Die Ungeduld bei den Fans des SV Werder Bremen ist zum Greifen: Sie warten sehnsüchtig auf Neuzugänge, denn die Verpflichtungen von Dawid Kownacki und Naby Keita liegen schon Wochen zurück. „Noch haben wir ja fast vier Wochen Zeit“, hält Sportchef Frank Baumann beim „Deichtalk“ in der Union-Brauerei dagegen. Das Transferfenster ist noch bis zum 1. September geöffnet. „Ich bin mir ziemlich sicher, dass in beide Richtungen noch etwas passieren wird“, sagt Baumann. Ein gewisser Nadiem Amiri von Bayer Leverkusen wird dabei keine Rolle mehr spielen. Werder sucht nicht nach weiteren Achtern, sondern hat andere Positionen im Blick. Wo und wie der Bundesligist da vorgeht, dazu gibt Baumann bei der beliebten Veranstaltung unserer Deichstube einen interessanten Einblick.
„Wir haben aus meiner Sicht schon mehr als zwei Neuzugänge. Man vergisst dabei häufig die Spieler aus dem eigenen Nachwuchs oder die, die von einer Leihe zurückkommen“, betont Baumann und nennt die Rückkehrer Nick Woltemade und Justin Njinmah sowie Nachwuchsmann Leon Opitz. „Sie werden eine Rolle in unserem Kader spielen“, prophezeit der Ex-Profi, bittet aber gerade beim erst 18-jährigen Opitz darum, die Erwartungen nicht zu hoch zu schrauben. Dieser realistische Blick ist dem 47-Jährigen wichtig. Daher hebt er auch noch hervor, „dass wir Stand jetzt keinen Stammspieler verloren haben. Die Jungs haben das letzte Saison schon sehr gut gemacht, deswegen haben wir eine sehr gute Basis.“ Wobei die Rückrunde wahrlich nicht mehr „sehr gut“ war, sondern „mangelhaft“, was Platz 17 in diesem Ranking belegt.
Das wissen natürlich auch die Werder-Verantwortlichen und schrauben deshalb am Kader. Aber das ist nicht so einfach. „Wir müssen neben der sportlichen Sicht auch die wirtschaftliche Seite berücksichtigen“, sagt Baumann und spricht von einem Spagat. Der wird auf unterschiedliche Weise vollzogen. Am spektakulärsten bei der Personalie Naby Keita. Der galt für einen Klub wie Werder unerreichbar, weil er beim FC Liverpool spielte und lange Zeit ein Topstar war. Doch in den vergangenen Jahren lief es nicht mehr für ihn, Verletzungen machten ihm zu schaffen. Werder nutzte die Gunst der ablösefreien Stunde. „Da bei Naby das finanzielle Risiko sehr überschaubar ist, war es gar keine Frage, das zu machen“, berichtet Baumann.
In der Vergangenheit hat er schon häufiger auf Spieler mit einer dicken Krankenakte gesetzt – wie zum Beispiel bei Niclas Füllkrug oder Ömer Toprak. Bei ihnen lief danach längst nicht alles glatt. Warum wagt der Sportchef also immer wieder diese Transfers? „Man muss hier und da auch mal ein gewisses Risiko eingehen, um Spieler zu bekommen, die etwas Besonderes sind. Ich glaube, dass die Werder-Fans diese besonderen Spieler auch noch mal besonders verehren und wertschätzen. Dafür gibt es in der Vergangenheit viele gute Beispiele. Das ist für einen Verein, der sich nicht auf mehreren Positionen top verstärken kann, schon wichtig“, erklärt Baumann und gesteht: „Für uns ist es nach wie vor finanziell nicht möglich, einen Stammspieler von einem anderen Bundesligisten zu verpflichten, der noch einen Vertrag hat. Bei denen wüsste ich, was sie in der Bundesliga geleistet haben.“ Und das sei immer noch die größte Garantie darauf, dass ein Spieler schnell einschlägt.
Werder geht deshalb Umwege. Amos Pieper und Niklas Stark wurden in der vergangenen Saison ablösefrei verpflichtet, Dawid Kownacki nun aus der zweiten Liga geholt. Der Stürmer hat aber auch schon in der Bundesliga und in der polnischen Nationalmannschaft gespielt. „Die Basis ist für uns immer der deutsche Markt, den kennen wir. Es gibt nach wie vor genug gute deutsche Spieler – auch Nachwuchsspieler. Auch wenn wir da gerade ein paar Nachteile gegenüber anderen Ländern haben“, sagt Baumann. Genauso intensiv würde auch in Nachbarländer wie Dänemark, Frankreich, Polen und Tschechien geschaut. Und Josh Sargent sei ein gutes Beispiel, dass Werder auch mal auf sehr junge, sehr besondere Talente setze. Der US-Amerikaner wurde zu so einem Mehrwertspieler, von dem Klubs wie Werder träumen. Für wenig Geld kommen, für viel Geld gehen – das ist ein gutes Geschäftsmodell im Fußball. Klappt aber nicht so oft.
Werder bleibt da auf der Suche – und zwar in allen Kategorien, aber nicht für alle Positionen. Als Baumann auf Amiri angesprochen wird, verweist er auf die Journalisten in der Runde. Sie hätten doch gesagt, Werder müsse sich noch auf den Außenbahnen und im defensiven Mittelfeld verstärken. Der eher offensive Amiri, so Baumann, würde da doch gar nicht passen. Es ist seine ganz eigene Art, Gerüchten ein jähes Ende zu bereiten. Die Fans müssen sich also weiter gedulden, bis der nächste Neuzugang bekannt wird.