Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Karriereende mit 25 Jahren Eike Bansen: "Man muss wieder und wieder gegen eine Wand rennen"

Er spielte zusammen mit David Raum und gegen Federico Valverde, doch inzwischen hat er mit dem Fußball aufgehört. Eike Bansen spricht über sein frühes Karriereende und seine neue Aufgabe bei Atlas Delmenhorst.
27.09.2024, 15:53 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Eike Bansen:
Von Christoph Bähr

Herr Bansen, im Sommer 2023 haben Sie im besten Fußballeralter von 25 Jahren aufgehört. War diese ungewöhnliche Entscheidung aus heutiger Sicht richtig?

Eike Bansen: Ja, ich fühle mich sehr gut. Es war die richtige Entscheidung, ich bin glücklich damit.

Was hat Sie zum Aufhören bewegt?

Ich habe 2010 bei Borussia Dortmund mit dem Leistungsfußball angefangen. Seitdem ging es immer nur um Fußball und darum, den Weg nach oben in den Profibereich zu schaffen. Das habe ich dann ja auch geschafft, aber das war mit viel harter Arbeit verbunden. Es ist hart, dorthin zu kommen, und noch härter ist es, da oben zu bleiben. Nachhaltig konnte ich mich oben leider nicht durchsetzen. Es wurden ein paar harte Entscheidungen gegen mich getroffen, aber das ist Vergangenheit für mich. Es kam einfach der Punkt, an dem ich festgestellt habe: Ich habe nicht mehr die Kraft, die Motivation und den Ehrgeiz, um mit 24 oder 25 aus der Regionalliga heraus noch einmal anzugreifen. Dafür muss man wieder und wieder gegen eine Wand rennen, bis diese vielleicht irgendwann umfällt. Womöglich würde ich dann mit 30 dastehen und sagen: Okay, ich habe es doch noch geschafft, aber was kommt jetzt? Ich möchte mir lieber familiär und beruflich etwas aufbauen. Da bin ich jetzt auf einem sehr guten Weg.

Was machen Sie beruflich?

Ich bin Zimmermann. Neben dem Fußball habe ich ein Sportmanagement-Studium abgeschlossen, aber in dem Bereich wollte ich nicht arbeiten. Ich war immer jemand, der was zu tun haben muss. Ich konnte nie wirklich still sitzen bleiben. Daher habe ich mich entschieden, eine Ausbildung zum Zimmermann zu machen, die ich im Januar abgeschlossen habe. Jetzt bin ich also ganz normal am Arbeiten.

Die Arbeit als Zimmermann gilt als körperlich anstrengend. Können Sie das bestätigen?

Der Job ist durchaus auch körperlich anstrengend, dafür macht es aber sehr viel Spaß, wenn man am Ende sieht, was man geschafft hat. Das Handwerk wird mir zu oft schlechtgeredet. Natürlich ist es anstrengend, aber acht Stunden im Büro vor dem Computer zu sitzen ist ebenfalls anstrengend. Davon kann man auch einen Bandscheibenvorfall kriegen. Handwerksberufe sind sehr modern geworden, vieles läuft digital. Mir macht der Beruf großen Spaß. Und was wäre unsere Gesellschaft ohne das Handwerk?

Vom Fußball-Profi zum Zimmermann, das ist schon ein ungewöhnlicher Werdegang.

Klar, aber man muss immer seinen eigenen Weg gehen. Wenn man nur darauf hört, was andere sagen, ist es leicht, anderen die Schuld zu geben, wenn etwas nicht funktioniert. Wenn man eigene Entscheidungen trifft, dann hat man es selbst zu verantworten. Das war schon immer mein Weg.

Fußball-Profis können nicht alles selbst entscheiden. Sie sind zum Beispiel abhängig davon, dass der Trainer auf sie setzt. Es gab Entscheidungen, die gegen Sie getroffen wurden. Hadern Sie damit heute noch?

Das war ein Prozess. Am Anfang hatte ich Scheuklappen auf und habe nur auf mich geguckt. Später konnte ich das große Ganze sehen, das habe ich aber erst am Ende so richtig gelernt. In einer Teamsportart ist es am besten, nicht immer nur auf den eigenen Weg zu schauen. Man kann seinen Weg schließlich nur mit anderen zusammen gehen. Natürlich denkt man sich manchmal: Was wäre passiert, wenn das oder das anders gelaufen wäre? Aber das bringt einem nichts, daher blicke ich auf diese Entscheidungen nicht mehr zurück.

