Fin Bartels im Interview "Bremen, Werder und meine Persönlichkeit passen einfach zusammen"

Fin Bartels beendet im Sommer seine Profikarriere als Fußballer. Im Interview mit unserer Deichstube hat der Ex-Werder-Spieler unter anderem über seine Zeit in Bremen und seine besondere Schwäche gesprochen.
16.05.2023, 18:52 Uhr
Lesedauer: 9 Min
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Von Malte Bürger

Nur noch zwei Spieltage, dann ist die lange Profi-Karriere von Fin Bartels vorbei. Und das wird auch die Fans von Werder Bremen beschäftigen, denn bei ihnen steht der inzwischen 36-Jährige ganz hoch im Kurs, obwohl er schon seit drei Spielzeiten das Trikot von Holstein Kiel trägt. Bartels hat sich das Prädikat Publikumsliebling in seiner Zeit bei Werder von 2014 bis 2020 nicht nur auf dem Platz erarbeitet. Wie genau, das verrät Bartels im Gespräch mit unserer Deichstube. Dabei geht es auch um eine besondere Schwäche, eine Vorliebe für Nordklubs und eine Zukunft als Dorfkicker.

Fin Bartels, Sie sollen ja ein echter Experte gewesen sein, wenn es darum ging, Süßigkeiten ins Trainingslager zu schmuggeln. Stimmt das?

Fin Bartels: Das ist wohl wahr. (lacht) Da war immer mindestens ein halber Koffer voll, gerade zu der Zeit, als ich mit Felix Kroos zusammen auf einem Zimmer war. Da hatten wir beide immer gut was dabei.

Was stand denn da besonders hoch im Kurs?

Och, im Prinzip alles. Später haben wir das dann auch vor den Heimspielen gemacht, als es richtig gut lief, denn wenn etwas gut läuft, dann macht man das natürlich immer wieder. Es gab auf jeden Fall immer Chips, Maoam, ein bisschen Schokolade und eine Spezi dazu. Das war der normale Mix, im Trainingslager dann natürlich in doppelter oder dreifacher Ausführung. (lacht)

Sind Sie denn nie aufgeflogen, weil der Coach genau im falschen Moment an die Tür geklopft hat?

Nein, das ist nicht passiert. Ich glaube aber auch, dass es ein offenes Geheimnis war, dass ich eine kleine Naschkatze bin.

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Mussten Sie denn dann keine Extraschichten schieben, um nicht zuzunehmen?

Da habe ich zum Glück ganz gute Veranlagungen. Und wenn man täglich Sport treibt, dann sind ein paar Süßigkeiten nicht der Rede wert. Für mich war das eher der Treibstoff, damit die Maschine täglich Leistung zeigen konnte. Aber jetzt könnten vielleicht diese Probleme auf mich zukommen, wenn ich nicht mehr so häufig spiele. (schmunzelt)

Jetzt können Sie es ja verraten: Gab es je eine echte Dummheit, die Sie sich als Profi erlaubt haben?

Das gab es bestimmt die eine oder andere Sache. Gerade zu Beginn meiner Karriere habe ich vielleicht nicht ganz so ernst genommen, dass der Fußball eine riesige Chance und sehr professionell ist. Ich habe hier in Kiel meistens in der ersten Mannschaft trainiert, in der zweiten gespielt und bin dann vorher abends trotzdem noch kurz auf einer Party oder so gewesen. Das hat sich mit der Zeit dann aber gelegt.

Glauben Sie, dass es heute mit solch einem Verhalten noch möglich wäre, Profi zu werden?

Schwierig. Ich hatte damals Leute, die mich auch mal beiseitegenommen und mir gesagt haben, dass es so nicht geht. Dass man weiterhin nach dem Spiel mit Freunden oder Mitspielern etwas unternommen hat, ist ganz normal, denn man hat ja auch noch ein anderes Leben neben dem Fußball – aber zumindest vor den Spielen habe ich mich professioneller aufgestellt. 

In wenigen Tagen ist Ihre Karriere endgültig vorbei, dann sind Sie offiziell Fußball-Rentner. Fühlt sich das schon real an?

Eigentlich noch überhaupt nicht. Der Fokus liegt noch komplett auf dem Fußball-Alltag, jetzt hatten wir hier in Kiel auch gerade eine Phase, in der es nicht so gut läuft. Ich bin zu ehrgeizig, um zu sagen, dass mir das egal ist, weil es ja ohnehin meine letzten Spiele sind.

