Datenanalyse Wo Werder Bremen die meisten Probleme hat

Hinter Werder liegt eine bewegte Hinrunde. Im Auftrag unserer Deichstube haben sich die Experten von Createfootball die Werder-Auftritte vor der Winterpause ganz genau angeschaut. Das ist ihr Fazit.
09.01.2024, 19:08 Uhr
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Wo Werder Bremen die meisten Probleme hat
Von Malte Bürger

Eine Partie steht noch aus, dann ist die Hinrunde für den SV Werder Bremen auch schon wieder vorbei. Doch bereits vor der Auswärtspartie beim VfL Bochum (Sonntag, 15.30 Uhr) lohnt ein intensiver Blick auf die bisherigen Leistungen der Mannschaft von Trainer Ole Werner. Im Auftrag unserer Deichstube haben sich die Experten von Createfootball, die weltweit Klubs, Agenturen und Medien in den Themenfeldern Datenscouting und Analyse beraten, die Werder-Auftritte vor der Winterpause ganz genau angeschaut. Das ist ihr Fazit.

Hinter Werder liegt eine bewegte Hinrunde im zweiten Jahr nach dem Wiederaufstieg. Der Leistungsabfall aus der vergangenen Rückrunde, in der nur 15 Punkte aus 17 Spielen geholt und am Ende wurden, setzte sich zu Saisonbeginn fort. In den ersten acht Partien hagelte es sechs Niederlagen und eine wahre Flut an Gegentoren, darunter die beiden 2:4-Pleiten gegen die Aufsteiger aus Darmstadt und Heidenheim. Ende Oktober gelang es Ole Werner dann, die Mannschaft zu stabilisieren und es folgten nur zwei weitere Niederlagen in den sechs Begegnungen vor Weihnachten (gegen die Topteams aus Leverkusen und Stuttgart). So liegt Werder aktuell zwar auf dem 13. Tabellenplatz und sechs Zähler vor dem Relegationsrang, nach dem Expected Points-Modell würden sich die Bremer allerdings auf eben jenem 16. Platz befinden.

Wo liegen die Probleme?

1. Auswärtsschwäche

In der Fremde ist Werder als einziges Team der laufenden Saison noch sieglos, holte in sieben Partien lediglich zwei Punkte (jeweils durch ein 2:2 in Wolfsburg und Mönchengladbach). Somit belegt Werder den letzten Platz in der Auswärtstabelle. Die schwache Bilanz der vergangenen Rückrunde setzt sich somit fort, seit dem 6. Februar 2023 gewann Werder nur eines von 15 Gastspielen (am 22. März 2023 durch ein 4:2 bei Hertha BSC)

Diese Auswärtsschwäche bedingt sich durch eine deutlich schwächere Performance in beiden Strafräumen. Auswärts benötigt Werder deutlich mehr Torchancen pro Treffer (Heim: 5,8 Schüsse pro Tor; auswärts: 9,7) – trotz statistisch leicht besserer Schusspositionen in der Fremde (Heim: 0,128 xG [Expected Goals] pro Schuss; auswärts: 0,134 xG pro Schuss). Hinzu kommt, dass Werder auswärts mehr gegnerische Abschlüsse zulässt (im Schnitt 17 pro 90 Minuten) und diese deutlich häufiger aus zentralen Positionen im Strafraum kommen (Auswärts: 0,16 xG pro Schuss; Heim: 0,11 xG pro Schuss)

2. Offensive Ausrechenbarkeit

Im Spiel nach vorne besitzt Werder zu wenig Variation, kein Team der Liga kreiert weniger Torgefahr über die linke Angriffsseite (0,2 xG über links pro 90 Minuten), dadurch fokussiert sich im flankenlastigen Spiel alles auf Mitchell Weiser, was Werders Angriffe wahnsinnig ausrechenbar macht. Aus dem Mittelfeld heraus entsteht kaum Torgefahr, die Bremer weisen die fünftwenigsten Pässe ins letzte Drittel auf (48 pro 90 Minuten – der Trend zeigt weiter abwärts), wodurch Werder kaum Eintritte in den Strafraum verzeichnet (elf pro 90 Minuten) und die zweitwenigsten Schüsse aller Bundesligisten abgibt (neun pro 90 Minuten)

Werder pflegt einen extrem vertikalen Spielstil, schlägt die viertmeisten langen Bälle der Liga, allerdings kommen nur 58 Prozent davon an. Ein Plan ist im Aufbauspiel zu selten zu erkennen. Dementsprechend häufig stehen die Innenverteidiger unter Druck und der lange Ball bleibt die einzige Option.