Zum SV Atlas Delmenhorst sind Sie vor der Saison 2022/23 als Stammtorwart gekommen, haben dann aber Ihren Platz zwischen den Pfosten verloren. Wie sind Sie damit umgegangen?

Die Entscheidung ist auch gefallen, weil nichts anderes mehr ging. Alle zehn Feldspieler waren schon ausgewechselt worden, und es hat immer noch nicht funktioniert. Also hat man es mal mit dem Torwart versucht. Am Ende sind wir trotzdem aus der Regionalliga abgestiegen. Den Verein SV Atlas habe ich dennoch lieben gelernt.

Seit dem vergangenen Sommer sind Sie als Torwart-Trainer zurück beim SV Atlas. Juckt es da nicht manchmal noch in den Fingern und Sie möchten sich selbst zwischen die Pfosten stellen?

Nach dem Karriereende war es anfangs nicht so einfach für mich. Ich musste vom Fußball erst einmal etwas Abstand gewinnen. Aber jetzt ist es schön, wieder dabei zu sein. Der Spaß, den ich schon als Kind immer am Fußball hatte, ist durch das Training mit den Jungs zurückgekommen. Manchmal juckt es dabei schon in den Fingern und in den Füßen, aber ich kann mich ab und zu auch ins Training integrieren.

Was haben Sie sich für die Arbeit als Torwart-Trainer vorgenommen?

Ich hatte immer schon ein ganz gutes Auge für das Torwartspiel und möchte meine Erfahrung weitergeben. Auch wenn ich noch relativ jung bin, denke ich, dass ich schon einiges erlebt habe. Wir verstehen uns in der Gruppe richtig gut, die Arbeit mit den drei Torhütern macht mir enorm viel Spaß. Das, was mir geholfen hat, versuche ich ihnen zu vermitteln. Dabei geht es um das Sportliche, aber auch um die Persönlichkeitsentwicklung. Ich vergleiche das als Handwerker gerne mit einem Werkzeugkasten. Dafür versuche ich ihnen einiges an die Hand zu geben, benutzen müssen sie es dann selbst.

Erlebt haben Sie im Fußball tatsächlich so einiges. Als Kind haben Sie beim kleinen TuS Voßwinkel im Sauerland das erste Mal gegen den Ball getreten. Wie kommt man von dort zu Borussia Dortmund?

Unser Verein hat einen Kunstrasenplatz eingeweiht, aus diesem Anlass gab es ein Spiel unserer U12 gegen die U11 vom BVB. Ich war damals im Alter für die U11, habe aber schon bei den Älteren mitgespielt. Also war ich gegen Dortmund dabei, und wir haben mit 0:11 verloren. Trotzdem habe ich wohl ein gutes Spiel gemacht, und der damalige BVB-Trainer Gary Gordon hat mich nach Dortmund geholt, weil er irgendetwas in mir gesehen hat.

Wenn Sie heute Champions-League-Spiele im Fernsehen sehen mit Spielern wie Federico Valverde von Real Madrid oder David Raum von RB Leipzig, kommen dann Erinnerungen hoch? Gegen Valverde haben Sie einst mit Borussia Dortmund in der Youth League gespielt, Raum war ihr Teamkollege in der Jugend-Nationalmannschaft.

Ich freue mich dann einfach für die Jungs, dass sie es geschafft haben. Ich weiß, wie schwierig es ist, diesen Weg zu gehen und da oben zu bleiben. Man muss enorm viel Zeit aufwenden und muss oft zurückstecken. Was im Fernsehen ausgestrahlt wird, ist ja nur die Spitze des Eisbergs. Die Spiele machen vielleicht zehn Prozent des Lebens eines Fußball-Profis aus.

Denken Sie manchmal: Diese Spieler sind so alt wie ich, eigentlich könnte ich dort jetzt auch sein?

Nein, diese Gedanken habe ich nicht. Die bringen einen ja auch nicht weiter. Ich bin sehr dankbar für die Erfahrungen, die ich sammeln durfte, und für die Dinge, die der Fußball mir vermittelt hat. Und ich freue mich für jeden, der es geschafft hat. Da ist keinerlei Missgunst vorhanden.

Lesen Sie auch

Was war Ihr schönstes Erlebnis als Fußballer?

