Dass ein Spieler des SV Atlas Delmenhorst schon bei der Einwechslung von den Fans gefeiert wird, kommt eher selten vor. Als Thade Hein kurz vor dem Ende der Partie gegen den TSV Havelse das Feld betrat, jubelten die mitgereisten Anhänger ihm zu und freuten sich, dass der Mittelfeldmann aus der zweiten Mannschaft noch ein paar Minuten in der Fußball-Regionalliga Nord auflaufen durfte. Hein stand am Sonntagnachmittag sinnbildlich dafür, dass die Delmenhorster aus der großen Personalnot das Beste machten, denn er hatte bei seinem Kurzauftritt noch zwei gute Aktionen. Mit großem Einsatz erkämpfte sich der Tabellenvorletzte gegen Havelse ein 0:0 und punktete nach acht Niederlagen in Folge mal wieder. „Dass die Negativserie endlich gebrochen ist, fühlt sich gut an. Die Mannschaft hat die Einstellung gezeigt, die wir immer gefordert haben“, sagte Sportchef Bastian Fuhrken.
In der Tabelle half der eine Punkt dem SV Atlas nicht wirklich weiter, der Rückstand auf den voraussichtlichen Relegationsplatz 14 beträgt sieben Punkte bei sechs ausstehenden Partien. Für die Moral und die Stimmung bei den Blau-Gelben war das Unentschieden zwei Tage nach dem Rücktritt des Vorsitzenden Manfred Engelbart dennoch viel wert. Nach dem Abpfiff feierten die Atlas-Fans die Mannschaft, und Interimstrainer Dominik Schmidt betonte: „Der Punkt ist enorm wichtig für die kommenden Wochen.“
Not-Viererkette steht gut
Die Startaufstellung war für das Trainerteam um Schmidt wieder einmal ein Puzzlespiel gewesen. Da Dominic Volkmer, Florian Stütz, Efkan Erdogan und Raoul Cissé allesamt gesperrt fehlten, standen Atlas keine gelernten Innenverteidiger zur Verfügung. Mittelfeldspieler Willem Hoffrogge und Außenverteidiger Julian Stöhr rückten ins Abwehrzentrum. Zusammen mit Oliver Rauh und Philipp Eggert auf den Seiten bildeten sie eine Not-Viererkette, die ihre Sache insgesamt bemerkenswert gut machte.
Die Delmenhorster, bei denen Toptorjäger Dimitrios Ferfelis ohne Angabe von Gründen fehlte, standen tief und gingen engagiert in die Zweikämpfe. Havelse hatte mehr Ballbesitz, kam aber nur zu wenigen Chancen. Yannik Jaeschke schoss nach einer Ecke knapp vorbei (11.). Bei einem der wenigen Atlas-Konter zielte Mattia Trianni über das Tor (26.). Auf der Gegenseite strich ein Weitschuss von Dominic Minz am Delmenhorster Gehäuse vorbei (29.). Kurz darauf kam Gäste-Torwart Pascal Wiewrodt, der erneut den Vorzug vor Eike Bansen erhalten hatte, einen Schritt zu spät, doch für Torben Engelking wurde der Winkel zu spitz (34.).
Trianni schießt über das Tor
„Wir wollten kompakt stehen und als Team auftreten. Das haben wir geschafft“, hielt Schmidt fest. Zu Beginn der zweiten Hälfte gestalteten die Gäste das Spiel vor 446 Zuschauern im Wilhelm-Langrehr-Stadion offener und wagten sich etwas häufiger nach vorne. Nach einer Hereingabe von Marco Stefandl setzte sich Mattia Trianni im Strafraum stark durch, schoss dann jedoch über das Tor (53.). Es war die beste Atlas-Chance der Partie, die besseren Möglichkeiten hatte weiterhin der TSV Havelse. Nach einem eklatanten Ballverlust von Hoffrogge rettete Wiewrodt stark gegen Marko Ilic (71.).
Der Atlas-Torwart, der bei der 1:2-Niederlage gegen Lohne noch ein Gegentor verschuldet hatte, wuchs nun über sich hinaus. Mit einer wahnsinnigen Parade lenkte Wiewrodt einen Kopfball von Jaeschke aus kurzer Distanz auf die Latte (75.). „In dem Spiel hat man gesehen, was Pascal kann“, lobte Fuhrken den Schlussmann. Einmal musste Wiewrodt zwar hinter sich greifen, der Treffer von Jaeschke nach einer Ecke zählte wegen eines vorherigen Foulspiels aber nicht (80.). In der Nachspielzeit kam Atlas noch einmal gefährlich in den gegnerischen Strafraum, doch Stefandl schoss in die Arme von Torwart Norman Quindt (90.+3). Den Pass hatte Hein gegeben. Eine Torvorlage des Aushilfsspielers hätte die Atlas-Fans wohl komplett in Ekstase versetzt.
„Hätten wir bei einigen Umschaltaktionen die Ruhe bewahrt, wäre sogar mehr drin gewesen, aber das wäre vielleicht auch des Guten zu viel gewesen, denn Havelse hatte eindeutig die besseren Torchancen“, bilanzierte Atlas-Coach Schmidt. Sein Gegenüber Samir Ferchichi konnte mit dem Remis ebenfalls leben: „Die Mannschaft hat ein super Spiel gemacht. Natürlich werden die Ambitionen immer größer, und man ist mit einem Punkt nicht mehr zufrieden. Aber immerhin haben wir einen Zähler gegen den Abstieg geholt.“ Als Tabellenachter dürfte Havelse allerdings kaum noch unten rutschen. Für Atlas dagegen geht es nach dem ersten Punktgewinn im Kalenderjahr 2023 darum, möglichst schon am kommenden Freitag im Heimspiel gegen den SSV Jeddeloh (18.15 Uhr) drei Punkte nachzulegen, um noch auf den Klassenerhalt hoffen zu dürfen.