Noch am Montagabend gingen Chefcoach Dominik Schmidt und Co-Trainer Florian Urbainski davon aus, dass sie im Spiel bei der FSV Schöningen auf Ibrahim Temin verzichten müssen. Während des 3:2-Siegs des Fußball-Oberligisten SV Atlas Delmenhorst beim SV Meppen II hatte der Linksverteidiger in einer etwas unübersichtlichen Situation seine fünfte Gelbe Karte gesehen, das glaubten sie zumindest. Zum großen Glück für den SV Atlas guckte das Trainerduo noch einmal genau nach und stellte überrascht fest, dass die Verwarnung gar nicht Temin gegolten hatte. Also fuhr der Ex-Oldenburger am Dienstag doch mit nach Schöningen und wurde prompt zum Matchwinner: Durch seinen Treffer in der 87. Minute sicherte Temin den Delmenhorstern einen glücklichen 1:0 (0:0)-Erfolg.
Die Blau-Gelben entwickeln sich zu Last-Minute-Experten. In Meppen hatte Steffen Rohwedder in der 93. Minute das entscheidende Tor erzielt. "Wieder hatten die Jungs bis zum Schluss den Glauben daran, dass wir es noch schaffen. Dafür haben sie sich belohnt", sagte Schmidt. Im Kampf um den Relegationsplatz zwei waren es drei wichtige Punkte, denn der Rivale TuS Bersenbrück siegte parallel beim Rotenburger SV (3:1). Atlas liegt somit weiterhin einen Punkt hinter dem Zweiten Bersenbrück. "Wir bleiben dabei, dass wir von Spiel zu Spiel gucken", betonte Schmidt und fügte hinzu: "Erst einmal freuen wir uns über den Sieg in Schöningen, denn es war ein Spiel gegen einen schweren Gegner auf einem schweren Platz. Der Spielverlauf war ausgeglichen, ein 0:0 wäre auch gerecht gewesen."
Unter Interimstrainer Eduard Spissak war Schöningen zuvor drei Partien in Folge ungeschlagen geblieben, und das Team erwies sich als unbequemer Kontrahent. "Sie haben auf dem ganzen Feld eine Mann-gegen-Mann-Verteidigung gespielt. Wir hatten lange Zeit Probleme, dafür Lösungen zu finden. In der ersten Halbzeit war Schöningen etwas mehr am Drücker als wir", schilderte Schmidt.
Beck vergibt große Chance
Bereits in der fünften Minute musste Atlas-Torwart Damian Schobert vor rund 200 Zuschauern im Elmstadion erstmals eingreifen und parierte gut. Wenig später hatte er dann Glück, dass ein Fehler folgenlos blieb (19.). Auf der Gegenseite war es vor allem Temin, der für Gefahr sorgte. Zweimal scheiterte er an Schöningens Keeper Niclas Ben Edelmann (8./32.). Die größte Gelegenheit im ersten Durchgang bot sich den Gastgebern in der 45. Minute, doch Ex-Profi Christian Beck zeigte sich nicht so kaltschnäuzig wie gewohnt. Somit ging es beim Stand von 0:0 in die Pause.
"Im zweiten Durchgang waren wir dann etwas besser als der Gegner, auch wenn es weiterhin kein schönes Spiel war", berichtete Schmidt. In der 51. Minute brachte der Atlas-Coach Rohwedder, den Siegtorschützen von Meppen, für Phil Gysbers, um die Offensive zu beleben (52.). Die erste Gelegenheit der Gäste nach dem Seitenwechsel vergab Shamsu Mansaray, dessen Schuss Edelmann um den Pfosten lenkte (58.).
Schmidts goldenes Händchen
Vieles deutete auf ein torloses Unentschieden hin, doch dann setzte Temin nach einem weiten Abschlag von Schobert zu einem energischen Sprint an und war nicht zu stoppen. An seinem Schuss war Edelmann zwar noch dran, doch der Ball flog zum umjubelten 1:0-Siegtreffer für die Delmenhorster ins Netz (87.). "Da hat sich ,Ibo' richtig stark durchgesetzt", lobte Schmidt. In der 65. Minute hatte der Trainer Philipp Eggert für Mansaray eingewechselt. Eggert bekleidete fortan die Linksverteidigerposition, sodass Temin auf die linke Angriffsseite vorrücken konnte - ein goldrichter Schachzug. "Wir wollten neue Impulse setzen und mehr Durchschlagskraft in der Offensive entwickeln", erklärte Schmidt. In der 76. Minute hatte er auch noch Justin Dähnenkamp und Leonit Basha als Doppelspitze gebracht. Temin und Rohwedder flankierten das Duo als Außenangreifer, sodass Atlas mit vier Stürmern agierte. "Es hat funktioniert. Dafür könnte man sich als Trainer jetzt abfeiern lassen, aber daran habe ich kein Interesse. Mir ist nur wichtig, dass die Jungs sich belohnt haben", sagte Schmidt.
In der siebenminütigen Nachspielzeit wurde es noch einmal hektisch. Atlas-Akteur Daniel Hefele sah die Gelb-Rote Karte (90.+6), doch die Blau-Gelben brachten den knappen Erfolg über die Zeit. "Der Platzverweis war unnötig, das weiß Daniel selbst. Daraus muss er lernen", sagte Schmidt. Hefele war nach einem Einwurf in der gegnerischen Hälfte zu hart in den Zweikampf eingestiegen. Da zudem Joel Schallschmidt in der 60. Minute verletzt ausgewechselt wurde und Florian Stütz länger ausfällt, klafft bei Atlas vor dem Heimspiel gegen den Rotenburger SV am Sonnabend (15 Uhr) ein Loch im defensiven Mittelfeld. Kerem Sari sah auch noch die fünfte Gelbe Karte. "Wir müssen wieder kreativ werden", sagte Schmidt, wollte sich am Dienstagabend aber noch nicht zu sehr damit beschäftigen. Erst einmal gelte es, die fast dreistündige Rückfahrt aus Schöningen zu genießen. "Wir haben Getränke im Bus. Die Jungs sollen etwas feiern, natürlich ohne es zu übertreiben", sagte Schmidt. "Am Mittwoch ist frei, das haben sie sich verdient."