Als gäbe es nicht schon genug Probleme, kam nun auch noch die Grippewelle. Mehrere Spieler der HSG Delmenhorst und Trainer Jörg Rademacher lagen flach. An Training war erst einmal nicht zu denken. "Wir hätten nur zwei, drei Spieler zusammenbekommen", sagt Rademacher. Angesichts von Verletzungen und Grippeerkrankungen blieb dem ehrgeizigen Coach des Handball-Oberligisten keine andere Wahl: Er musste die Einheiten absagen. In der Woche vor dem Spiel bei der SG VTB/Altjührden am Sonnabend (19.30 Uhr) haben die Delmenhorster somit nur ein Mal trainiert.
Als Tabellendritter treten sie beim Sechsten an, doch unter diesen Vorzeichen hält Rademacher fest: "Wir fahren als krasser Außenseiter dorthin, da dürfen wir uns keinerlei Illusionen hingeben." Innerhalb von sehr kurzer Zeit hat sich die Stimmung bei der HSG Delmenhorst drastisch gewandelt. Nach der Auftaktniederlage in Rotenburg hatte die Mannschaft vier Siege in Folge gefeiert, alles sah gut aus, Rademacher lobte den großen Einsatzwillen seiner Spieler. Am vergangenen Wochenende ging die Siegesserie zu Ende, die Delmenhorster verloren mit 20:25 gegen die SG Achim/Baden.
Schlimmer als die Niederlage ist allerdings die Personalsituation. "Ich bin seit 20 Jahren Trainer, aber so extrem habe ich das noch nie erlebt. Ich will nicht jammern, aber dass die Verletzungen so reinschlagen, ist ganz bitter", sagt Rademacher. Jörn Janßen und Etienne Steffens sind langzeitverletzt. Auch Janik Köhler fällt aus. Und gegen Achim/Baden zog sich Dominik Ludwig eine Knieverletzung zu, die ihn wohl länger außer Gefecht setzt. Wer von den Grippekranken in Varel dabei sein kann, entscheidet sich kurzfristig. "Ich bete jeden Tag, dass sich einige Spieler gesund zurückmelden", sagt Rademacher.
Der Kader wird aufgefüllt
Der Delmenhorster Trainer muss den Kader in jedem Fall mit Spielern aus der zweiten Mannschaft und der A-Jugend auffüllen. Insbesondere auf der Kreisläufer-Position gibt es nach Ludwigs Ausfall große Probleme. "Wir werden noch genau besprechen, welcher Spieler in welcher Mannschaft spielt. Die Zweite und die A-Jugend haben ja auch Spiele zu bestreiten", sagt Rademacher. Erst kurz vor dem Spiel weiß der Coach genau, wie sein Kader aussieht. Eine richtige Vorbereitung ist somit nicht möglich. "Ich kann den Jungs nur am Reißbrett aufzeichnen, was zu tun ist, und muss hoffen, dass sie es umsetzen können", verdeutlicht Rademacher.
Der Ex-Profi muss gerade etwas tun, was ihm enorm schwer fällt: Er muss seine hohen Ansprüche herunterschrauben. Bei der HSG Varel-Friesland und beim TV Neerstedt hörte Rademacher als Trainer auf, weil die Möglichkeiten zu begrenzt und die Kader zu klein waren. Mit der HSG Delmenhorst träumte er vom Aufstieg in die dritte Liga. "Wir hatten letztes Jahr schon eine super Mannschaft und wollten aufsteigen, doch dann kam Corona dazwischen. Jetzt hatten wir wieder eine super Mannschaft und sind gut gestartet, doch dann kamen die Verletzungen", sagt Rademacher und fügt mit ernster Stimme hinzu: "Wir sind aktuell nicht konkurrenzfähig, wenn es um die ersten drei, vier Plätze geht. Da gehören wir nicht hin."
Aktuell könne er der Mannschaft einfach keinen Druck machen, sagt Rademacher und versucht dann für einen Moment das Positive zu sehen: "So können wir immerhin unbeschwert aufspielen. Keiner erwartet etwas, und die Jungs werden sich voll reinhängen. Wir müssen sehen, wie lange die Kräfte reichen." Mit Varel/Altjührden treffen die Delmenhorster auch noch auf einen Gegner, der sich im Aufwind befindet. Die vergangenen beiden Spiele gewann das Team von Patrice Giron, und zwar gegen den Tabellenführer TvdH Oldenburg (28:26) und den Zweiten HSG Nienburg (28:26). "Das wird eine Herkulesaufgabe für uns. Die erste Sieben von Varel ist top besetzt und sehr erfahren, mehrere Spieler haben Zweitligaerfahrung", betont Rademacher.
Er muss voraussichtlich eine junge Mannschaft aufs Feld schicken, die sich gegen die Routiniers behaupten soll. Immerhin ist der zweitligaerfahrene Tim Coors, der gegen Achim/Baden aus privaten Gründen fehlte, in Varel wieder dabei. Die verletzten Spieler werden dagegen größtenteils erst Anfang des kommenden Jahres wieder zur Verfügung stehen. Bis dahin gelte es, in der Tabelle nicht zu weit abzurutschen, sagt Rademacher. "Gott sei Dank haben wir schon acht Punkte. Da können wir nicht so schnell durchgereicht werden, aber wir müssen die untere Tabellenregion im Blick behalten. Es sind gerade schwere Tage für mich als Trainer."