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Handball-EM Deutsche Mannschaft: Heikle Fragen mitten im Turnier

Die deutsche Handballmannschaft steht bei der EM unter Druck. Nach einem schwachen Auftritt gegen Österreich sind kritische Fragen aufgetaucht. Was steckt hinter der schwachen Leistung?
21.01.2024, 13:24 Uhr
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Deutsche Mannschaft: Heikle Fragen mitten im Turnier
Von Jean-Julien Beer

Nur dank der lautstarken Unterstützung des Publikums in der ausverkauften Kölner Lanxess Arena konnten die deutschen Handballer am Sonnabend eine folgenschwere Niederlage vermeiden: Trotz eines Rückstandes von zeitweise fünf Toren in der zweiten Halbzeit gelang gegen Österreich noch ein 22:22 (11:12). Damit steht die Mannschaft von Bundestrainer Alfred Gislason in den ausstehenden Hauptrundenspielen gegen Ungarn (Montag, 20.30 Uhr) und Kroatien (Mittwoch, 20.30 Uhr) nun aber enorm unter Druck und muss um den Einzug ins Halbfinale bangen. Der schwache deutsche Auftritt wirft einige Fragen auf.

Wie ist die Konstellation in der deutschen Gruppe? Nach dem Unentschieden hat Deutschland nun drei Punkte auf dem Konto und rangiert in der Tabelle hinter Frankreich (6 Punkte), Österreich (4) und Ungarn (4). Nur die beiden Gruppenersten kommen ins Halbfinale. Selbst bei zwei Siegen in den nächsten beiden Spielen ist Deutschland nun darauf angewiesen, dass Österreich in den restlichen Spielen nicht mehr optimal punktet.

Warum war der deutsche Angriff gegen Österreich so schwach? Nur 22 Tore gegen den kleinen Nachbarn, das war auch für Weltklasse-Torhüter Andreas Wolff ein Beleg dafür, „dass wir die Angriffe nicht optimal ausgespielt haben“. Das deutsche Spiel war langsam und statisch, gegen die offensive Deckung der Österreicher tat sich die Mannschaft außergewöhnlich schwer. Wenn klare Chancen herausgespielt waren, wurden sie von allen Positionen viel zu oft vergeben – auch wegen der fantastischen Torhüterleistung auf Seiten Österreichs.

Wer war der Hexer im österreichischen Tor? Constantin Möstl machte gegen Deutschland das Spiel seines Lebens, seine 17 Paraden auch bei trickreichen Würfen waren spektakulär. Der 23-Jährige vom kleinen Verein Alpla HC Hard ist erst seit März 2022 Nationalspieler und war bis zur EM allenfalls Insidern bekannt. Der deutsche Nationaltorhüter Andreas Wolff, einer der besten der Welt, lobte nach dem Unentschieden: „Ich habe ihn heute zum ersten Mal live gesehen. Er war beeindruckend.“ Möstl steht nun vor einem Wechsel in die deutsche Bundesliga, MT Melsungen soll gute Chancen auf eine Verpflichtung haben. Bundestrainer Gislason packte das ganz große Lob aus: „Möstl hat Weltklasse ohne Ende gehalten. Das muss man dann auch mal anerkennen als Gegner, wir kennen das ja, wenn die Mannschaften an unserem Andi Wolff verzweifeln.“

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Warum saß Spielmacher Juri Knorr so lange draußen? Der extrovertierte Rückraumspieler ist inzwischen ein Politikum, und richtig fair ist das nicht. Nach seiner durchschnittlichen Leistung beim Sieg gegen Island wurde er von vielen Ex-Nationalspielern hart kritisiert, die heute als Experten arbeiten. Viele von ihnen forderten den erfahreneren Philipp Weber auf der zentralen Position. Genau das probierte Gislason gegen Österreich zwölf Minuten lang, das Experiment scheiterte. Weber verwarf beste Chancen, es stand nur 3:3, als Knorr erstmals aufs Feld kam. Laut Gislason war Knorr etwas erkältet. Der Bundestrainer hat immer betont, dass Knorr mit 23 Jahren noch jung sei und deshalb nicht konstant spiele - und dass auch frühere Nationalspieler und heutige Kritiker früher nicht jedes Mal super gewesen wären. Gislason nervt das Thema. Er sagt: „Wenn ich ihn bringe, heißt es: Warum spielt dieser Knorr wieder? Bringe ich Weber, dann werde ich gefragt: Warum hat denn Knorr nicht gespielt?“ Er müsse zugeben, dass sein Plan mit Weber nicht aufgegangen sei. Fakt ist: Knorr warf gegen Österreich noch sechs Tore und war bester deutscher Schütze. Er hat schon 36 Tore bei dieser EM gemacht. An ihm geht im Angriff kein Weg vorbei, weil kein Spieler im Kader besser ist.

Wie konnte Österreich dem deutschen Team das Leben so schwer machen? Das ist die dringlichste Frage, denn sie entlarvt gleich mehrere Schwächen auf deutscher Seite. Bisher ging man davon aus, dass Gislason und sein Trainerteam mit ihren stundenlangen Videoanalysen die Gegner perfekt sezieren, aber genau das machte nun Österreichs Nationaltrainer Ales Pajovic mit großem Erfolg. Er sprach es offen aus: „Wir hatten im Vorfeld gesehen, dass Knorr und Köster immer mit Schwung über den linken Rückraum kommen. Also haben wir diese Position mit einer offensiveren Deckung weitgehend zu gemacht.“ Dieser taktische Kniff brachte Deutschland völlig aus dem Konzept, die Spieler hatten den vermeintlich schwachen Gegner offenbar anders erwartet. Einen Plan B hatte Deutschland nicht. Wie schon in den Partien zuvor gelang auch das Spiel über die Außen nicht, obwohl das während des Turniers ein Trainingsschwerpunkt war.

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Was spricht noch für Deutschland? Ganz klar der Heimvorteil. Die 20.000 Zuschauer in der Kölner Arena, wo bis zu einem möglichen Finale alle deutschen Spiele ausgetragen werden, wirken wie ein zusätzlicher Spieler. „Mit diesen Fans im Rücken sind wir einen Tick stärker“, weiß Andreas Wolff. Gegen Österreich zeigte sich aber auch: Die Fans, die sich so ins Zeug legen, wollen dafür von der Mannschaft etwas sehen. Zeitweise drohte die Stimmung zu kippen, als gegen Österreich minutenlang gar nichts gelang. Die Spieler müssen in Vorleistung gehen, um die Unterstützung der Fans zu bekommen. Damit sich alle auf den Sport konzentrieren, sagte der Deutsche Handball-Bund die Medientermine der Spieler bis zum vorentscheidenden Duell mit Ungarn an diesem Montag ab.

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