Noch müssen die Betonscheren zum Einsatz kommen, um das ehemalige Hertie-Warenhaus aus der Langen Straße "herauszuknabbern". Lange bevor der bis Ende dieses Jahres zu vollziehende Rückbau eine Baulücke gerissen haben wird, beginnen Stadtverwaltung und Kommunalpolitik mit Neuplanungen für die Immobilie in der östlichen Innenstadt. Vorgesehen ist, die Fläche zu etwa 60 Prozent durch private Investoren entwickeln zu lassen, weitere 40 Prozent der Grundstücksfläche soll einer öffentlichen Nutzung zugeführt werden.
Favorit für den Standort an der Langen Straße sind die Berufsbildenden Schulen II, die dorthin ihre Fachbereiche Sozialpädagogik, Hauswirtschaft und Pflege verlegen wollen. Öffentlich bekannt geworden waren solche Planungen schon Anfang Februar (wir berichteten), an diesem Mittwoch stellten Stadtplaner Stefan Lehmann und Olaf Meyer-Helfers vom Gebäudemanagement der Stadt, erste Überlegungen in einer gemeinsamen Sitzung von Planungs- und Schulausschuss vor.
Berufsschüler beleben die Innenstadt
Mit 350 bis 400 Berufsschülern, die in die Innenstadt umziehen, sei für das Konzept eines Bildungszentrums zu rechnen, so Lehmann, der sich dadurch eine Belebung der Fußgängerzone ausmalt. Und mehr: Aus dem BBS-II-Bereich Sozialpädagogik heraus könnte beispielsweise eine Kinderbetreuung für Besucher der Innenstadt organisiert werden, die Pflegeschüler könnten ein Beratungsangebot für die Aufnahme in stationäre Einrichtungen auf die Beine stellen und die Hauswirtschaftsschüler könnten ein Cafeteria-Angebot betreiben. Die Schulräume können zusätzlich zum Gebrauch durch die BBS II auch vom "Digitalen Entdeckerlabor" genutzt werden und das Raumangebot der Volkshochschule Delmenhorst für Schulungen und Vortragsveranstaltungen erweitern. Gedacht ist an eine Showküche, die sich für Kochveranstaltungen eignet. Lehmann betonte, dass es von Vorteil sein könne, wenn Interessenten für die zu privatisierende Fläche eine Vorstellung davon bekämen, was von städtischer Seite auf dem öffentlichen Grundstücksteil geplant sei. Gesucht wird nach einem oder mehreren Investoren.
Zur Sicherung der städtebaulichen und architektonischen Qualität des künftigen Gesamtensembles soll es einen Wettbewerb geben. Damit könnten Rahmenbedingungen der Konzeptvergabe vorbereitet werden. Lehmann erklärte, dass an einer Durchwegung der beiden Nach-Hertie-Abschnitte, von der Langen Straße bis in die Bebelstraße, festgehalten werde. Der Wettbewerb soll auch der architektonischen Abstimmung der beiden neuen Baukörper dienen. Die Kosten für dieses Verfahren sollen sich auf rund 160.000 Euro netto belaufen. Dafür würden Städtebaufördermittel mobilisiert, Bund und Land würden zu Zweidritteln an der Finanzierung beteiligt, die Haushaltsbelastung für die Stadt betrüge danach rund 54.000 Euro.
Baukosten auf 40 Millionen Euro geschätzt
Die Baukosten des Anteils Bildungszentrum auf der ehemaligen Hertiefläche könnten aktuell nur geschätzt werden, so Lehmann. Im Rathaus rechnet man aktuell mit Gesamtkosten in Höhe von rund 40 Millionen Euro.
Planungs- und Schulausschuss stimmten in der gemeinsamen Sitzung deutlich für den Verwaltungsvorschlag. Aus den Reihen der SPD äußerte Enno Konukiewitz großes Interesse, die Konzeption ausführlich auch noch im Schulausschuss zu erörtern. Am Standort Hertie sei mehr möglich, als die BBS II anzusiedeln. Konukiewitz will an der BBS I fragen, ob deren Schüler aus dem Bereich Wirtschaft mit ihren Übungsfirmen beteiligt werden könnten. Zu fragen sei laut des Sozialdemokraten auch am Willms-Gymnasium. Die Verwaltung hatte durchblicken lassen, dass für die BBS II ohnehin an eine grundlegende Veränderung zu denken sei, der H-Trakt der Berufsschule am Wiekhorner Heuweg sei stark sanierungsbedürftig. FDP-Fraktionschef Murat Kalmis warf ein, dass bei der Entwicklung der Hertie-Nachnutzung unbedingt an ausreichend Parkflächen zu denken sei. Er kündigte daher eine Enthaltung seiner Fraktion bei der Abstimmung an. Grünen-Fraktionschefin Marianne Huismann widersprach Kalmis, es gebe in rund 200 Metern Entfernung das schlecht ausgelastete städtische Parkhaus. Darüber hinaus sei künftig mit einer weiteren Veränderung im Nutzerverhalten des individuellen motorisierten Kraftverkehrs zu rechnen.
Der Planungs- und Schulausschuss des Rates stimmten in ihrer gemeinsamen Sitzung am Ende jeweils deutlich für die von der Stadtverwaltung vorgeschlagene Idee und votierten für eine Fortsetzung der Planungen.