In den nächsten Wochen geht es für den SV Werder nicht nur um den Verbleib in der Bundesliga, sondern auch ums wirtschaftliche Überleben. Schon vor der Corona-Krise gehörten die Bremer zu den ärmsten Bundesligaklubs, durch Einnahmeverluste von 35 Millionen Euro in der Pandemie hat sich die Lage verschärft. Seit Monaten arbeitet der Verein an Lösungen, um nicht nur die Pandemie zu überstehen, sondern auch danach als hoch verschuldeter Verein eine Perspektive zu haben.
Zu diesen Lösungen zählt eine Mittelstandsanleihe, die ein Volumen von 20 bis 30 Millionen Euro erreichen soll. Vom 17. Mai an kann diese Anleihe auch von Privatanlegern gezeichnet werden. Zwar ist Werder zuletzt transparenter mit seinen Sorgen umgegangen als viele andere Bundesligisten, für den zur Anleihe gehörenden Wertpapierprospekt war der Klub aber verpflichtet, auch die schlimmsten Szenarien zu skizzieren und weitere Risiken zu benennen. Auf mehr als 200 Seiten liest sich die Lage des Bundesligavereins alarmierend, wobei eine differenzierte Betrachtung wichtig ist.
Aufgeführt ist ein erhöhtes Insolvenzrisiko, „weil die Gesellschaft im Zwischen-Konzernabschluss zum 31.12.2020 einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag von rund 30,6 Millionen Euro ausweist“. Ein weiteres Minus in knapp zweistelliger Millionenhöhe kam seither dazu, das zuvor aufgebaute Eigenkapital ist aufgezehrt. Gerade erst erhielt Werder einen 20-Millionenkredit von drei Banken, abgesichert durch eine Landesbürgschaft, um die Liquidität zu sichern.
Bei einer erfolgreichen Platzierung der Anleihe würden Werders Verbindlichkeiten 74,977 Millionen Euro betragen. Darin enthalten: Der Bankenkredit, die Anleihe sowie 26 Millionen Euro, die man anderen Vereinen an Ablösesummen schuldet, für Ömer Toprak, Niclas Füllkrug, Leo Bittencourt und – im Falle des Klassenerhalts – Davie Selke. Bei allen wurde Ratenzahlung vereinbart, um die Belastung in die Zukunft zu verschieben. Auch die Millionenkredite für den Stadionumbau müssen weiter bedient werden. Zudem erhielt Werder die Lizenz für die nächste Saison nur unter Auflagen: Bis September muss der Verein eine Liquiditätslücke von mehreren Millionen Euro schließen, sonst würden in der Tabelle sofort sechs Punkte abgezogen – egal, in welcher Liga.
Bei Werder ist man vorbereitet: „Wenn man die schlimmsten Risiken offen benennen muss, heißt das ja nicht, dass sie auch eintreten“, sagte Geschäftsführer Klaus Filbry am Donnerstag dem WESER-KURIER, „wir haben keine Untergangsstimmung bei Werder, sondern arbeiten intensiv an Lösungen.“
Dazu zählen neben der Anleihe Gespräche mit Banken über Kontokorrentkredite, vergleichbar mit einem Dispo-Kredit. Diese stehen laut Werder vor einem positiven Abschluss. Gleichzeitig hat sich Werder entschieden, den Dauerkartenverkauf zu starten. Den Dauerkarteninhabern steht noch eine Erstattung wegen der Geisterspiele zu. Würden sie stattdessen eine neue Dauerkarte wählen, würde das Werder zwar keine Einnahmen bescheren, aber Rückzahlungen ersparen.
Jeder dieser Lösungsansätze für sich würde die Liquiditätslücke schließen und den Punktabzug verhindern. Gelingen alle Lösungen, hätte Werder noch vor Beginn der neuen Saison wieder Luft und könnte in junge Spieler investieren, um dadurch Werte zu erzielen. Außerdem gibt es konkrete Anfragen von Vereinen, die Bremer Spieler kaufen wollen. „Der Markt springt an“, sagt Filbry, „es wird aber keinen Ausverkauf geben“. Um die Liquidität bis Sommer 2022 zu sichern, muss Werder in den nächsten beiden Transferperioden zehn bis 20 Millionen Euro durch Spielerverkäufe erwirtschaften.
Bei einem Abstieg erwartet Werder Einnahmeverluste in Höhe von 40 Millionen Euro durch geringere TV- und Sponsoringzahlungen. Sie würden aber durch niedrigere Kaderkosten abgefedert, weil sich die Gehälter der Spieler um bis zu 60 Prozent reduzieren würden.
Der wichtigste Punkt, um das Überleben des Vereins zu sichern und in Zukunft die Schulden begleichen zu können, wäre eine Rückkehr der Fans ins Stadion, damit keine weiteren Verluste auflaufen. Jedes Geisterspiel kostet die Bremer eine Millionen Euro. Ab September, so hofft man bei Werder mit Blick auf das Impftempo, könne man vielleicht wieder in einem vollen Weserstadion spielen. Filbry ist zuversichtlich, den Kampf um Werders Überleben zu gewinnen: „Wir haben vernünftige Lösungsansätze und werden die Situation überstehen.“