Das war ganz klar die deutsche A-Jugend-Meisterschaft 2017 mit dem BVB. Da kommt kein anderes Erlebnis ran. Es gibt kein besseres Gefühl, als vor 33.000 Zuschauern im Signal Iduna Park nach Elfmeterschießen gegen Bayern zu gewinnen. Das war Dramatik pur. Vor dem Spiel hat unser Trainer Benni Hoffmann gesagt: Für manche kommt vielleicht nach solch einem Finale noch etwas, aber für viele wird es das Highlight ihrer Karriere sein. Und so war es für mich. Wenn ich daran zurückdenke, kriege ich immer noch Gänsehaut.

Man muss dazu sagen, dass Sie einen Elfmeter von Timothy Tillman gehalten haben und damit zum Finalhelden wurden.

Ja, das stimmt. Und danach hat ein heutiger Werderaner den entscheidenden Elfmeter verwandelt: Amos Pieper.

Was hat diese Dortmunder Meistermannschaft ausgezeichnet?

Es war ein sehr guter Jahrgang. In acht Jahren bin ich mit Dortmund siebenmal Meister geworden. Am Anfang waren das etwas unbedeutendere Meistertitel im Reviercup, später dann eine deutsche Meisterschaft in der U17 und zwei deutsche Meisterschaften in der U19. Ich bin also dreimal hintereinander deutscher Meister geworden, das ist schon verrückt, wenn man darüber nachdenkt. Die Spieler waren charakterlich top, und wir hatten sehr gute Trainer. Die haben uns immer wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt.

Verfolgen Sie den Weg der einstigen Teamkollegen noch?

Ja, neulich war ich auch mal wieder in Dortmund und habe einige Jungs von damals wiedergetroffen. Die sind fast alle im Fußball geblieben, einige sind Trainer im Jugendbereich geworden. Und viele haben es ja auch zum Profi geschafft. Felix Passlack, Dzenis Burnic, Amos Pieper, Janni Serra, Niklas Beste, Jacob Bruun Larsen, Luca Kilian, David Kopacz und Tim Sechelmann zum Beispiel. Christian Pulisic war auch bei uns in der U17 dabei. Als wir U19-Meister wurden, war er dann schon bei den Profis. In jungen Jahren wurde einem öfter mal gesagt, dass nur ein Prozent aus der Mannschaft Profi wird. Da haben es aus unserem Team mehr geschafft.

Für Sie folgte nach der A-Jugend-Meisterschaft 2017 direkt der nächste Höhepunkt: Mit der deutschen U19-Nationalelf nahmen Sie als Stammtorwart an der Europameisterschaft in Georgien teil. Welche Erinnerungen haben Sie daran?

Ich war megastolz. Vorher war ich nie wirklich Teil einer Nationalmannschaft gewesen. Ich kam auch mehr über die Mentalität als über mein Talent und musste mich überall reinarbeiten. Ab und zu war ich zwar bei Sichtungslehrgängen, aber zum festen Kreis gehörte ich nicht. Auch nach diesem erfolgreichen A-Jugend-Jahr kam mir nicht in den Sinn, dass ich bei der EM spielen könnte. Ich hatte die Hoffnung, dass ich im Kader sein darf. Dass ich mitfahren und dann auch noch spielen durfte, war eine Belohnung für viel harte Arbeit.

Es gab einen Sieg gegen Bulgarien sowie Niederlagen gegen die Niederlande und England. Nach der Vorrunde war somit Schluss. Wie groß war die Enttäuschung darüber?

Wir haben es leider nicht geschafft, das aufs Feld zu bringen, was in der Mannschaft steckte. Von Rückschlägen in den Spielen haben wir uns nicht erholt. Gegen England und die Niederlande sind wir jeweils gut reingekommen, aber nach den ersten Nackenschlägen sind wir auseinandergebrochen. Ich hätte mir natürlich gewünscht, dass wir weiterkommen, aber das ganze Erlebnis war trotzdem toll. Es kann nicht jeder von sich behaupten, eine EM gespielt zu haben.

Als Jugend-Nationalspieler schafften Sie es bei Borussia Dortmund in den Dunstkreis des Bundesliga-Kaders. Zweimal waren Sie mit den Profis im Trainingslager. Wie war das?

Ich war einmal richtig mit den Profis im Trainingslager und habe auch die Asien-Tour mitgemacht. Einmal bin ich ins Trainingslager nach Marbella nachgereist. Da hatten alle drei Keeper Magen-Darm-Probleme bekommen. Es stand ein Testspiel gegen Zulte Waregem aus Belgien an und ein Torwart wurde dringend benötigt.

