Derzeit gibt es exakt drei Spieler bei Werder, die aus sportlichen und aus atmosphärischen Gründen besser in der Startelf stehen sollten, statt bei Spielbeginn nur auf der Bank zu sitzen. Die Namen: Marvin Ducksch, Rafael Borré und Leonardo Bittencourt. Von ihrem Selbstverständnis her betrachten sich alle drei als Stammspieler dieser Mannschaft. Alle drei hat Trainer Ole Werner aber auch schon mal draußen gelassen, und das ging nicht gut aus: Für die Ergebnisse und für das Entstehen einer neuen Hierarchie im Kader war es Gift, weil die anderen Spieler in diesen Partien eben nicht so ablieferten wie Ducksch, Borré oder Bittencourt.

Grün auf Weiß ist die Werder-Kolumne des WESER-KURIER, in der Chefreporter Jean-Julien Beer einen Blick hinter die Kulissen des Vereins wirft, Zusammenhänge erklärt und Entwicklungen einordnet.
Auffällig ist: Seit Werner in der Startelf auf diese drei selbstbewussten Profis setzt, stimmen die Leistungen und Ergebnisse wieder: Heimsieg gegen Union, Punktgewinne gegen Wolfsburg und Frankfurt – die fünf geholten Zähler aus diesen drei Spielen halten Bremen nicht nur von der Abstiegszone entfernt, sondern tragen auch die Handschrift dieses Trios. Denn Ducksch, Borré und Bittencourt waren in diesen Spielen an allen sechs Toren direkt oder indirekt beteiligt. Mehr geht nicht.
Wenn einer dieser drei Spieler draußen sitzt, ist das auch für die Stimmung im Kader nicht förderlich. Denn es sind natürlich keine elf oder 25 Freunde, die da bei Werder unter Vertrag stehen. Da gibt es auch viele Eifersüchteleien und aufgeblähte Egos, es gibt auch Grüppchen (zum Beispiel hier die jüngeren, dort die älteren Profis). Ducksch fand es in Heidenheim gar nicht lustig, nicht in der ersten Elf gewesen zu sein – zumal das auch sein persönliches Ziel gefährdete, Nationalspieler zu werden. Borré, in Kolumbiens Nationalteam gesetzt, betrachtet sich zurecht als komplettesten Stürmer im Kader und als torgefährlich. Und Bittencourt hat seinen Kritikern gerade gezeigt, dass er Werder im Spiel eine Menge geben kann – auch wenn bei ihm nicht immer alles klappt.
Wie Bittencourt gegen Frankfurt per frechem Lupfer das Tor von Borré vorbereitete, war Fußballkunst. Wie er als defensiver Mittelfeldspieler in die Zweikämpfe ging und Räume zulief, war gute Arbeit. Und wie er nach schönen Kombinationen ganz knapp am Tor vorbeischoss, sorgte für ein Raunen. Dass der bald 30-Jährige als Führungsfigur in der Zeit nach Füllkrug wichtig wird, war ohnehin zu vermuten.
Nach dem unnötigen Theater am ersten Spieltag gegen Bayern München, als Bittencourt mit Gesten gegen seine Auswechslung protestierte, hatte Werner ihn eher links liegen gelassen. Das war einerseits richtig, um der Mannschaft zu zeigen: Fehlverhalten hat hier Konsequenzen. Andererseits war es auch falsch, weil der Kader Bittencourts Versetzung ins zweite Glied nicht ausgleichen konnte. Jedenfalls gingen vier Spiele ohne Bittencourt verloren, nämlich gegen Freiburg, Heidenheim, Darmstadt und Hoffenheim. Erst seit Bittencourt wieder von Beginn an mitmacht, wirkt Werder stabiler, also seit der knappen 0:1-Niederlage in Dortmund.
Der Spieler selbst hat darüber ungewohnt offen geredet, in einem Interview mit der Bild-Zeitung. Dort wurde Bittencourt darauf angesprochen, dass Teile der Mannschaft sehr froh über seine Denkpause gewesen wären. Seine Antwort: „Das kann sein. Und die hatten ja dann die Chance, sich zu beweisen und es allen auf dem Platz zu zeigen.“ Rumms! Das ist eine klare Backpfeife für die interne Bittencourt-Opposition, die eben doch nicht ohne dessen Erfahrung aus 239 Bundesligaspielen klarkommt. Natürlich: Bittencourt ist unangenehm. Weil er selbstbewusst ist, provokant und sich selbst wahrscheinlich besser findet, als er an manchen Tagen spielt. Er ist zugleich aber auch unangenehm für den Gegner, weil er mit kleinen Tricks und Fouls arbeitet, energische Zweikämpfe führt und selbst bei einer Auswechslung mehr Zeit schindet als ein durchschnittlicher italienischer Nationalspieler. Letztlich spielt man lieber mit ihm, als gegen ihn. Und das dürfte bei Werder nun geklärt sein.
Denn im Mittelfeld hat sich eine Formation gefestigt. Eine Raute wie zu glorreichen Zeiten ist es nicht, sondern ein Dreieck. Jens Stage als Balleroberer ist dort ebenso unverzichtbar wie der dribbel- und offensivstarke Romano Schmid – und zwischen ihnen bewegt sich Bittencourt, mal offensiver, mal defensiver. Das klappt gut, und wahr ist auch: So lange Bittencourt gegen Frankfurt auf dem Feld stand, führte Werder. Es ist ein Mittelfeld ohne Christian Groß, was in Bremen zuletzt viele Jahre völlig undenkbar war. Auch Star-Neuzugang Naby Keita, immer noch nicht fit, zählt nun zu denen im Werder-Kader, die am giftigen Bittencourt erst einmal vorbeiziehen müssen.