Herr Fritz, bei Ihrem Dienstantritt als Geschäftsführer haben Sie gesagt, Werder solle sich im Windschatten der europäischen Plätze bewegen. Gilt das auch für den Frauen-Fußball?
Clemens Fritz: Unser Anspruch ist es, auch den Frauenfußball stetig weiterzuentwickeln, er genießt bei uns im Verein eine hohe Priorität. Gerade in den letzten Jahren hat sich in diesem Bereich in Deutschland und auch bei uns viel getan. Diesen Weg wollen wir fortsetzen. Wir wollen den Spielerinnen ein professionelleres Umfeld ermöglichen. Dazu sind wir auch einer der Vereine, der sich in der neu gegründeten Task-Force engagieren will, um die konzeptionelle Entwicklung und Ausrichtung der Frauen-Bundesliga voranzutreiben. Auch das ist ein wichtiger Schritt.
Können Sie erklären, wofür man diese Task-Force mit Mitgliedern aus fast allen Vereinen der Frauen-Bundesliga braucht?
Es geht darum, die Liga weiterzuentwickeln. Für uns als SV Werder ist es enorm wichtig, die Marke Frauenfußball auszubauen und auch sportlich voran zu kommen. Natürlich kann es für uns in Bremen auch mal ein Ziel sein, international dabei zu sein. Das wird aber sicher noch etwas dauern, denn der Unterschied zu den Spitzenvereinen bei den Frauen ist noch groß. Ob Bayern München, der VfL Wolfsburg oder Eintracht Frankfurt – die haben andere wirtschaftliche Mittel. Trotzdem hat unsere Mannschaft mit dem siebten Platz und 28 Punkten zuletzt die beste Saison gespielt, seit wir in der Frauen-Bundesliga dabei sind. Man sieht bei uns eine kontinuierliche Entwicklung.
Die Task-Force könnte ein Schritt sein zu einer eigenständigen Frauen-Bundesliga außerhalb des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), ähnlich wie bei den Männern. Wie wichtig wäre es für das weitere Wachstum, sich selbst zu vermarkten?
Es geht gar nicht darum, etwas ohne den DFB zu machen. Das läuft alles in enger Abstimmung. Denn wir haben das gleiche Interesse: Wir wollen die Frauen-Bundesliga stärken. Wenn man zum Beispiel mal in die USA schaut, was die für TV-Pakete abschließen und welche Sponsoring-Einnahmen man dort erzielt, das ist ein viel höheres Niveau als bei uns. Auch in England geht es deutlich in diese Richtung. Deshalb ist es für uns in Deutschland wichtig, dass unsere Liga gestärkt wird, um im Frauenfußball dauerhaft mithalten zu können. Daran soll in der Task-Force intensiv gearbeitet werden.
Bremen erlebt nun das dritte so genannte Highlight-Spiel der Werder-Frauen im Weserstadion. Rechnen Sie gegen Leverkusen wieder mit einem neuen Zuschauerrekord?
Das ist unser Ziel. Es ist unser Anspruch, in diesem Spiel eine große Kulisse im Weserstadion zu haben und den Frauenfußball in unserer Stadt und in der Region weiter ins Gespräch zu bringen. Gegen den 1. FC Köln kamen vergangenen Saison knapp 22.000 Zuschauer, da wollen wir einen draufsetzen. Man merkt, dass der Zuspruch für den Frauenfußball immer größer wird. Das Spiel im Weserstadion soll helfen, noch mehr Menschen dafür zu begeistern.

Die Unterstützung für den Frauen-Fußball nimmt auch in Bremen spürbar zu.
Durch viele Transfers hat sich das Gesicht der Bremer Mannschaft in den vergangenen Jahren verändert – und damit auch die Art, wie gespielt wird, nämlich offensiver und attraktiver. Wie erleben Sie das als Ex-Nationalspieler?
Ich finde, das ist eine sehr positive Entwicklung – sportlich, und auch vom ganzen Umfeld her. Unsere Leiterin Birte Brüggemann, unser Trainer Thomas Horsch und das gesamte Team machen einen hervorragenden Job. Auch sie sind ein wichtiger Motor der ständigen Weiterentwicklung des Frauenfußballs bei Werder. Nach vielen Jahren, die eher vom Abstiegskampf geprägt waren, erleben wir eine positive Entwicklung des Teams, was auch durch eine sehr gute Kaderplanung möglich wurde.
Im Laufe dieser Saison werden die Umbaumaßnahmen am Stadion „Platz 11“ beginnen, um dort bessere Bedingungen zu bieten. Kommt das mit Blick auf die rasante Entwicklung anderer Frauenfußball-Standorte in Deutschland gerade noch rechtzeitig – oder ein paar Jahre zu spät?
