Es war eine Szene, wie sie in einem Fußballspiel öfter mal vorkommt. Ein Gegenspieler trat Dominik Schmidt auf den Fuß, der Kapitän des SV Atlas Delmenhorst wollte trotzdem weiterlaufen, doch das Knie blockierte. Der 35-Jährige blieb zwar noch einige Minuten auf dem Platz, merkte aber schnell, dass er ausgewechselt werden musste. Also humpelte Schmidt Ende Juli am ersten Spieltag der Regionalliga Nord beim VfV Borussia Hildesheim (1:1) bereits nach elf Minuten vom Feld. Seitdem fehlt er dem SV Atlas, und es dürfte noch eine Weile dauern, bis der Abwehrchef ins Team zurückkehrt. Die Untersuchungen nach seiner Verletzung brachten nämlich ein ebenso überraschendes wie unerfreuliches Ergebnis, wie Schmidt schildert: "In meinem rechten Knie ist das vordere Kreuzband nicht mehr vorhanden. Wie lange ich schon ohne Kreuzband spiele, weiß keiner. Die Muskulatur hat das erst einmal aufgefangen."
Es war im September 2012 im Regionalliga-Derby zwischen seinem damaligen Verein Preußen Münster und dem VfL Osnabrück, als in Dominik Schmidts rechtem Knie fast alles kaputt ging: Kreuzband, Innenband, Außenband, Meniskus. "Ein Totalschaden", sagt er selbst. Etwa ein halbes Jahr später spielte der Innenverteidiger wieder für Münster, doch das Knie musste natürlich leiden. Seine aktuellen Probleme seien eine Folge der damaligen Verletzung, glaubt Schmidt. "Mein Körper hat mir signalisiert: Es reicht jetzt." Er hatte sich auch einiges zugemutet. Neben dem Training beim SV Atlas schuftete er beim Umbau seines Hauses in Delmenhorst, in das er möglichst bald mit seiner Frau und seinem Sohn einziehen will. "Das waren große Belastungen für den Körper", sagt Schmidt.
Gezielter Muskelaufbau durch Krafttraining
Nun hat er erst einmal keine andere Wahl, als seinem Körper eine Pause zu gönnen. Dominik Schmidt ist ein Mann der klaren Worte und fasst auch seine aktuelle Situation schonungslos zusammen: "Mein Ziel ist es, dass ich wieder auf dem Platz stehen kann. Dafür arbeite ich sehr hart, aber das ist keinesfalls ganz sicher." Er hat eben keine Verletzung, bei der ein Arzt genau sagen kann, wann sie ausgeheilt ist. Schmidt ist derzeit alle zwei Tage im Fitnessstudio und trainiert die Muskulatur, dazu absolviert er ein Reha-Programm. Ohne Kreuzband Sport zu treiben ist möglich. Von Lothar Matthäus ist zum Beispiel bekannt, dass er viele Jahre ohne Kreuzband Profifußball spielte. Schmidt betont: "Bei mir geht es jetzt um den gezielten Muskelaufbau, damit die Muskulatur das Knie stabilisieren kann. Ich mache alles, was mir helfen kann."
In den Wochen nach dem Hildesheim-Spiel hatte er erst einmal starke Schmerzen im Knie. "Das war wirklich schwierig für mich. Ich konnte nicht einmal richtig mit meinem Sohn spielen", erzählt Schmidt. Seit zweieinhalb Wochen fühle er sich aber besser: "Jetzt habe ich im Alltag kaum noch Probleme." Als Nächstes gelte es, die Belastung ganz vorsichtig zu steigern. Schmidt: "Es ist ein ständiges Herantasten. Man muss immer gucken, wie das Knie reagiert. Ich hoffe, dass ich bald wieder Teile des Mannschaftstrainings mitmachen kann. Wann das sein wird, ist momentan aber nicht genau zu sagen."
Den Spaß am Fußball wiedergefunden
Geduldig zu sein und die Atlas-Spiele nur als Zuschauer verfolgen zu können, sei nicht einfach, gibt Schmidt zu. Beim Drittligisten MSV Duisburg hatte der Abwehrspieler, der einst für Werder Bremen zwölf Bundesliga-Spiele und zwei Champions-League-Partien bestritt, keine Chance mehr bekommen, seine Qualität zu zeigen. Im Januar dieses Jahres wechselte Schmidt zum SV Atlas Delmenhorst, in die Heimatstadt seiner Frau. Nach der harten Zeit in Duisburg wollte er die Freude am Fußball wiederfinden, und genau das gelang ihm auch. "Ich hatte unfassbar viel Spaß mit den Jungs auf dem Platz", sagt Schmidt. "Die Verletzung war dann ein richtiger Schock."
Vor der Saison wurde der erfahrene Innenverteidiger, der 85 Zweitliga-Einsätze und 225 Drittliga-Partien in seiner Vita stehen hat, zum Atlas-Kapitän ernannt. Die Rolle versuche er weiterhin auszufüllen, betont Schmidt. "Ich bin bei jedem Training und bei jedem Spiel, um der Mannschaft zu helfen. Nach einem Spiel bin ich fast so kaputt, als wenn ich selbst auf dem Platz gestanden hätte, weil ich so sehr mitgehe." Wie sich seine Teamkollegen in der bisherigen Saison präsentieren, gefällt ihm: "Wir sind auf einem guten Weg."
Allzu gerne würde Dominik Schmidt diesen Weg bald wieder mitgehen. Der 35-Jährige musste in seiner langen Profikarriere viele Rückschläge verkraften. Nach seinem Durchbruch bei Werder wurde er schlecht beraten und verlängerte seinen Vertrag nicht. Bei Eintracht Frankfurt durfte er anschließend kaum spielen. In Münster zog er sich die schlimme Knieverletzung zu. In Duisburg wurde er zum Sündenbock für die Krise des Traditionsklubs gemacht und aussortiert. Aufgestanden ist er immer wieder, und das will er auch jetzt schaffen, um den SV Atlas demnächst wieder als Kapitän aufs Feld zu führen.