Es hatte fast die Breite des gesamten Gästeblocks und war kaum zu übersehen. "Euer einziger Kult sind eure Nazis – Atlas abschaffen", stand auf einem Banner, das Ultras des FC St. Pauli während des DFB-Pokal-Spiels beim SV Atlas Delmenhorst hochhielten. Entsprechende Schlachtrufe waren ebenfalls zu hören. Am Montag reagierte der SV Atlas darauf und versandte eine Stellungnahme. Darin heißt es: "Das gezeigte Banner empfinden wir mindestens als unangemessen, zumal zu lesen stand: ,Atlas abschaffen'. Dass das im Kontext zum abscheulichen Nationalsozialismus vorgetragen wurde, ist widerwärtig und aus unserer Sicht nicht zu rechtfertigen."
Konkret muss sich der Fußball-Oberligist nach dem gelungenen Pokalspiel (0:5) vor 4999 Zuschauern mit dem Vorwurf auseinandersetzen, dass führende Köpfe der rechten Szene im Delmenhorster Fanblock und im VIP-Bereich gewesen sein sollen. Die Twitter-Seite "AfD Watch Bremen" dokumentierte dies mit Fotos. Vom SV Atlas heißt es dazu: "Wir haben keine Kenntnis davon, dass sich Personen im Stadion, auch die medial benannten Personen, zum Spiel gegen den FC St. Pauli auffällig oder in einer Tendenz rechtsradikal verhalten haben. In einem solchen Fall würde der SV Atlas selbstverständlich aktiv werden." Die Polizei und die Veranstaltungsleitung um Lars Mühlbradt, den Sicherheitsbeauftragten von Werder Bremen, hätten das Spiel sowie das Drumherum aufmerksam begleitet. Von allen Seiten sei bestätigt worden, dass es keinerlei Vorfälle gegeben habe.
Auch schon bei vorherigen Partien sollen bekannte Rechtsextreme im Atlas-Fanblock gewesen sein. Der Verein teilte nun mit: "Der SV Atlas steht kontinuierlich mit allen Fangruppierungen in Kontakt und bespricht selbstverständlich alle relevanten Themen." Der Klub stelle sich "ausdrücklich gegen jede Form von Rassismus und Extremismus". Das sei auch im Leitbild des Vereins festgeschrieben. Weiter heißt es: "Der SV Atlas hat klar Stellung bezogen, als Spieler der deutschen U21 auf das Übelste rassistisch beleidigt wurden. Der SV Atlas ist in einer Stadt beheimatet, die aufgrund ihrer industriellen Vergangenheit glücklicherweise eine Stadt mit vielen Herkünften ist und damit sehr gut zurechtkommt. Mit unserem Slogan ,Wir für Delmenhorst' meinen wir ausdrücklich die Stadt in Gänze. Alle unsere Mannschaften sind Teams, die überhaupt keine Berührungsängste untereinander kennen und zum Glück ebenfalls Menschen mit unterschiedlichen Herkünften vereinen."
Umstrittenes Kampfsporttraining
Bereits im Vorfeld des Pokalspiels gegen St. Pauli hatte es Kritik am SV Atlas aus dem Fanlager des Hamburger Zweitligisten gegeben. Der Fan-Blog und Fan-Podcast "Millernton" kritisierte etwa, dass die erste Atlas-Mannschaft Ende Juli während der Saisonvorbereitung eine Trainingseinheit in einem Kampfsportstudio abhielt, in dem auch Rechtsextreme trainieren sollen und dessen Besitzer Kontakte in die rechte Szene pflegen soll. „Am Tag des Trainings wurde zu keiner Zeit eine Ansprache einer politischen Ausrichtung erkennbar", teilte der SV Atlas dazu mit und versicherte: "Wir werden künftig noch sensibler sein und noch kritischer derartige Maßnahmen überprüfen."
Für die Schreiber von "Millernton" stand nach dem Spiel dennoch fest, welchen Eindruck sie vom SV Atlas gewonnen hatten: "Von außen betrachtet wirkt es nicht so, als wenn aktiv gegen die rechten Strukturen in der Fanszene vorgegangen wird." Andererseits erhielt der SV Atlas aber auch Lob aus Hamburg für die Organisation des Pokalspiels. St. Paulis Trainer Fabian Hürzeler begann die Pressekonferenz nach dem Abpfiff mit folgendem Statement: "Ich möchte mich bei Atlas bedanken. Es war eine Top-Organisation. Es war alles vorhanden."
Auch von mehreren Fans im Rollstuhl, die die Begegnung auf der Tartanbahn verfolgten, kamen viele warme Worte. Auf seiner Facebook-Seite zitiert Atlas einen St.-Pauli-Anhänger, der betonte: "Es war der Hammer, wie sich um uns Handicap-Fans gekümmert wurde. Ich habe so etwas noch nie erlebt." Insgesamt sei der SV Atlas als gastgebender Verein "mit viel Lob und Anerkennung" bedacht wurden. "Das bezieht sich auf Zuschauer, den FC St. Pauli, den DFB und Personen, die in beruflicher Tätigkeit vor Ort waren", steht in der Klubmitteilung. Bei allem positiven Feedback habe das Banner der St. Pauli-Fans die Vereinsverantwortlichen allerdings durchaus getroffen, sagte Vorstandsmitglied Stefan Keller. "Das hat jeden von uns berührt. Viele Menschen im Verein und im Stadion sowie die vielen Helferinnen und Helfer fühlen sich zu Unrecht stigmatisiert."