Waren Sie nicht total nervös, als Sie so plötzlich bei den BVB-Profis ins Tor gehen sollten?

Man funktioniert am besten, wenn man von Situationen überrumpelt wird und gar nicht viel Zeit hat, darüber nachzudenken. Hinter mir lag eine dreiwöchige Winterpause ohne Training. Eigentlich sollte es bei der U23 wieder losgehen, aber dann bin ich zu den Profis geflogen. Im Spiel hat alles gut geklappt. Wir haben 3:2 gewonnen. Wie es der Zufall wollte, brauchte Zulte Waregem noch einen Torwart. Wir haben Gespräche geführt, und für mich fühlte sich das richtig an. Also habe ich selbst die Entscheidung getroffen, dorthin zu gehen.

Gab es auch die Option, beim BVB zu bleiben?

Dortmund hätte mich gerne für die U23 behalten, aber ich war von dem anderen Weg überzeugt.

Wie war es in Belgien?

Es war sehr aufregend, als 19-Jähriger in ein fremdes Land zu kommen. Für die Persönlichkeitsentwicklung war das sehr gut. Auf einmal musste ich auf eigenen Beinen stehen. Teilweise war es auch eine harte Zeit, aber das alles hat mich zu dem gemacht, der ich jetzt bin. Zum Glück hatte ich in Belgien tolle Nachbarn – ein älteres Ehepaar, so eine Art Großeltern-Ersatz. Zwei-, dreimal pro Woche war ich bei ihnen und habe dadurch auch die Sprache schnell gelernt.

Wie lief es sportlich?

Ich habe meine Einsätze bekommen, die musste ich mir aber sehr hart erarbeiten. Der Torwart Sammy Bossut war eine Vereinslegende und hatte bei der WM 2014 zum belgischen Kader gehört. Trotzdem habe ich mir meine Spielanteile erkämpft. Es sollte aber nicht sein, dass ich dort auch dauerhaft zum Spielen komme. Wegen Corona wurde die belgische Liga abgebrochen. Das war eine schwierige Situation, und ich bin mit einem auslaufenden Vertrag in die nächste Saison gegangen. Ein paar Spiele habe ich noch gemacht, dann war meine Zeit in Belgien vorbei. Ich kann aber sagen, dass ich dort alles gegeben habe und immer wieder gegen die besagte Wand angelaufen bin, bis sie umgefallen ist.

Für Sie ging es 2022 beim TSV Steinbach Haiger in der Regionalliga Südwest weiter.

Die Lage auf dem Transfermarkt war durch Corona kompliziert. Jeder Spieler, der damals einen Vertrag hatte, war froh darüber. Im Normalfall hätte es für mich sicherlich andere Optionen gegeben, aber ich bin den Schritt in die Regionalliga gegangen. Auch das war eine Entscheidung, die ich mit einem guten Gefühl selbst getroffen habe.

Ein Jahr später folgte der Wechsel von Steinbach Haiger zum SV Atlas. Wie kam es dazu?

Meine Frau lebt seit vier Jahren in Oldenburg, wir kennen uns schon seit der Schulzeit. Mit 24 Jahren war mir klar, dass ich irgendwann eine Familie gründen möchte. Wir waren auch verlobt und wollten heiraten. Daher kam der Wunsch auf, sesshaft zu werden. Ich wusste, dass es sehr schwierig geworden wäre, im Fußball noch einmal nach oben zu kommen. Dafür hätte man viel auf sich nehmen und vielleicht mehrmals umziehen müssen. Ich wollte mir lieber beruflich und familiär etwas aufbauen, also bin ich in den Norden gezogen. Seit zwei Jahren leben wir zusammen in Oldenburg und sind sehr zufrieden.

Lesen Sie auch

Zur Person

Eike Bansen (26)

kam als Torhüter für die deutsche U19- und U20-Nationalmannschaft zum Einsatz. Mit Borussia Dortmund wurde er dreimal deutscher Meister im Nachwuchsbereich. Bei den Herren spielte er unter anderem für den belgischen Erstligisten SV Zulte Waregem. 2022 wechselte er zum SV Atlas Delmenhorst und beendete ein Jahr später seine aktive Fußballkarriere. Jetzt ist er als Torwart-Trainer für Atlas tätig.

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)