Um zu erahnen, wie wichtig dieses Tor für den SV Atlas Delmenhorst war, lohnte ein Blick auf Pascal Wiewrodt und die Ballkinder. Atlas-Keeper Wiewrodt rannte über den ganzen Platz, um mit seinen Teamkollegen zu jubeln, während einige Ballkinder vor lauter Begeisterung jegliche Anweisungen vergaßen und aufs Feld stürmten. Kurz vor diesen Szenen hatte Phil Gysbers in der 86. Spielminute zum 3:2 gegen den SSV Jeddeloh getroffen und damit das Spiel entschieden. Es war ein Treffer, der die Delmenhorster im Abstiegskampf der Fußball-Regionalliga Nord wieder hoffen lässt. In der Nachspielzeit fiel sogar noch ein weiteres Tor zum 4:2 (2:0)-Endstand für den SV Atlas, der damit seinen ersten Sieg im Kalenderjahr 2023 feierte und eine Serie von elf sieglosen Partien beendete.
"Wir leben wieder", hielt Interimstrainer Dominik Schmidt nach dem Abpfiff am Freitagabend fest. Schon fünf Tage zuvor hatte der Tabellenvorletzte beim 0:0 gegen den TSV Havelse die richtige Einstellung für den Abstiegskampf gezeigt, und das setzte er nun fort. "In Havelse haben wir alles rausgehauen. Wir wussten aber, dass der Punkt nur etwas wert ist, wenn wir Jeddeloh schlagen. Das wollten wir unbedingt schaffen", verdeutlichte Atlas-Sportchef Bastian Fuhrken.
Anders als bei der vorherigen Partie standen gegen Jeddeloh wieder gelernte Innenverteidiger zur Verfügung. Kapitän Dominic Volkmer rückte nach abgesessener Rotsperre erwartungsgemäß ins Abwehrzentrum. Neben ihm verteidigte der Mittelfeldspieler Willem Hoffrogge, der auf dieser Position gegen Havelse überzeugt hatte. Oliver Rauh und Julian Stöhr spielten auf den defensiven Außenbahnen im 4-2-3-1-System. Nach einem Schreckmoment in der ersten Minute, als Torwart Wiewrodt einen Kopfball von Julian Bennert gerade noch um den Pfosten lenkte, stand Atlas bis zur Pause kompakt. "Dominic Volkmer hat die Stabilität reingebracht, die wir uns von ihm bei seiner Verpflichtung im Winter auch erhofft hatten. Er spricht sehr viel und macht jeden Teamkollegen um sich herum noch einen Tick besser", lobte Fuhrken den zweitligaerfahrenen Innenverteidiger.
Effizienz vor dem Tor
Und Volkmer verteidigte nicht nur gut, nach einer Stöhr-Ecke köpfte er auch das 1:0 (18.). Vor 735 Zuschauern, darunter der einen Monat zuvor freigestellte Ex-Atlas-Coach Key Riebau, führte somit gleich die erste Delmenhorster Chance zu einem Treffer. Auch die zweite gute Gelegenheit brachte ein Tor: Mattia Trianni, der im Sturmzentrum agierte, verwandelte einen Elfmeter zum 2:0 (42.). Tobias Steffen hatte sich mit dem Ball am Fuß vom gegnerischen Gehäuse wegbewegt, als Konstantin Engel im eigenen Strafraum etwas zu ungestüm gegrätscht und den Strafstoß verursacht hatte. "Atlas war sehr effizient", musste Jeddelohs Trainer Björn Lindemann zugeben.

Vor dem Spiel bedankten sich die Atlas-Fans beim zurückgetretenen Vorsitzenden Manfred Engelbart mit einem Spruchband.
Mit der Vorstellung seines Teams war er überhaupt nicht zufrieden und wechselte zur zweiten Halbzeit dreimal aus. Das brachte frischen Wind ins Spiel der Gäste. Ibrahim Temin wurde im Atlas-Strafraum zu zögerlich angegriffen und traf mit einem abgefälschten Schuss zum 1:2 (55.). Nur sechs Minuten später folgte der 2:2-Ausgleich: Temin flankte fast von der Grundlinie, der Ball flog im hohen Bogen über Wiewrodt, und der eingewechselte Simon Brinkmann musste am zweiten Pfosten nur noch den Kopf hinhalten (61.). "Danach waren wir mental am Boden", sagte Fuhrken.
Joker Gysbers sticht sofort
Oft ist der SV Atlas in solchen Momenten zuletzt komplett eingebrochen, doch dieses Mal bäumte er sich auf. "Wir hatten auch endlich mal das Spielglück auf unserer Seite", unterstrich Fuhrken. Nach einem Konter stürmte Trianni die linke Seite herunter und legte zurück zu Stöhr. Dessen Flanke fand Gysbers, der nur sieben Minuten nach seiner Einwechslung das 3:2 köpfte (86.). Die Jeddeloher reklamierten Abseits, doch der Treffer zählte. "Für Phil freut mich das unheimlich. Der Junge ist 19 Jahre alt und weit weg von zu Hause, kniet sich aber immer voll rein. Jetzt hat er endlich sein erstes Tor für uns gemacht", sagte Fuhrken.
Den knappen Vorsprung brachten die Blau-Gelben erstaunlich souverän ins Ziel. Sie hielten den Ball in ihren Reihen und schlugen im richtigen Moment noch einmal zu: Steffen Rohwedder legte ab für Marco Stefandl, der zum 4:2 einschob (90.+3). Danach feierten Spieler und Fans den ersten Regionalliga-Sieg seit dem 26. November 2022 ausgelassen. Coach Schmidt blickte derweil bereits voraus: "Es ist noch ein weiter Weg für uns, wir werden weiterhin alles geben. Nach der Niederlage gegen Lohne waren wir schon abgeschrieben und mussten der Mannschaft den Glauben an den Klassenerhalt wieder einimpfen." Erst einmal wollen sie bei Atlas den Abstiegskampf nun aber für ein paar Tage beiseiteschieben, schließlich steht am Mittwoch (18 Uhr) das Landespokal-Halbfinale gegen den VfB Oldenburg an. "Darauf freuen für uns jetzt einfach nur", betonte Fuhrken.