Eigentlich drücken sich Verantwortliche gerne vor einer Antwort auf diese Frage, weil sie keinen Spieler besonders hervorheben und schon gar nicht unter Druck setzen wollen. Doch als Werder-Sportchef Frank Baumann auf der Bühne beim Tag der Fans gefragt wird, welcher Profi die Überraschung der Saison werden könnte, da legt er sich schnell fest: Lee Buchanan. Der Linksverteidiger, den Werder ziemlich clever ablösefrei aus England geholt hat, macht allerdings auch schon richtig Spaß. Gerade im letzten Härtetest gegen den FC Groningen (6:1) gehörte der erst 21-Jährige zu den auffälligsten Bremern - und das nicht nur wegen seines Tores. Beim Pflichtspielstart am Montag im DFB-Pokal gegen den Regionalligisten Energie Cottbus winkt ihm ein Platz in der Startelf. Dabei profitiert Buchanan allerdings auch davon, dass Stammkraft Anthony Jung mit muskulären Problemen zu kämpfen hatte und die Partie in der Lausitz für ihn noch zu früh kommen dürfte.
„Lee hat wirklich ein gutes Spiel gemacht. Das war schön anzusehen“, freut sich Clemens Fritz als Werders Leiter Profi-Fußball: „Seine Flankenbälle waren gut. Er hatte auch eine gute Aggressivität im Zweikampf.“ Buchanan war sehr präsent, versteckte sich überhaupt nicht, bot sich ständig an. Auch nach vorne agierte er mutig. Und als Romano Schmid kurz vor der Pause über Außen durchgebrochen war und in die Mitte passte, war der englische U21-Nationalspieler zur Stelle und vollstreckte zum 3:1.
Tore sind bislang eine Ausnahme in seiner Karriere gewesen. In den 70 Spielen in der Championship, also der zweiten englischen Liga, hat er nie für Derby County getroffen – und auch nur vier Tore vorbereitet. Dazu passt ganz gut die Einschätzung von Ole Werner. „Ich glaube, er kann seine Entscheidungsfindung im letzten Drittel noch verbessern: Wann flanke ich? Wann spiele ich zurück.“ Wenn sich Buchanan gegen Groningen für eine Flanke entschieden hätte, „dann waren das heute sehr, sehr gute Bälle“, lobt der Werder-Coach: „Lee macht einen guten Eindruck. Es ist schon das, was wir von ihm in den vergangenen Spielzeiten gesehen haben, warum wir uns um ihn bemüht haben.“
Werder-Neuzugang Buchanan: Einigung bereits im Mai
Schon im Mai hatte sich Werder mit dem Spieler auf einen Wechsel verständigt. Buchanan saß quasi auf gepackten Koffern, doch der geplante Besitzerwechsel bei seinem Club zog sich hin. Und nur der ermöglichte Buchanan innerhalb weniger Tage ein Sonderkündigungsrecht und damit einen ablösefreien Wechsel in die Bundesliga. Da hatte Werder gute Vorarbeit geleistet, musste sich dann aber gedulden. Erst sprang bei Derby County ein Investor aus den USA ab, dann gab es auch Probleme mit anderen Interessenten. Erst Anfang Juli herrschte dort Klarheit – und Werder konnte Buchanan verpflichten. Ein Coup! Auch viele englische Clubs hatten sich um das große Talent bemüht, doch der Außenverteidiger wollte unbedingt nach Deutschland in die Bundesliga.
Seine Integration dort scheint dabei schneller zu verlaufen als erwartet. „Man hat schon gesehen, was seine Stärken sind und wie er ins Spiel eingebunden wird. Er ist jemand, der für sein junges Alter schon sehr abgeklärt und ruhig ist“, findet Werner. Er will die Erwartungshaltung aber auch nicht zu groß werden lassen und fügt deshalb schnell noch an: „Lee hat noch eine ganze Menge zu lernen. Daran arbeiten wir mit ihm.“ Damit Baumann Recht behält und Buchanan wirklich die Überraschung der Saison wird.