Nur für wenige Minuten verschwanden sie in der Kabine, dann kamen mehrere Spieler des SV Atlas Delmenhorst schnell wieder hinaus. Sie wollten die besondere Atmosphäre an einem besonderen Abend offenbar noch möglichst lange aufsaugen. Aus den Boxen donnerten Ballermann-Hits, während Oliver Rauh, Olivér Schindler und Co. mit einem Bier in der Hand zusammenstanden. Sie beobachteten das wilde Treiben im Delmenhorster Stadion, wo viele Fans noch immer die große Pokalüberraschung feierten. Nach tristen Monaten im Abstiegskampf der Fußball-Regionalliga Nord fühlte sich der 3:1 (1:1)-Erfolg im Halbfinale des Niedersachsenpokals über den Drittligisten VfB Oldenburg für alle Blau-Gelben wie eine Belohnung an. Eine Belohnung dafür, durchgehalten und nicht aufgegeben zu haben.
Interimstrainer Dominik Schmidt fasste die Stimmung nach dem Spiel treffend zusammen, als er sagte: "In letzter Zeit haben wir oft auf die Fresse bekommen. Viele haben uns abgeschrieben und dachten, dass wir die Saison einfach austrudeln lassen, aber wir haben gezeigt, dass wir noch leben. Totgesagte leben länger." Nun kommt es im Fußball eben manchmal vor, dass eine Mannschaft gegen einen höherklassigen Gegner über sich hinauswächst. Den Sieg gegen Oldenburg werteten sie beim SV Atlas allerdings nicht als einmaligen Ausreißer, sondern als Bestätigung des jüngsten Positivtrends.
Starke Defensivleistung
In der Liga hatten die Delmenhorster zuvor durch ein 0:0 beim TSV Havelse und ein 4:2 gegen den SSV Jeddeloh dafür gesorgt, dass wieder etwas Hoffnung auf den Klassenverbleib besteht. Sie standen zuletzt defensiv viel stabiler als zuvor und ließen sich auch von Rückschlägen nicht mehr so einfach umwerfen. "Nach den vier Punkten in der Liga waren wir auf einem guten Weg. Das Spiel gegen Oldenburg war jetzt das Zuckerchen dazu. Pokal-Halbfinale, volle Hütte und dann solch ein Sieg", sagte Atlas-Akteur Marco Stefandl.

Die Atlas-Defensive um Abwehrchef Dominic Volkmer stand sehr sicher.
Mit 69 Gegentoren verfügt der SVA weiterhin über die zweitschlechteste Abwehr der Regionalliga Nord, doch gegen Oldenburg verteidigten die Blau-Gelben derart leidenschaftlich und aufmerksam, dass der Gegner nur zu wenigen Chancen kam. Die Dreierkette mit Willem Hoffrogge, Abwehrchef Dominic Volkmer und Julian Stöhr stand sicher. Auf den defensiven Außenbahnen erledigten Oliver Rauh und Philipp Eggert ihre Aufgaben zuverlässig.
Rückschlag weggesteckt
Nur einmal ging es vor 2200 Zuschauern zu schnell für die Abwehr des Gastgebers. Eine gelungene Kombination der Oldenburger endete mit einem Querpass von Rafael Brand auf Max Wegner, der zum 1:0 einschob (19.). "Das haben sie einfach sehr gut gemacht. Das ist ein Drittligist, natürlich können die Fußball spielen", sagte Stefandl. Noch vor wenigen Wochen wäre Atlas nach einem frühen Rückstand gegen einen großen Favoriten wahrscheinlich eingebrochen. Immer wieder beklagten die Verantwortlichen, dass die Mannschaft sich von Rückschlägen zu schnell verunsichern lasse.

Großer Jubel herrschte auf dem Platz, als die Pokalüberraschung perfekt war.
Das ist inzwischen anders. Gegen Jeddeloh verspielten die Delmenhorster eine 2:0-Führung, fanden dann aber wieder zurück in die Partie. Gegen Oldenburg spielten sie nach dem 0:1 weiterhin mutig und zielstrebig nach vorne. "Wir lassen die Köpfe nicht mehr so schnell hängen und gehen jetzt Wege, die wir vor drei, vier Wochen noch nicht gemacht haben", sagte Stürmer Steffen Rohwedder. Damit stellten die Blau-Gelben den Drittligisten, der seine Startelf im Vergleich zum vorherigen Ligaspiel gegen den SC Freiburg II (0:0) auf acht Positionen verändert hatte, vor große Probleme. Nachdem VfB-Torwart Sebastian Mielitz der Ball versprungen war, hätte Mattia Trianni schon in der 42. Minute das 1:1 erzielen müssen, doch er schoss überhastet weit über das Tor. Nur eine Minute später machte er es besser: Nach einem traumhaften Steilpass von Schindler setzte sich Trianni gegen Oliver Steurer durch und traf mit einem nicht unhaltbaren Aufsetzer in die lange Ecke zum 1:1.
Schindler trifft in den Winkel
In der zweiten Hälfte schaffte es der SV Atlas weiterhin, aus einer kompakten Defensive heraus schnell umzuschalten und zu Chancen zu kommen. Ousman Touray, der bereits in der 26. Minute für den verletzten Tobias Steffen eingewechselt worden war, scheiterte freistehend an Mielitz (57.). Kurz darauf setzte sich Touray auf der rechten Außenbahn durch und legte zurück zu Stefandl, der mit einem Flachschuss gegen die Laufrichtung von Mielitz das 2:1 erzielte (61.). "Ich habe den Ball gar nicht voll getroffen, aber er schlug genau neben dem Pfosten ein", kommentierte der Atlas-Spieler seinen wichtigen Treffer. In der 71. Minute sorgte Schindler mit einem herrlichen 16-Meter-Schuss in den Winkel für das 3:1, zuvor hatte Rohwedder den Ball abgelegt. Volkmer hätte sogar beinahe noch das 4:1 markiert, schoss aber nach einer Ecke in Mielitz' Arme (76.).
Erst in den Schlussminuten kamen die Oldenburger zu Möglichkeiten, als sie alles nach vorne warfen. Atlas-Torwart Pascal Wiewrodt parierte stark gegen Patrick Hasenhüttl und Wegner (88.). Einen Elfmeter, den Hoffrogge an Marc Stendera verursacht hatte, setzte Wegner an den Pfosten (90.+1). Dann konnte die große Atlas-Pokalparty beginnen. "An diesem Abend wird gefeiert, und dann liegt der Fokus auf Eintracht Norderstedt", sagte Sportchef Bastian Fuhrken. Am Sonntag (14 Uhr) tritt Atlas in Norderstedt an und braucht im Abstiegskampf dringend drei Punkte. Steffen Rohwedder war sich sicher, dass dieser besondere Pokalabend der Mannschaft auch in der Liga helfen wird: "Der Sieg gegen Oldenburg wird uns noch einmal einen Push geben."