Die sportliche Entwicklung beim SV Atlas Delmenhorst ist besorgniserregend. Sieben Ligaspiele in Folge haben die Blau-Gelben nicht gewonnen, dabei nur drei Remis geholt und sechs Tore erzielt. Die Elf von Coach Dominik Schmidt steht nach einem Drittel der Saison auf dem vorletzten Platz, punktgleich mit Schlusslicht FC Verden 04. Im Tabellenkeller geht es eng zu, der SSV Vorsfelde am rettenden Ufer hat lediglich drei Punkte mehr als Atlas auf dem Konto und dazu die schlechtere Tordifferenz. Eintracht Braunschweigs U23, die die obere Tabellenhälfte als Neunter abschließt, ist lediglich fünf Punkte voraus. Atlas empfängt am Sonnabend den SV Meppen II, der ebenfalls in der Abstiegszone rangiert, bevor es nach Verden geht. Atlas kann sich hier aus dem Keller befreien – oder richtig tief in den Abstiegssumpf sacken.
Der Umbruch im zweiten Jahr nach dem Regionalliga-Abstieg fiel größer als gewollt aus. Gleich 14 neue Spieler mussten Schmidt und Co. integrieren. Ebenso viele Abgänge verzeichnete die Mannschaft. Dennoch war sich der Sportvorstand Bastian Fuhrken am Ende der Transferphase sicher: "Wir sind auf keinen Fall schlechter aufgestellt als letzte Saison. Von der Stimmung und vom Zusammenhalt her ist der Kader jetzt sogar besser als vor einem Jahr." Doch es gibt Zweifel, ob der Kader und dessen Struktur nicht eben doch schwächer ist. Zwei größere Problemzonen haben die Blau-Gelben im Saisonverlauf offenbart.
Die offensiven Außenbahnen
In der herausragenden Rückrunde der Vorsaison, die Atlas für sich genommen als Zweiter beendete, waren Shamsu Mansaray und Ousman Touray die beiden wichtigsten Offensivspieler. Die Flügelstürmer sorgten konstant für Gefahr, machten das Spiel breit und zogen Gegenspieler auf sich. Die Kontrahenten waren oft gezwungen, die Außenstürmer zu doppeln, wodurch Platz für andere Akteure entstand. Beide verließen Atlas in Richtung Schöningen, adäquater Ersatz ist nicht vorhanden. Marcel Marquardt zeigte zwar gerade zu Saisonbeginn gute Partien, ist jedoch kein klassischer Außenbahnspieler. Er sucht den Weg in die Mitte und ist dort generell nicht schlechter als außen aufgehoben. Zuletzt setzte er sich wenig in Szene, musste in Bersenbrück zudem mit Verdacht auf eine Gehirnerschütterung vom Feld. Auf der Gegenseite läuft regelmäßig Sinan Brüning auf. Der Teenager hat großes Talent, besticht durch Tempo. Doch aufgrund seiner Jugend fehlen teils noch Übersicht und Durchsetzungsvermögen. Mohammed Sultani, der ursprünglich als Außenverteidiger geholt wurde, zeigte als Außenstürmer durchwachsene Auftritte. Dass die jungen Spieler noch nicht die tragenden Rollen einnehmen, kann ihnen kaum vorgeworfen werden.
Gegen den VfL Oldenburg probierte Schmidt es ohne Außenstürmer, doch auch das funktionierte nicht. Atlas sorgt insgesamt für zu wenig Gefahr über außen, so hängt Mittelstürmer Steffen Rohwedder regelmäßig in der Luft. Ein Betreuer einer der bisherigen Gegner fasste es folgendermaßen zusammen: "Im Vergleich zum Vorjahr fehlt da offensiv die Power". Die Hoffnung an der Delme ist, dass Neuzugang Tobias Fagerström für Durchsetzungskraft sorgt, auch wenn er bei seinen bisherigen Stationen mehr im Zentrum als auf dem Flügel agierte. Er fehlt jedoch verletzt.

