Im Fußball gibt es Preise für alles Mögliche. Zum Beispiel für den besten Spieler der Welt, den „Man oft the Match“, den Torschützenkönig oder den „Fußballer des Jahres“. Selten bezwungene Torhüter können eine „Weiße Weste“ gewinnen – eine Wertung, die oft von einem Farbenhersteller gesponsert wird. Was es nicht gibt: einen Preis für die besten Leistungen einer Hinrunde.

Grün auf Weiß ist die Werder-Kolumne des WESER-KURIER, in der Chefreporter Jean-Julien Beer einen Blick hinter die Kulissen des Bundesligisten wirft, Zusammenhänge erklärt und die Entwicklungen im Verein einordnet.
Man könnte darüber diskutieren, wer bei Werder der beste und wichtigste Spieler war. Viele würden an Marvin Ducksch denken, wegen seiner acht Tore (sein neuntes Tor schoss er im Trikot von Hannover ausgerechnet gegen Werder, beim 1:1 am ersten Spieltag). Vier Torvorlagen kamen bei Ducksch noch hinzu. Andererseits hat er viele Chancen vergeben, ein Phänomen, das ihn schon länger begleitet: Ducksch trifft zwar häufig, aber noch häufiger vergibt er die einfacheren Torchancen. Er könnte also noch mehr Tore auf dem Konto haben.
Auch Sturmkollege Niclas Füllkrug könnte einem einfallen, schließlich war er nur an einem Werder-Treffer weniger beteiligt als Ducksch. Füllkrug schoss fünf Tore und bereitete sechs vor. Doch bei Füllkrug denkt man auch an die ersten Saisonspiele, als der Stürmer gar nichts mehr traf.
Klar ist, wo man den Spieler der Hinrunde bei Werder nicht findet: im Mittelfeld. Weder offensiv, denn dafür kam Romano Schmid zu spät auf seiner etwas zentraleren Wunschposition zum Einsatz und sein Nebenmann Leonardo Bittencourt wurde zu spät fit. Man findet den besten Mann auch nicht im ziemlich verwaisten defensiven Mittelfeld. Dort müht sich Christian Groß nach Kräften, aber das reicht nicht, um Werders bester Spieler zu sein.
Den besten Mann findet man eher weiter hinten. Nicht im Tor, auf die Idee kann man auch nach diesem Werder-Halbjahr nicht kommen. Aber direkt davor: in der zentralen Innenverteidigung. Jedenfalls sprechen alle Werte für Abwehrchef Ömer Toprak. Mit ihm holte Werder in dieser Saison im Schnitt zwei Punkte pro Spiel, eine solche Ausbeute hätte in der vergangenen Zweitligasaison zum Aufstieg gereicht. Ohne den Abwehrchef gelangen nur 1,6 Punkte pro Spiel, was ins Mittelfeld der Tabelle führt.
Wer Toprak erlebte, wie er abgegrätschte Bälle mit der geballten Faust feiert und seine Nebenleute antreibt, der versteht seine Rolle in dieser Mannschaft: Toprak ist mit 39 Champions-League-Spielen und 263 Einsätzen in der Bundesliga nicht nur der erfahrenste Werder-Profi, der 32-Jährige ist auch der emotionale Anführer; auch deshalb wurde er vor der Saison zum Kapitän gewählt.
Auch wenn es keinen Preis gibt für den besten Mann einer Hinrunde, es gibt eine fast schon sportwissenschaftliche Wertung: die Rangliste des deutschen Fußballs, in der das Fachmagazin „Kicker“ bereits seit Januar 1956 zweimal pro Saison die besten Spieler in Kategorien einstuft. Das ist kein banaler Vorgang: Viele Stunden, manchmal Tage wird über die einzelnen Spieler und ihre Leistungen diskutiert. Auch für die zweite Liga gibt es diese Rangliste – und Ömer Toprak wird darin fehlen. Denn der Bremer stand mal wieder nicht in genügend benoteten Spielen auf dem Feld, diesmal war eine hartnäckige Wadenverletzung schuld daran. Zwischen dem siebten und dem zwölften Spieltag fiel er aus, prompt gelang Werder in dieser Zeit nur ein Sieg. Letztlich stand Toprak nur sieben komplette Spiele auf dem Rasen, darunter die drei erfolgreichen Partien des neuen Trainers Ole Werner, der das also noch nie erlebt hat, dass sein Abwehrchef fehlte.
Im letzten Spiel des Jahres belegte Toprak seine herausragende Stellung im Bremer Kader: Beim 4:1-Sieg in Hannover gewann er knapp 80 Prozent seiner Zweikämpfe und hatte 91 Ballkontakte, mehr als jeder andere Werder-Spieler. Im Ligavergleich reichen Topraks Leistungen zwar nicht für einen Platz unter den besten zehn Zweitligaspielern der Saison, aber für Werder ist er unverzichtbar, auch wenn er nur in 46 Prozent aller Spielminuten auf dem Rasen stand. Dass sein Vertrag am Saisonende ausläuft, ist Fluch und Segen zugleich: Wirtschaftlich kann sich Werder den Topverdiener im Kader eigentlich nicht mehr leisten, sportlich gibt es keine gleichwertige Alternative.
Toprak spielt übrigens nicht zum ersten Mal in der zweiten Liga. Als Jungprofi machte er in der Saison 2008/09 schon einmal 30 Zweitligaspiele für den SC Freiburg. Und er weiß, wie man aufsteigt: Damals gelang ihm das mit den Freiburgern, die mit Toprak ebenfalls exakt zwei Punkte pro Spiel holten…