Also kommt bald erst der Mann mit dem Hammer und führt Ihnen gnadenlos vor Augen, dass es das tatsächlich war?

Ich denke schon. Spätestens nach dem letzten Spiel oder in der Phase danach. Wenn die anderen Spieler nach drei Wochen wieder mit der Vorbereitung anfangen, hast du selbst viel Zeit zum Nachdenken. Dann wird der Moment wohl kommen, in dem man realisiert, dass es wirklich vorbei ist.

Immer wieder berichten ehemalige Fußballer, dass ihnen nach der aktiven Zeit das tägliche Zusammentreffen mit den Teamkollegen deutlich mehr fehlt als gedacht. Wie ist das bei Ihnen – kommen Sie ohne das Kabinenleben aus?

Das glaube ich schon. Andererseits werde ich hier bei mir auf dem Dorf noch ein wenig kicken und dort dann vermutlich in der Kabine genauso oder noch mehr Blödsinn sabbeln als sonst. Das ist überall gleich, egal, in welcher Klasse man spielt.

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Dem Amateurfußball bleiben Sie also erhalten?

Das wird man sehen, noch ist nichts in Stein gemeißelt. Ich kann hier in meinem Wohnort mit dem Fahrrad schnell zur Anlage rauffahren und auf dem Rückweg einfach rollen lassen. Da ist der Aufwand also nicht so groß, deshalb kann ich mir das gut vorstellen.

Wie erleben Sie die letzten Tage Ihrer Karriere? Saugen Sie alles noch mal besonders intensiv auf?

Ich versuche es. Aber wir haben kürzlich drei Mal hintereinander verloren – da ist es schwierig, das alles zu genießen. Es herrscht hier noch der ganz normale Fußball-Alltag, wo es in solchen Phasen auch mal Kritik am Trainer oder auch an uns Spielern gibt, wenn es nicht läuft. Dann hatte ich auch noch einen Zehenbruch, weshalb ich viele Spiele verpasst habe. Jetzt ist die Rückrunde fast vorbei, aber richtig aufsaugen können habe ich sie nicht. Aber es kommen ja noch ein paar Highlights mit Spielen gegen die Nordklubs FC St. Pauli und Hannover 96. Da schließt sich dann also der Kreis.

In der Tat. Sie haben für Holstein Kiel, Hansa Rostock, den FC St. Pauli und beim SV Werder Bremen gespielt. Viel norddeutscher geht es kaum. Mögen Sie den Rest des Landes nicht?

Ich bin schon ein echtes Nordkind, aber es hat auch einfach immer perfekt gepasst. Von St. Pauli oder später auch bei Werder unter Robin Dutt kamen die Anfragen so früh, dass ich nie richtig darüber nachdenken musste, weit wegzuziehen. Im Fußball kann man es sich eigentlich nie aussuchen, was passiert, aber in meinem Fall war es ideal.

Hat denn auch der Hamburger SV mal angeklopft? Der würde doch noch ganz gut in die Sammlung passen, oder?

Nein, hat er nicht. Der wird also auch bis in alle Ewigkeit fehlen. (lacht)

Das klingt jetzt aber stark nach Fußball-Romantik.

Nein, Fußball-Romantik würde ich das nicht nennen. Mein Wechsel von Hansa zu Pauli zum Beispiel wurde ja auch etwas kontrovers gesehen. Die Auswirkungen erlebe ich teilweise heute noch. Jetzt mit den Jahren kann ich sagen, dass mir ein Wechsel zum HSV das alles nicht Wert gewesen wäre, weil ich mit Werder und St. Pauli zwei absolut geile Vereine hatte. Die Vita passt genau so, wie sie ist.

Bleiben wir emotional. Gibt es diesen einen Moment, an den Sie besonders gern im Zusammenhang mit Werder denken?

Das ist der Last-Minute-Nichtabstieg 2016, obwohl ich selbst nicht einmal gespielt habe. Da wurde der Platz gestürmt, als wären wir Deutscher Meister geworden. Ansonsten gab es immer mal wieder Phasen unter Viktor Skripnik oder Alexander Nouri, in denen es richtig gut lief und plötzlich alles ging. Das hat richtig Laune gemacht. Insgesamt war die Zeit bei Werder richtig geil und nie langweilig. Entweder ging es gegen den Abstieg oder dann tatsächlich sogar mal um Europa.