Ousman Touray (links) und Kerem Sari bejubelten vergangene Saison mit Shamsu Mansaray viele Treffer für Atlas. Alle drei verließen den Verein und hinterließen große Lücken.
Nach elf Spielen hat Atlas 16 Tore erzielt. In den vergangen sieben Partien waren es jedoch nur sechs. Nur beim 5:1-Saisonauftakt gegen den BSV Rehden, der aktuell auf dem drittletzten Rang steht, erzielte Atlas mehr als zwei Treffer. Jüngst beim TuS Bersenbrück verzeichnete Atlas aus dem Spiel heraus kaum eine Torchance, das war beim vorherigen Auswärtsspiel bei Arminia Hannover ähnlich.
Das Zentrum
In der vergangenen Saison führte Florian Stütz in der Regel die Regie. Mit klugen Verlagerungen und genauen Pässen strukturierte er die Offensive und setzte gerade die Flügelstürmer regelmäßig ein. Auch fehlen seine gefährlichen Standards und Schüsse. Sieben Tore erzielte Stütz in der abgelaufenen Spielzeit. Ein Nachfolger ist noch nicht gefunden. Nominell ist Atlas im Zentrum mit Josip Tomic, Mats Kaiser, Daniel Hefele und Joel Schallschmidt gut besetzt. Letzterer ist hierbei ein kopfball- und zweikampfstarker Vertreter und kein Stratege. Hefele ist bislang kaum eine Verstärkung und sitzt meistens auf der Bank. Dort musste auch der Allrounder Tomic mehrfach Platz nehmen, spielte zuletzt aber wieder. Bislang hat der Routinier noch nicht die erhoffte Wirkung und läuft mehr mit, als dass er Akzente setzt. Kaiser fehlte aufgrund von Verletzungen lange und kommt erst langsam rein. Hier gilt es abzuwarten.
Auf der Zehn hat Atlas zwei Alternativen: Tom Trebin tritt meist solide auf, macht jedoch nicht den Unterschied aus. Leonit Basha ist jung und hat es bislang nicht geschafft, über einen längeren Zeitraum verletzungsfrei zu bleiben. Hinzu kommt offensiv Justin Dähnenkamp. Dieser ist wohl am besten als zweiter Stürmer oder hängende Spitze aufgehoben, doch diese Position gibt es bei Atlas nicht. Dähnenkamp strahlt oft Torgefahr aus und hat einen guten Abschluss. Im Kombinationsspiel hat er jedoch Schwächen und verliert viele Bälle.
Fehlendes Spielglück
Es ist bei Weitem nicht so, dass Atlas in den Spielen regelmäßig unterlegen ist. Zwei Binsenweisheiten, die sich freilich widersprechen und dennoch eine gewisse Berechtigung haben, passen zur Situation. "Die Tabelle lügt nicht" und "Die Tabelle ist nur eine Momentaufnahme". Atlas steht aufgrund fehlender Durchschkagskraft nicht zufällig auf einem Abstiegsplatz. Die Qualität ist jedoch eigentlich zu groß, um dauerhaft im Keller zu bleiben.
Den Blau-Gelben fehlte bislang oft das Spielglück, was sich wiederum auf die Psyche auswirkte. "Es ist ganz viel Kopfsache. Wir brauchen Erfolgserlebnisse", sagte Dominik Schmidt nach dem Bersenbrück-Spiel. Er sprach damit unter anderem das Spiel gegen Spitzenreiter HSC Hannover vor zehn Tagen an. Atlas war die bessere Mannschaft, ging in Führung, kassierte den Ausgleich durch einen unberechtigten Elfmeter und bekam selbst einen Elfmeter nicht zugesprochen. Auch daheim gegen den Tabellendritten FSV Schöningen hätte Atlas siegen können. Bis zur 89. Minute führten die Blau-Gelben nicht unverdient. Dann foulte Ibrahim Temin völlig unnötig im Strafraum, Schöningen glich vom Punkt aus und siegte sogar noch.