Während es im Bundestag nach wie vor offen ist, welchen Ausgang die Debatte um eine allgemeine Impfpflicht nimmt, wird diese Regel in wenigen Tagen für viele Menschen bereits in Kraft treten. Für den Gesundheits- und Pflegebereich gilt die Impfpflicht ab kommenden Mittwoch, 16. März. Mit seinen rund 830 Beschäftigten ist das Delme Klinikum der mit Abstand größte Arbeitgeber des Gesundheitswesens in Delmenhorst. Dort hatte man bereits vor einem Monat eine Impfquote von insgesamt 98 Prozent erreicht, bei den Ärzten sind es 100 Prozent. Deshalb blickt das Krankenhaus entspannt auf die kommende Woche. Aber wie ist die Situation in den Seniorenheimen der Stadt?
"Viele Beschäftigte haben gleich zu Anfang die Gelegenheit bei den Impfaktionen genutzt", berichtet Michael Pleus, Kreisgeschäftsführer des Deutschen Roten Kreuzes (DRK). Der Wohlfahrtsverband betreibt mit dem Rote-Kreuz-Stift in Delmenhorst auch ein Seniorenheim mit 89 Beschäftigten. Davon muss Pleus kommende Woche zwei Kollegen als ungeimpft melden.
"In der jüngsten Corona-Welle haben sich auch Kollegen angesteckt, die danach für drei Monate als genesen gelten", erklärt der DRK-Chef. Diese müssten sich dann Anfang Sommer impfen lassen, um die gesetzliche Pflicht zu erfüllen. "Es waren aber oft Kollegen, die einen Impftermin gemacht hatten, sich dann aber zuerst ansteckten", sagt Pleus. Deshalb gehe er davon aus, dass es nach Ablauf des Genesenenstatus nicht zu einem verzögerten Konflikt mit der Impfpflicht komme.

Michael Pleus, DRK.
Auch im Stephanusstift der Diakonie bereitet die Impfpflicht dem Heimleiter Axel Stellmann kein Kopfzerbrechen. Von seinen rund 70 Beschäftigten haben sich drei nicht impfen lassen. "Es sind aber keine Vollzeitkräfte, zusammengenommen sind es nicht einmal eineinhalb Stellen", berichtet er. Auch wenn das Gesundheitsamt für die drei Kollegen Betretungs- oder Tätigkeitsverbote aussprechen sollte, sei der Betrieb des Seniorenheims nicht gefährdet.
Laut Stellmann war die Impfquote im Stephanusstift schon sehr hoch, bevor der Bundestag im Dezember für die einrichtungsbezogene Impfpflicht stimmte. "Große Debatten gab es danach bei uns nicht. Manche Mitarbeiter bringen gegen die Impfung gesundheitliche Gründe vor, die ich nicht immer nachvollziehen kann. Diskutieren kann ich ab einem solchen Punkt aber nicht mehr", sagt Stellmann. Der Chef des Seniorenheims freut sich, dass die Impfquote in Norddeutschland grundsätzlich recht hoch ist und deshalb auch die Impfpflicht wohl nicht zu drastischen Konsequenzen führen wird. "Mit Kollegen in Sachsen oder Bayern möchte ich aktuell nicht tauschen", so Stellmann.
Auch die Seniorenresidenz Delmenhorst erreicht nach eigenen Angaben eine Impfquote von nahezu 100 Prozent. Grundlage dafür sei eine umfangreiche Informationskampagne gewesen, die sich bereits Anfang 2021 mit Fakten in verständlicher Sprache an alle Mitarbeiter gerichtet habe. Einrichtungsleiter Frank Schröder sagt aber auch: „Aufgrund des Fachkräftemangels in der Pflege ist jeder Mitarbeiter, den wir aufgrund der Impfpflicht verlieren könnten, schmerzhaft.“ Ab dem 16. März sei es zudem nur noch mit entsprechenden Nachweisen möglich, einen Arbeitsvertrag abzuschließen. „Dies erschwert, zusätzlich zur ohnehin schon angespannten Lage auf dem Arbeitsmarkt, die Gewinnung von Mitarbeitern für stationäre Pflegeeinrichtungen“, warnt Schröder.
Inzwischen hat auch das Land Niedersachsen erklärt, wie genau die Kontrolle der Impfpflicht erfolgen soll. Laut Gesundheitsministerin Daniela Behrens (SPD) wird am Freitag, 11. März, ein landesweites Meldeportal zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht, kurz "Mebi", freigeschaltet. Zugriff darauf haben sowohl die Leitungen der betroffenen Einrichtungen als auch die Gesundheitsämter.
Ab dem 16. März haben die Einrichtungen für ihre Meldungen zwei Wochen Zeit. Dann fordern die Gesundheitsämter Ungeimpfte erneut auf, einen Nachweis vorzulegen. "Gleichzeitig wird den Einrichtungen empfohlen, den Beschäftigten vorübergehend patientenfern einzusetzen", heißt es in der Pressemitteilung des Ministeriums. Ohne Impf- oder Genesenennachweis kann das Gesundheitsamt ein erstes Zwangsgeld von 1500 Euro für Vollzeitbeschäftigte verhängen, die zweite Strafe beläuft sich dann auf 2500 Euro. Danach sind als weitere Schritte auch Betretungs- oder Tätigkeitsverbote möglich.