Trauern Sie dem verpassten Einzug in den Europapokal immer noch ein wenig nach?

Es gibt da ja zwei Sachen. Mehrmals mit Werder und dann auch mit Holstein Kiel standen wir kurz vor dem Einzug ins DFB-Pokalfinale. Diese Atmosphäre in Berlin hätte ich gerne erlebt. Europa wäre natürlich auch nochmal etwas ganz Tolles gewesen. Das fehlt mir ein bisschen, das muss ich zugeben.

Trotz der Klassenerhalt-Party 2016: Sie sind im Laufe Ihrer Karriere insgesamt vier Mal abgestiegen. Was war da denn eigentlich los?

Das war am Anfang. Seit 2011 ist die Weste aber weiß.

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Haben Sie da trotzdem an sich gezweifelt, wenn es vier Abstiege innerhalb von nur fünf Jahren gibt?

Bei den Erstliga-Abstiegen mit Hansa oder St. Pauli waren wir jeweils der absolute Underdog, das darf man nicht vergessen. Aber natürlich zehrt jeder Abstiegskampf an dir, du erlebst die Emotionen der Fans, nimmst auch negative Gefühle mit nach Hause. Da kommt dann schon mal der Gedanke, warum man das eigentlich alles macht. Das Gute am Fußball ist aber, dass er so schnelllebig ist und man sich in der nächsten Saison oder eigentlich schon im nächsten Spiel neu beweisen kann. Riesige Sorgen hatte ich deshalb also nicht, dass es mit mir und dem Fußball nichts werden soll.

Sie haben in Bremen besonders gut mit Max Kruse harmoniert. War er der passendste Mitspieler für Sie, den Sie je hatten?

Es gibt mit Sicherheit viele gute Spieler, wenn man nur an Claudio Pizarro oder Serge Gnabry denkt. Aber in der Konstellation mit Max war es mehr als gut, perfekt ist es schließlich nie. Er sieht Räume, die ich auch sehe oder gern anlaufe. Er ist einfach ein richtig geiler Kicker.

Bei Werder war es aber nicht nur schön: Wie sehr schmerzen noch immer die Erinnerungen an den 9. Dezember 2017 und Ihren Achillessehnenriss im Spiel bei Borussia Dortmund?

Das ist natürlich ein Wermutstropfen, weil es am Ende aufgrund der folgenden Knieverletzung fast zwei Bundesliga-Jahre waren, die irgendwie fehlen. Auf der anderen Seite habe ich so aber auch mal erlebt, was andere schon vor mir durchgemacht haben. Wie sie sich zurückgekämpft haben und dass es keinesfalls einfach ist, sich immer wieder zu motivieren.

Hatten Sie bei all den Rückschlägen während der Reha je das Gefühl, dass es mit dem Comeback nichts mehr wird?

Klar. Wenn du das vierte Mal Vollgas gibst, im Training bist, dir den nächsten Muskelfaserriss einfängst und wieder wochenlang ausfällst, dann entstehen natürlich Zweifel. Wieder geht es in den Kraftraum, wieder ackerst du nur für dich allein. Da rätselt man schon, wie man das Problem jetzt in den Griff bekommt. Das ist hier in Kiel dann aber endgültig gelungen.

Zwischendurch, im März 2019, gab es bei Werder nach 454-tägiger Ausfallzeit das Heimspiel gegen den FC Schalke 04 – und Ihre Einwechslung in der Schlussphase. Haben Sie den tosenden Jubel noch im Ohr?

Das hatte ich in der Form nicht erwartet. Da bekomme ich noch immer Gänsehaut, wenn ich daran zurückdenke. Ich habe dann zwar gleich über den Ball gesäbelt, aber das kann man nach solch einer langen Zeit vielleicht nachvollziehen. Es war einer der emotionalsten Momente überhaupt.

Auch als Sie im vergangenen Jahr beim Abschiedsspiel von Claudio Pizarro zu Gast waren, wurden Sie lautstark gefeiert. Was ist das Geheimnis Ihrer engen Verbindung zu den Werder-Fans?

Ich weiß es nicht. Die Stadt Bremen, Werder und meine Persönlichkeit passen wohl einfach zusammen. Wir sind ein bisschen ruhiger, bescheidener, bodenständiger. Trotzdem geben wir immer Vollgas. Vor allem die Fans. Dadurch entsteht eine enge Verbindung. Ich versuche immer, jedem gegenüber authentisch und nett zu sein und alle Wünsche der Fans zu erfüllen. Und dann habe ich auch ein paar gute Spiele gemacht, das hilft sicherlich auch (lächelt).

