Es lief die letzte Spielminute, als die Delmenhorster Stadionhalle plötzlich bebte. Angesichts des lautstarken Jubels von den Rängen hätte leicht der Eindruck entstehen können, Ole Stadtsholte habe gerade das Siegtor für die HSG Delmenhorst geworfen. In Wirklichkeit war es jedoch nur der Treffer zum 20:25 (9:10)-Endstand gegen die SG Achim/Baden am Sonnabend.
Viele der 250 Zuschauer nahmen die zweite Saisonniederlage der Delmenhorster in der Handball-Oberliga immerhin mit Humor. Sie feierten den Oberliga-Debütanten Stadtsholte, an dessen Beispiel sich die großen Personalsorgen am besten verdeutlichen lassen. Ohne vorher mit der ersten Mannschaft trainiert zu haben, rutschte er aus der Reserve in den Oberliga-Kader und durfte in der 13. Minute aufs Feld, nachdem sich Dominik Ludwig verletzt hatte und kein anderer Kreisläufer mehr zur Verfügung stand. In einem viel zu großen Trikot mühte sich Stadtsholte nach Kräften, stand aber gegen die körperlich überlegenen Achimer auf verlorenem Posten. "Ich kann niemandem einen Vorwurf machen, wir haben alles gegeben, konnten die vielen Ausfälle aber nicht kompensieren", sagte der Delmenhorster Trainer Jörg Rademacher, der sich direkt nach der Partie sichtlich geknickt in die Kabine zurückgezogen hatte.
Viele Fehler auf beiden Seiten
Die Achimer Spieler tanzten währenddessen im Kreis und skandierten: "Auswärtssieg." Trainer Tobias Naumann betonte: "In Delmenhorst bei einem Spitzenteam zu gewinnen ist etwas Besonderes." Wie ein Spitzenteam waren die Delmenhorster, die zuvor vier Siege in Folge gefeiert hatten, allerdings von Anfang an nicht aufgetreten. Nach diversen Fehlwürfen beider Teams war es Tobias Freese, der mit dem 1:0 für die Gäste das erste Tor der Partie warf (4.). "Das Spiel war von Fehlern geprägt", räumte Naumann ein und fügte hinzu: "Trotzdem haben wir immer weitergemacht und an uns geglaubt."
Anfangs war die Begegnung ausgeglichen. Mario Reiser gelang in Überzahl das 6:5 für Delmenhorst (21.) – es sollte das letzte Mal sein, dass die Gastgeber in Führung lagen. Jan Wolters glich zum 6:6 aus, dann erzielte Jakob Naumann das 10:8 für die Gäste (27.). Dass das Ergebnis überhaupt so knapp ausfiel, hatten die Delmenhorster ihrem starken Torwart Sönke Schröder zu verdanken, der in der ersten Hälfte alle drei Siebenmeter der Achimer parierte. Sekunden vor der Halbzeit schöpften die Gastgeber noch einmal Hoffnung, als Mario Reiser per Kempa-Trick auf 9:10 verkürzte (30.).
Aber egal, was die Delmenhorster auch versuchten, ihr Gegner hatte immer die passende Antwort parat. Nachdem Reiser auf 11:12 verkürzt hatte, knallte Jakob Naumann den Ball im Gegenzug genau in den Winkel (35.). "Wir haben die Chancen etwas konsequenter genutzt als unser Gegner", sagte Achims Trainer Naumann. Dass die Rückraumspieler Luke Pehling und Steffen Fastenau kurzfristig ausgefallen waren, habe sich bei der Wurfquote dennoch negativ bemerkbar gemacht. Die Delmenhorster hatten allerdings größere Probleme und trafen mit zunehmender Spieldauer kaum noch ins Tor. "Wir haben keinen Druck aus dem Rückraum erzeugt", sagte Rademacher. Achim setzte sich über 19:15 (50.) auf 22:16 (52.) ab. Damit war die Vorentscheidung gefallen.
Der erste Auswärtssieg gebe Selbstvertrauen für die Spiele gegen den TvdH Oldenburg am Mittwoch und die TSG Hatten-Sandkrug am Sonnabend, sagte Naumann. Rademacher wollte derweil am liebsten noch gar nicht an die nächste Partie bei der SG VTB/Altjührden am Sonnabend denken. Bei Ludwig sieht es nach einer ernsteren Verletzung aus. Auf der Kreisläuferposition herrscht somit ein Vakuum.
Das Spiel gegen Achim hätten die Delmenhorster übrigens schon im Vorfeld gerne verlegt, weil einige Spieler wie Tim Coors verhindert waren. "Wir haben im August angefragt, und die Achimer haben sich erst vor 14 Tagen gemeldet und wollten nicht verlegen", sagte der HSG-Vorsitzende Jürgen Janßen. Er vermutete, dass die Achimer aufgrund der Delmenhorster Personalsorgen ihre Siegchancen steigen sahen. Das dementierte Tobias Naumann: "Es ließ sich einfach kein passender Termin finden. Ich kann ja auch nicht für einen Termin zusagen, an dem mehrere Spieler von uns nicht können."