Zu sehen war er noch nicht wieder. Aber auch Tage nach der Suspendierung von Naby Keita ist das Thema beim SV Werder Bremen nicht vom Tisch. Und das darauf liegende Tuch zwischen dem Streik-Profi und dem Rest der Mannschaft ist mehr als zerschnitten. „Es gibt Woche für Woche Situationen, in denen Spieler unzufrieden sind, weil sie nicht spielen. Die Mannschaft dann aber so im Stich zu lassen und gar nicht erst mitzureisen, das ist nicht in Ordnung“, kritisierte Kapitän Marco Friedl am Donnerstag während einer Medienrunde. „Dass dann so durchgegriffen wird, das verstehe ich, das finde ich okay. Als Spieler versuchst du eigentlich immer, deinen Mitspieler zu schützen, aber in diesem Fall geht das einfach nicht.“ Hat es denn schon eine Entschuldigung seitens des Guineers gegeben? „Nein“, lautete die ebenso kurze wie vielsagende Antwort des Innenverteidigers.
Nun bringt es diese spezielle Situation mit sich, dass Marco Friedl sie ganz ähnlich selbst schon einmal am eigenen Leib erlebt hat. Damals, im August 2021, als der Abwehrspieler eigentlich weg aus Bremen und lieber zum 1. FC Union Berlin wollte. Um seinem Wechselwunsch Nachdruck zu verleihen, verzichtete der Österreicher seinerzeit ganz kurzfristig auf die Teilnahme am Heimspiel gegen Hansa Rostock, entschuldigte sich aber umgehend für sein Verhalten. Die jetzigen Erinnerungen an den Fehltritt waren dem 26-Jährigen sichtlich unangenehm, das Gesicht nahm eine rötliche Farbe an, Friedl rutschte auf seinem Stuhl hin und her – um dann offen und ehrlich zu sagen: „Von Naby ist das noch einmal etwas anderes, noch etwas mehr. Ich wusste sofort, dass es die falsche Entscheidung war, habe es in dem Moment aber nicht mehr rückgängig machen können“, erinnerte sich der Defensivspieler. „Wenn ich den Trainer sofort angerufen hätte, dann hätte der mich auch gefragt, ob ich einen Vogel habe. Mir war aber klar, dass ich die Mannschaft nach dem Spiel sofort zusammentrommeln würde, um vor ihr zu sprechen.“
Friedl: "Bei mir wussten sie, dass ich es ernst meine"
Das half, Friedl gewann erst das Vertrauen seiner Mitspieler zurück, nach und nach auch die Gunst der Fans. Inzwischen ist er Kapitän und Leistungsträger des Teams, wählt auch mal deutliche Worte, die dank guter Darbietungen auch das nötige Gewicht besitzen. „Die Jungs wussten dann, dass sie sich in Zukunft auf mich verlassen können“, blickte der fünfmalige Nationalspieler noch einmal zurück und urteilte hinsichtlich Naby Keita: „Das ist jetzt anders. Er hat einen Post auf Instagram gemacht, aber es ist etwas anderes, wenn du vor die Mannschaft trittst und dich entschuldigst.“ Zumal die Wortmeldung noch während seines boykottierten Auswärtsspiels bei Bayer 04 Leverkusen in die Welt hinausgeschickt wurde – eine Tatsache, die teamintern nicht wirklich gut ankam, wie zu hören ist. Das verdeutlichten auch Friedls folgende Worte: „Dann kommt es noch darauf an, ob man dir das abkauft. Bei mir wussten sie, dass ich es ernst meine.“
Bei Werder hoffen sie, dass der Keita-Streik nicht mehr Unruhe auslöst als nötig. Dass der Fokus auf die sportlichen Pflichten nicht verloren geht. „Ob so etwas in der Mannschaft etwas auslöst, das weiß ich nicht“, meinte Friedl und forderte ganz grundsätzlich: „Es geht darum, dass gerade in dieser Phase kurz vor Saisonende das Ego und die Interessen der einzelnen Spieler in den Hintergrund rücken müssen. Es geht darum, dass die Mannschaft funktioniert.“ Fünf Punkte beträgt Werders Vorsprung auf den Relegationsplatz noch, am Sonntag steht das schwierige Heimspiel gegen den VfB Stuttgart (15.30 Uhr) an. Da droht also weiteres tabellarisches Ungemach. „Wir können in der Situation, in der wie uns befinden, keine Nebenschauplätze oder sonst irgendetwas von außen gebrauchen, wodurch es dann vielleicht noch mehr Drama gibt“, unterstrich Friedl, der seine Gelbsperre abgesessen hat und somit gegen die Schwaben in die Dreierkette zurückkehren dürfte. „Wir müssen als Mannschaft zusammenrücken, auch neben dem Platz als Einheit funktionieren und wissen, worum es geht. Wir sollten nicht so viel reden, sondern einfach marschieren und Gas geben.“
Naby Keita wird das in dieser Saison nicht mehr tun können. Seine Verbannung dauert bis zum Ende der Spielzeit, auch der Gang in die Kabine wurde dem 29-Jährigen untersagt. Stattdessen ist allenfalls individuelles Training mit einem Athletikcoach möglich. Und danach? Ist noch alles offen. Es ist wahrscheinlich, dass eine Auflösung des bis 2026 laufenden Vertrages angestrebt wird und im Sinne aller Parteien ist. Auch Marco Friedl meinte: „Das müssen die Berateragentur, Naby und der Verein am Saisonende entscheiden. Bis Sommer wird es wahrscheinlich keinen Kontakt zu Naby geben, alles Weitere wird man sehen.“ Und was passiert, falls sich wider Erwarten doch noch einmal eine Tür öffnet? „Wenn er zu uns zurückkommt, dann ist es die Entscheidung des Vereins“, sagte Friedl. „Wir Spieler würden ihn dann ganz normal aufnehmen und ihn nicht mit irgendwelchen Hintergedanken behandeln. Wenn er im Sommer wieder hier ist, dann ist das für uns in Ordnung.“