Auch in den Folgejahren gab es noch einige Verletzungen, einen Schlüsselbein- oder den erwähnten Zehenbruch. Merken Sie, dass Ihr Körper über all die Jahre gelitten hat?

Ja, aber nicht wegen dieser Verletzungen, denn das sind ja keine typischen Altersverletzungen gewesen. Das hätte mir auch mit 20 passieren können. Aber ich merke natürlich die Hüfte, habe momentan jeden Tag vor und nach dem Training Behandlungen, mache spezielle Übungen. Es ist schon deutlich mehr Arbeit. Früher bin ich rauf auf den Platz und habe auf die Hütte geknallt, jetzt muss ich schon mehr tun, damit der Körper noch funktioniert.

Am 28. Mai steigt der letzte Zweitliga-Spieltag, Sie sind mit Kiel bei Hannover 96 im Einsatz? Was machen Sie gegen 17.15 Uhr?

Wahrscheinlich werde ich da noch Fußball spielen, wenn der Schiedsrichter nicht ganz pünktlich abpfeift. (lacht) Was danach kommt, kann ich noch nicht sagen. Ein Großteil meiner Familie und meiner Freunde wird da sein, das wird bestimmt sehr emotional. Wahrscheinlich werde ich es auch da noch nicht realisieren, dass es mein letztes Spiel war. Ich werde wohl einfach vom Platz gehen, mir ein Bier nehmen und denken: „So, und weiter?“

Haben Sie denn schon eine grobe Idee, wie es weitergeht?

Mindestens das nächste halbe Jahr ist erstmal für die Familie und Urlaube da. Wir haben erstmals für die Herbstferien eine Reise gebucht, das konnte ich 18 Jahre lang nicht. Darauf freue ich mich. Und darauf, die Wochenenden endlich selbst zu bestimmen und für Geburtstagsfeiern langfristig zusagen zu können. Ansonsten haben wir einen gemeinnützigen Verein gegründet, um den ich mich kümmern werde.

Die „Förde Lütten“…

Genau. Wir kümmern uns um bedürftige Kinder aus allen gesellschaftlichen Schichten. Wir wollen ihnen Erlebnisse ermöglichen, die sie aufgrund von Krankheiten oder aus finanziellen Gründen sonst nicht erleben würden. Wir springen auch in die Bresche, wenn Krankenkassen beispielsweise eine dringend benötigte Therapie nicht zahlen oder in betroffenen Familien dringend ein Lastenrad benötigt wird.

Eine klassische Trainerlaufbahn steuern Sie demnach nicht an?

Wenn, dann nur mit Kindern. Ich sehe mich nicht im Erwachsenen- oder Profibereich an der Linie. Ich bin aber auch mit Holstein Kiel im Austausch. Es ist gut möglich, dass ich dort ähnlich wie Philipp Bargfrede oder Felix Wiedwald in Bremen ein Trainee-Programm absolviere. Das steht aber noch in den Sternen. Mich reizt es schon, mal die andere Seite eines Vereins kennenzulernen. Als Spieler hat man sich immer beschwert, warum es dies oder das nicht gibt. Nun kann man die Dinge mal aus der anderen Perspektive erleben.   

Und wenn alle Stricke reißen, dann machen Sie einfach einen Süßigkeiten-Laden auf…

(lacht) Dann futtere ich nur alles selbst, das rentiert sich hinterher nicht.

Das Gespräch führte Malte Bürger.

Zur Sache

Bartels Karriere:  

Vereine: Holstein Kiel (seit 2020), Werder Bremen (2014  - 2020), FC St. Pauli (2010 – 2014), Hansa Rostock (2007 – 2010), Holstein Kiel (2002 – 2007), Eidertal Jugend.

120 Bundesliga-Spiele für Werder, 22 Tore, 18 Vorlagen; 9 DFB-Pokalspiele für Werder, 2 Tore, 3 Vorlagen; 2 Relegationsspiele für Werder, 1 Vorlage.

Insgesamt 170 Bundesliga-Spiele, 28 Tore, 23 Vorlagen; 220 Zweitliga-Spiele, 48 Tore, 32 Vorlagen.

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