Der Ball flipperte durch den Strafraum, war schon fast geklärt und landete plötzlich doch noch vor den Füßen von Justin Dähnenkamp. Dass der neue Stürmer über einen starken Torabschluss verfügt, wusste man zwar, aber beim SV Atlas Delmenhorst hatte er dies bis dahin noch nicht unter Beweis gestellt. Nun war Dähnenkamps großer Moment gekommen, in der Nachspielzeit: Er überlegte nicht lange und knallte den Ball trocken an mehreren Gegenspielern vorbei ins Netz. Es war der umjubelte 3:3 (1:2)-Ausgleich für den SV Atlas im Heimspiel der Fußball-Oberliga gegen den TuS Bersenbrück am Sonnabendnachmittag. "Für ihn freut es mich sehr. Er kam aus der Landesliga und musste sich erst eingewöhnen, hat aber immer hart gearbeitet", sagte Atlas-Trainer Dominik Schmidt über Dähnenkamp.
Schmidt freute sich natürlich auch für das gesamte Team. Nach dem Auftaktsieg gegen den VfV Hildesheim (2:0) und der achtbaren Vorstellung im DFB-Pokal gegen den FC St. Pauli (0:5) wäre eine Heimniederlage gegen Bersenbrück ein erster Rückschlag für den Regionalliga-Absteiger gewesen. Mit vier Punkten aus zwei Partien können sie beim SV Atlas nun gut leben. "Den einen Punkt gegen Bersenbrück haben wir uns mehr als verdient", hielt Schmidt fest.
Startelf-Debüt für Schallschmidt
Im Vergleich zu den vorherigen zwei Begegnungen hatte der Coach seine Startelf auf einer Position geändert. Für Phil Gysbers, den leichte Rückenprobleme plagten, rückte der etatmäßige Mittelfeldspieler Joel Schallschmidt ins Sturmzentrum. "Wir brauchten vorne Wucht gegen die körperlich starken Abwehrspieler, und Joel hat sehr gut trainiert. Im Sturm hatte er auch schon mal gespielt. Über weite Strecken hat er das gut gemacht", sagte Schmidt.
Auf den anderen zehn Positionen blieb Atlas unverändert, war aber in der Defensive zunächst kaum wiederzuerkennen. Gegen Hildesheim und eine Stunde lang gegen St. Pauli hatten die Delmenhorster stark verteidigt, doch nun boten sie Bersenbrück in der Spielfeldmitte viele Räume an. In der siebten Minute konnte Markus Lührmann durchs Mittelfeld spazieren und legte quer zu Saikouba Manneh, der den Ball zum 1:0 für die Gäste ins lange Eck schob. Mit dem trickreichen Flügelstürmer hatte die Atlas-Abwehr große Mühe, immer wieder wechselte er die Positionen. In der 16. Minute tauchte Manneh auf der rechten Seite auf. Nach einem Pass von Lührmann schoss er ungedeckt das 2:0.
Azadzoy trifft per Seitfallzieher
"Wir sind sehr schlecht ins Spiel gekommen. Aber der 20. Minute haben wir das Geschehen aber klar dominiert und gezeigt, was für einen Fußball wir spielen können", sagte Schmidt. In der Tat hatte der frühe Rückstand sein Team offenbar aufgeweckt. Vor rund 500 Zuschauern drängten die Delmenhorster den Gegner zunehmend in die Defensive. Nach einem schönen Pass von Kerem Sari hatte Ousman Touray freie Bahn, traf aber nur den Pfosten (19.). Der überfällige 1:2-Anschlusstreffer fiel dafür in der 40. Minute, als Atlas-Kapitän Mustafa Azadzoy eine Touray-Flanke per sehenswertem Seitfallzieher ins Netz beförderte.
Es war ein Spiel mit hohem Unterhaltungswert, was auch daran lag, dass beide Teams viele Fehler begingen. Nach dem Seitenwechsel wirkten die Delmenhorster zunächst etwas schläfrig. Nach einem Fehlpass von Raoul Cissé hatte der SV Atlas Glück, dass Manneh zum ersten Mal an diesem Nachmittag knapp vorbei zielte (57.). Allmählich übernahm Atlas danach wieder die Spielkontrolle. Einen Freistoß von Florian Stütz parierte Bersenbrücks Torwart Nils Böhmann stark (61.). Kurz darauf hatte er aber das Nachsehen: Touray lief frei auf den Keeper zu, umkurvte ihn und schob zum 2:2 ein (65.).
"Das ist brutal"
In der Schlussphase drückte Atlas aufs Tempo und wollte den Siegtreffer, doch plötzlich lag der Ball im eigenen Netz. Nach einer Ecke hatte Torwart Damian Schobert zunächst pariert. Der Ball segelte allerdings erneut in den Strafraum, und Nicolas Eiter köpfte das 3:2 (88.). "Der Treffer kam aus dem Nichts", sagte Schmidt. Es spricht für seine Mannschaft, dass sie nach diesem Genickschlag weiter kämpfte. Stütz (90.) und Eggert (93.) hatten Möglichkeiten zum Ausgleich. Nach einem Handspiel gab es dann noch einen letzten Freistoß. Stütz schoss in die Mauer, und der Ball trudelte ins Aus. "Wenn du in der 96. Minute einen Freistoß bekommst und fünf Minuten Nachspielzeit angezeigt waren, ist es vollkommen in Ordnung, wenn der ausgeführt wird. Dass du danach aber noch einen Eckball kriegst und in der 97. Minute das Tor bekommst, das ist brutal", betonte Bersenbrücks Trainer Tobias Langemeyer.
Schiedsrichter Felix Bahr ließ die Ecke noch ausführen, sodass der kurz zuvor eingewechselte Dähnenkamp in der 97. Minute seinen großen Auftritt hatte. Für Langemeyer war der späte Gegentreffer "ein Stich ins Herz", er lobte seine Spieler dennoch für eine "Top-Leistung gegen einen der großen Favoriten der Liga". Für Schmidt war Dähnenkamps Tor der verdiente Lohn für die Leistung seiner Mannschaft. Euphorie brach beim Atlas-Coach nach dem Punktgewinn allerdings nicht aus. "Vielleicht waren es auch zwei Punkte zu wenig", überlegte Schmidt.