Trotz der drittmeisten progressiven Pässe ist Raumgewinn im Passspiel faktisch nicht vorhanden, da Werders Präzision im progressiven Passspiel die viertniedrigste der Liga ist (69 Prozent) und lange Bälle häufig in einem Ballverlust enden.

3. Eklatante Standardschwäche

Sowohl offensiv als auch defensiv gehört Werder bei ruhenden Bällen zu den schwächsten Teams der Liga. Kein Team kreiert weniger Torgefahr nach eigenen Standards als Werder (0.12 xG pro 90 Minuten), obwohl die Flankengenauigkeit aus dem Spiel heraus den Ligabestwert von 44 Prozent aufweist.

Bei gegnerischen Standards fabriziert Werder den fünfthöchsten Expected-Goals-Against-Wert auf (0,4 pro 90 Minuten), hätte somit weitaus mehr als nur vier Standardgegentore kassieren müssen

4. Füllkrug unzureichend ersetzt

Der Abgang von Toptorjäger Niclas Füllkrug wurde kaum kompensiert. Zwar holte Werder Rafael Borré aus Frankfurt, der Kolumbianer erfüllt jedoch nicht das Profil des kopfballstarken Strafraumstürmers, dementsprechend limitiert war sein Einfluss aufs Bremer Spiel. Dawid Kownacki, der das Füllkrug-Profil deutlich eher erfüllt, fehlt es an Selbstvertrauen im Abschluss, er kam bislang kaum zum Zug.

Füllkrugs Fehlen macht sich besonders in der offensiven Durchsetzungsfähigkeit bemerkbar, die Quote gewonnener Offensivzweikämpfe sank von 38 auf 34 Prozent. Dazu hat Werders Schussgenauigkeit im Strafraum abgenommen (39 statt 44 Prozent), und es werden deutlich weniger Bälle im Strafraum kontrolliert verarbeitet. Der Trend zeigt seit der Rückrunde 2022/23 nach unten.

5. Kontrollverluste in der zweiten Halbzeit

Werder kommt zu häufig schwach aus der Kabine zurück, kassierte zwischen der 45. und 75. Minute bereits 13 Gegentore, davon allein neun zwischen der 61. und 75. Minute. In dieser Phase ist Werder häufig schlecht sortiert, die gegnerische Chancenqualität ist mit 0,17 xG pro Schuss exorbitant hoch. Häufig gelangt Werder in der zweiten Halbzeit gegnerunabhängig in einen wilden Schlagabtausch, liegt zwischen der 61. und 75. Minute bei einem Torverhältnis von 8:9., in allen anderen Phasen im Schnitt bei 3:4 Toren.

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Was läuft gut?

1. Chancenkreation durch Flanken

Trotz des Abgangs von Niclas Füllkrug kommt Werder auf die zweitmeisten Kopfballtore der Liga (8). Zwar gelangt Werder nur selten mit dem Ball ins letzte Drittel, aber wenn, dann in richtig gute Positionen. Aus dem Spiel heraus bringen die Bremer Flanken mit einer Präzision von 44 Prozent an den Mann. Das ist Ligabestwert! Häufig kommen diese Hereingaben aus Positionen nahe der Grundlinie oder innerhalb der Assist-Zone im Strafraum, wodurch Werder über die Außen in überdurchschnittlich gute Abschlusspositionen in der Box gelangt.

Nur Leverkusen und Bayern verbuchten in dieser Spielzeit bislang mehr Torschussvorlagen aus den seitlichen Strafraumzonen als Werder (26). Von allen Teams außerhalb der Top-Fünf spielt Werder die meisten Schlüsselpässe (3,7 pro 90 Minuten), besonders Mitchell Weiser (0,6 pro 90 Minuten) und Justin Njinmah (1,1 pro 90 Minuten) stechen heraus.

