Selbst anwesend war er freilich nicht, schließlich weilt Niclas Füllkrug längst in Katar, wo er in wenigen Tagen mit der deutschen Nationalmannschaft in die Fußball-Weltmeisterschaft startet. Und dennoch: Während des 2. Deichtalks stand der 29-Jährige am Donnerstagabend über weite Strecken des Abends im Mittelpunkt. In der Union Brauerei in Bremen-Walle diskutierten Werder-Geschäftsführer Klaus Filbry, Ex-Profi Tim Borowski, Füllkrugs Berater Gunther Neuhaus sowie Journalist Ralf Wiegand mit Moderator und Deichstube-Chefredakteur Björn Knips über die außergewöhnliche Karriere des Bremer Angreifers, die nun ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht hat. Dabei ist es gerade mal ein Jahr her, dass es beinahe zur Trennung zwischen Füllkrug und Werder gekommen wäre.
Füllkrug sah Einsatzchancen schwinden
„Es war schon eine kritische Situation im vergangenen Herbst“, sagte Neuhaus, dessen Schützling nach einer verbalen Entgleisung gegenüber Werders Leiter Profifußball Clemens Fritz im Oktober 2021 für drei Tage vom Trainingsbetrieb suspendiert worden war – und weg wollte aus Bremen. Mit dem damaligen Trainer Markus Anfang hatte Füllkrug große Probleme, zudem war er sportlich nur schleppend in die Zweitliga-Saison gekommen. „Die Situation war von Beginn an schwierig, weil Markus Anfang im Sommer gerne einen zweiten Stürmer haben wollte und wir deshalb Marvin Ducksch verpflichtet haben“, berichtete Filbry. Füllkrug sah seine Chancen auf Einsatzzeiten dadurch gefährdet, zumal Ducksch als Vertrauter Anfangs gilt. Nach dem Eklat mit Fritz in Folge der herben 0:3-Niederlage in Darmstadt stand ein Abschied des Stürmers mehr als nur im Raum.
„Es war schon relativ knapp, dass da etwas verrutscht wäre, weil Dinge nicht mehr einzufangen waren“, sagte Neuhaus und sprach von „vielen guten Gesprächen im Hintergrund mit den Verantwortlichen von Werder“. Deren Ergebnis: Füllkrug blieb, bekam von Anfang eine neue Chance und begann, Tore zu schießen. Viele Tore. Unter dem neuen Trainer Ole Werner blühte er dann so richtig auf, schoss Werder zurück in die Bundesliga und sich selbst ein paar Monate später zur WM.
„Das, was er mal in seine Karriere eingezahlt hat, bekommt er nun zurück“, sagte Ralf Wiegand, der bei der Süddeutschen Zeitung inzwischen das Investigativ-Ressort leitet, aber gleichzeitig weiter über Werder berichtet. Vier gravierende Knieverletzungen hat Füllkrug während seiner Laufbahn bereits erlitten, hat sich danach aber immer wieder zurückgekämpft. „Er ist meiner Ansicht nach die Identifikationsfigur im Verein, um die sich Vieles hoffentlich auch in der näheren Zukunft weiterhin drehen wird“, betonte Wiegand. Und das hofft natürlich auch Werder-Boss Klaus Filbry, dessen Verein durch Füllkrugs WM-Nominierung gerade viel Aufmerksamkeit erfährt. Spätestens seit seinem Siegtreffer im Testspiel gegen den Oman ist der Bremer Angreifer in aller Munde. Und er wird auch eine gewichtige Rolle während der WM spielen.
„Er soll jede Sekunde genießen und durch das Turnier fliegen“, sagte Borowski, der 2006 selbst als Werder-Profi an einer WM teilgenommen hat. Sein Tipp: „,Fülle' kommt in Katar am Ende auf vier Einsätze und zwei Tore.“ Eine Prognose, die von den anderen Experten sogar noch gesteigert wurde. Wiegand hält fünf Einsätze und zwei Tore für möglich, Berater Neuhaus sechs und vier. Und Klaus Filbry kündigte mit einem Augenzwinkern gar sechs Füllkrug-WM-Spiele mit fünf Toren an. Es wäre ohne Frage das nächste unglaubliche Kapitel in einer wunderbaren Geschichte.