Es gab ja viele Gründe, warum es nicht eher ging. Es waren schwierige Jahre mit vielen Debatten zwischen allen Beteiligten. Natürlich wissen wir, dass es absolut notwendig ist, dort umzubauen, um moderne Strukturen zu schaffen. Mit Platz 11 geht das los. Aber auch anschließend, wenn wir auf Platz 12 modernisieren, müssen wir auch dort den Frauenfußball bestmöglich mitdenken. Wir spielen mit den Frauen in der Bundesliga – also sollte die Infrastruktur entsprechend sein.
Die Frauen-Bundesliga wird kommende Saison von 12 auf 14 Mannschaften aufgestockt. Hätten Sie gerne eine noch größere Liga?
Es ist gut, das Schritt für Schritt anzugehen und keine Hauruck-Aktionen zu machen. Kontinuierliches Wachstum ist wichtig. Es ist ja nicht ausgeschlossen, dass die Liga in Zukunft weiter aufgestockt wird. Die 14er-Liga ist ein guter erster Schritt, denn die Liga muss wirtschaftlich erst einmal mitwachsen. Danach kann über eine weitere Aufstockung nachgedacht werden.
Mehr große Vereine setzen jetzt auf Frauenfußball und wollen in die Bundesliga: Borussia Dortmund, Schalke, der HSV und der VfB Stuttgart zum Beispiel. Welche Rolle soll Werder in Zukunft spielen?
Wir wollen den SV Werder in der Frauen-Bundesliga etablieren. Unser Anspruch ist es, auch in Zukunft erstklassigen Frauenfußball zu spielen – unabhängig davon, wer alles in die Bundesliga drängt und wie viel Geld die Konkurrenten dafür ausgeben.
Im europäischen Ausland tut sich ebenfalls viel, in Frankreich, Spanien und England entwickelt sich der Frauenfußball rasant. Ist das Fluch und Segen zugleich, weil der Sport zwar mehr Aufmerksamkeit bekommt, dort aber oft höhere Gehälter und Ablösesummen gezahlt werden?
Wir haben schon im Männerfußball eine große Lücke, wenn wir zum Beispiel die Summen in der Bundesliga mit denen in England vergleichen. Deshalb ist es wichtig, den Anspruch zu haben, dass uns die USA oder England im Frauenfußball nicht davonlaufen. Dafür ist es wichtig, weitere Schritte der Professionalisierung auf allen Ebenen im Frauenfußball zu gehen. Die Gründung einer gemeinsamen Gesellschaft ist dafür ein wichtiger erster Schritt.
Mit dem Frauenfußball spricht Werder beim Publikum eine andere Zielgruppe an als bei den Männern: viele Familien, viele Frauen. Ist das eine Chance für andere Vermarktungserlöse?
Ich glaube, dass wir diese Zielgruppen auch mit dem Männerfußball ansprechen. Aber es stimmt schon: Wenn ich mich bei unseren Heimspielen in der Frauen-Bundesliga umschaue, hat das einen sehr familiären Charakter. Es kommen sehr viele junge Familien zu den Spielen. Insgesamt können wir dadurch als Verein eine größere Zielgruppe ansprechen, aber das steht nicht im Mittelpunkt. Es geht uns um den Sport, um den Fußball. Den wollen wir bei Werder dauerhaft erstklassig positionieren, auch bei den Frauen. Deshalb müssen wir künftig das bestmögliche Umfeld bieten.
Durch das Heimspiel im Weserstadion wird nun das größtmögliche Umfeld geboten. Reicht ein solches Highlight-Spiel pro Saison, um den Frauenfußball weiter nach vorne zu bringen – oder wünschen Sie sich so etwas öfter? Zum Beispiel ein Spiel in der Hinrunde und eins in der Rückrunde?
Auch das spielt in unseren Überlegungen eine Rolle. Wir diskutieren darüber, ob es auch mal zwei, drei oder auch vier solche Spiele in einer Saison im Weserstadion geben kann. Es ist aber noch keine Entscheidung gefallen. In dieser Saison wird das noch nicht kommen, aber für die Zukunft ist es denkbar. Wenn unser Heimspiel nun gegen Leverkusen von den Zuschauern wieder so gut angenommen wird, wäre das ein weiteres Zeichen dafür, dass sich jedes Nachdenken in diese Richtung lohnt. Der Frauenfußball wird weiter wachsen, das ist klar. Die Frage ist nur noch, wie schnell das passiert.