Was für ein verrückter Moment im Bundesligaspiel der Werder-Frauen am Sonntag gegen Essen: Als Lina Hausicke den Ball kurz vor Spielende ins Tor wuchtete, wirkte das wie der Klassenerhalt für die Bremerinnen. Die Mannschaft jubelte ausgelassen, auch auf der Tribüne wurde lautstark gefeiert. Aus gutem Grund: Denn bei einem Kölner Sieg im Parallelspiel gegen Meppen hätte dieser Heimsieg den lang ersehnten Klassenerhalt bedeutet. Und kurz bevor es die Ecke für Werder gab, führte Köln auch noch mit 1:0 – und das schon eine halbe Ewigkeit, seit der vierten Minute. Doch dann überschlugen sich die Ereignisse: Binnen 180 Sekunden fielen drei Tore, zwei für Meppen in Köln, dazu dieser Siegtreffer von Hausicke zu Werders 3:2-Erfolg gegen die SGS Essen. Und damit war klar: Werders Klassenerhalt steht zwei Spieltage vor Saisonende noch nicht fest.
Die Spielerinnen wussten das in den Schlussmomenten aber nicht. „Wir wussten nur, das Köln geführt hat“, erzählte Hausicke später, „von den Meppener Toren haben wir auf dem Feld nichts mitbekommen, weil wir uns auf unser Spiel konzentrieren wollten. Wir haben dann tatsächlich so ein bisschen zu den Zuschauern geschaut, ob die sich sehr doll freuen – es sah erst so aus, als wenn es mit dem Klassenerhalt schon geklappt hätte.“ Doch auch viele der Zuschauer wussten nichts von der entscheidenden Wende in Köln. Hausicke ertrug es mit Fassung: „Kein Problem, wir werden auch diesen letzten Schritt noch gehen.“
Zwei Spiele stehen noch aus
Zwei Spiele vor Saisonende hat Werder nun sechs Punkte Vorsprung auf die Abstiegszone und auch eine vergleichsweise günstige Tordifferenz. „Aber es ist Fußball, da kann immer was passieren“, sagte Hausicke, „wir haben uns mit der Aufholjagd in der Rückrunde so viel erarbeitet, jetzt wollen wir aus eigener Kraft auch noch den letzten Schritt über die Ziellinie gehen. Jetzt ist es halt um eine Woche verschoben, dann kämpfen wir halt eine Woche weiter.“ Am Freitag tritt Werder bei der TSG Hoffenheim (19.15 Uhr) an, danach folgt zum Saisonabschluss das Heimspiel gegen Leverkusen (Sonntag, 28. Mai, 14 Uhr).
Es wäre ein Wunder, wenn da noch etwas schief gehen würde. Und es war ja schon ein Wunder, dass die Bremerinnen am Sonntag überhaupt gegen Essen einen Sieg feiern durften. „Das war ein sehr schlechtes Spiel von uns“, gab Trainer Thomas Horsch offen zu, „vor allem in der ersten Halbzeit war es sehr leblos. Das war die schlechteste erste Halbzeit der Saison, ganz weit weg von der Ballsicherheit, die wir zuletzt hatten.“
In dieser ersten Halbzeit schoss Essen alle Tore selbst: Durch einen schlecht verteidigten Konter, den Laureta Elmazi vollendete, und durch ein Eigentor von Jacqueline Meißner. Dieses Eigentor hatte jedoch eine Vorgeschichte, die später noch wichtig werden sollte: Nina Lührßen hatte eine Ecke mit ihrem feinen linken Fuß scharf vors Tor gezirkelt und damit dieses 1:1 erzwungen.
Nach der Pause gab es wieder einen unglücklichen Bremer Moment, der eine Niederlage befürchten ließ: Erst ein Ballverlust mit Ansage im Mittelfeld, dann konnten gleich fünf Spielerinnen den Gegenangriff nicht unterbinden, bis sich Essens Ramona Maier mit einem Schuss in den Winkel bedankte – die 2:1-Führung für die Gäste.
Standardtraining zahlte sich aus
Doch dann kam Lührßen und haute eine weitere Ecke hoch und weit rein, diesmal direkt ins Tor – der Ausgleich zum 2:2. Ein Treffer mit Seltenheitswert, ähnlich wie früher von Werder-Star Mario Basler vorgeführt. „Nina ist begnadet mit ihrem linken Fuß, ihre Bälle kommen richtig gut in den Strafraum geflogen“, lobte Horsch, dessen Sohn Lucas als Co-Trainer am Donnerstag eigens noch einmal an den Standards gearbeitet hatte. Am Ende fiel auch der Siegtreffer nach einem Standard, nämlich einem Freistoß von der Seite: Erst traf Hausicke im Gewühl im Strafraum die Latte, der Ball sprang zu Stefanie Sanders, die ihn an den Pfosten schoss – ehe es Hausicke zu bunt wurde und sie den Ball im nächsten Versuch ins Netz wuchtete.
„Letztlich haben wir durch drei Standardtore das Spiel gewonnen“, fasste Horsch das Geschehen zusammen, „man muss der Mannschaft aber eher den Respekt dafür zollen, dass sie sich vorher durch eine starke Rückrunde in diese gute Position gebracht hat. Heute fühlt es sich an, als wenn wir nicht hätten gewinnen dürfen. Wenn du aber dann solche Spiele gewinnst, fühlt es sich richtig gut an, wieder drei Punkte mehr von unten weg zu sein.“
Auch wenn der Ligaverbleib offiziell noch nicht perfekt ist, sei dieser Heimsieg „ein riesiger Schritt zum Klassenerhalt“, sagte Horsch. Die drei Punkte krönten die guten Leistungen in den Wochen zuvor. „Diesmal war es eher Sommerfußball“, haderte der Trainer ein wenig mit dem erst schwachen und dann wilden Spiel, „aber wir nehmen die drei Punkte gerne mit. Mit dieser Leistung musst du ja erst einmal drei Tore schießen, das war gar nicht einfach in diesem Spiel.“
Großen Anteil an diesem Erfolg hatte auch Torfrau Anneke Borbe, die in den ersten Minuten und auch in der Nachspielzeit mit starken Paraden einen weiteren Essener Treffer verhinderte. Grund zur Freude gab es auch für zwei andere Spielerinnen: Katharina Schiechtl erhielt für 200 Pflichtspiele im Werder-Trikot (erreicht zuletzt beim 1:1 in Freiburg) einen Blumenstrauß von Abteilungsleiterin Birte Brüggemann. Und Emilie Bernhardt stand erstmals seit ihrem Kreuzbandriss wieder im Kader.