League machte er für die Pinguins überragende Spiele, auch bei seinem ersten DEL-Spiel für Bremerhaven wurde er gleich zum Matchwinner und sicherte den 3:2-Sieg in Nürnberg. „Unser Plan ist aufgegangen“, freut sich Prey, „Maximilian hat zwar noch nicht so viele Spiele gemacht, aber seine Zeit wird kommen.“
Auch Maxwell hat erkannt, dass Franzreb den Ehrgeiz hat, selbst Stammtorhüter in der DEL zu sein. Laut Prey geht der Amerikaner „kollegial“ damit um, aus gutem Grund: „Auch ein Maxwell steht in einer gewissen Abhängigkeit zu Franzreb. Denn ein Torhüter kann nicht die komplette Saison durchspielen. Er weiß, dass es für ihn wichtig ist, einen guten Backup zu haben, der ihn ab und zu mal entlasten kann.“
An diesem Wochenende, wenn die Pinguins bei den Eisbären Berlin (Freitag, 19.30 Uhr) und daheim gegen die Bietigheim Steelers (Sonntag, 14 Uhr) spielen, ist es möglich, dass beide Goalies zum Einsatz kommen. „Irgendwann wird es auf eine 3:1-Sequenz hinauslaufen“, meint Prey, das heißt: Franzreb würde dann jedes vierte Spiel machen. Das wäre für ihn der nächste logische Schritt auf dem Weg zum DEL-Stammtorhüter. Auch wenn er dafür viele Umwege gehen musste.