Mitchell Weiser ist unheimlich wichtig für das Bremer Offensivspiel, der Ex-Leverkusener bringt 50 Prozent seiner Flanken an den Mann und kreiert im Schnitt 2,2 Torchancen pro 90 Minuten. Werders Expected-Goals-Netto ist diese Saison um 6,23 Tore positiver, wenn Weiser auf dem Feld steht, als wenn er es nicht tut. In der Bundesliga weist nur Ermedin Demirovic vom FC Augsburg einen höheren Anteil am Erfolg seines Teams auf.

2. Effektives Mittelfeldpressing

Werder lässt den Gegner ganze drei Pässe mehr pro Ballbesitzphase spielen, geht deutlich tiefer und dafür geschlossener als in der Vorsaison ins Pressing, was sich positiv in der Pressingeffizienz niederschlägt (plus sieben Prozentpunkte), die in der Rückrunde 2022/23 die zweitschwächste der gesamten Liga war.

Treffen Teams in dieser Saison auf Werder, so sinkt deren Passquote im Schnitt um drei Prozentpunkte, ligaweit erzielen nur zwei Teams (VfL Bochum und RB Leipzig) einen höheren Wert. In der Vorsaison lag der Score nur bei durchschnittlichen 0,9 Prozent. Das tiefere Pressing hat somit einen klar positiven Effekt auf die Effizienz im Unterbinden gegnerischer Angriffe.

3. Konterstärke

Werder ist nach wie vor eine sehr konterstarke Mannschaft, die Bremer weisen den vierthöchsten xG-Wert nach Kontern auf (0,23 pro 90 Minuten), schalten nach Ballgewinn direkt vertikal um und suchen schnörkellos den Weg nach vorne. Kein Team der Liga kommt auf mehr Vertikalläufe mit direkter Torfolge, dazu bietet Werder in Ballbesitz mehr Tiefenläufe als jedes Team außerhalb der Top-Fünf der Tabelle an.

Im Vergleich zur vergangenen Rückrunde ist die Zahl der Bremer Konterangriffe deutlich gestiegen, während die Summe der Positionsangriffe auf den niedrigsten Wert der Liga sank. Auch das ist eine Folge der tieferen Pressinglinie. Dieser Spielstil kommt den technisch starken Offensivspielern entgegen. Justin Njinmah, Nick Woltemade und Romano Schmid weisen im Passspiel allesamt eine hohe Torgefahr auf und kommen auf einen im Ligavergleich sehr hohen xG-Chain-Wert. Besonders Schmid ist enorm spielstark, strahlt ligaweit die vierthöchste Torgefahr durch progressive Läufe und Pässe aus.

Was muss Ole Werner verbessern?

Defensive: Werder muss gegnerische Standards besser verteidigen, denn 0,4 erwartete Gegentore durch Standards pro 90 Minuten sind deutlich zu viel. Dabei verfügen die Bremer besonders in der Defensive mit Marco Friedl, Niklas Stark und dem derzeit verletzten Amos Pieper über kopfballstarke Spieler. An der Zuteilung und Raumverteidigung muss bei gegnerischen Standards dringend gearbeitet werden.

Offensive: Werder weist offensiv starke Werte vor, allerdings ausschließlich über die rechte Seite. Im Spiel nach vorne ist die Mannschaft zu berechenbar und muss die linke Seite um Olivier Deman oder Felix Agu dringend häufiger in Angriffe einbeziehen. Dafür muss sich vor allem Deman aber in der Qualität seiner Flanken dringend steigern. Bisher finden lediglich 29 Prozent seiner Hereingaben ihr Ziel. Zur Erinnerung: Bei Mitchell Weiser sind es 50 Prozent.

Übergangsspiel: Die Tiefenläufe, die Werders Offensivspieler anbieten, müssen deutlich regelmäßiger und vor allem präziser bedient werden, damit sich die progressive Passgenauigkeit erhöht und häufiger der Weg ins letzte Drittel gefunden wird. Torgefahr durch Tiefenläufe ist ein elementarer Bestandteil des Bremer Stils, die Genauigkeit im Spiel nach vorne muss allerdings unbedingt gesteigert werden, damit die kommende Rückrunde sorgenfreier verläuft als die vergangene.

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