Es sind nur drei Buchstaben, aber sie ergeben mit Blick auf Werder Bremen ein sehr wichtiges Wort: Typ. Denn es waren echte Typen, die diesen Verein weit über Bremen hinaus bekannt machten, die Titel feierten und die berühmten Fußballwunder schafften. Wer schon die Gelegenheit hatte, in das neue Magazin des WESER-KURIER über die erfolgreiche Zeit von Thomas Schaaf bei Werder zu blicken, der findet den Begriff „Typ“ an vielen Stellen.
So schwärmt Oliver Reck von den besonderen Typen, die zu Beginn der 90er-Jahre in der Werder-Kabine viele Probleme selbst regelten; allein zwischen 1991 und 1994 gewannen diese Bremer vier Titel. Im Gedächtnis des langjährigen Werder-Managers Willi Lemke hat sich eine Szene aus den 80er-Jahren eingebrannt: Nach dem sportlichen Drama um Kutzops verschossenen Elfmeter und die verlorene Meisterschaft 1986 machte die Mannschaft auf einer Chinareise im Hotel durch. Die Spieler ertränkten den Frust und schworen sich auf bessere Jahre ein, die dann auch kamen. Was für großartige Typen, lobt Lemke.
Schaaf: „Du brauchst Typen, die das unbedingt wollen“
Oder Thomas Schaaf selbst. Er war bei Werder als Spieler und Trainer erfolgreich. In all den Jahren, erzählt er, „hatte Werder verdammt gute Typen, sogar enorm viele“. Das habe – etwa bei den Wundern von der Weser - dazu geführt, dass sich die Mannschaft „nach schlechten Ergebnissen sagte: Das lassen wir so nicht stehen“. So manches schon verloren geglaubte Duell im Europapokal wurde so noch gedreht, durch spektakuläre Spiele. Gegen Dynamo Berlin, Spartak Moskau, Lyon oder Anderlecht. Für Schaaf waren diese Ergebnisse kein Zufall: „Das war der besondere Geist dieser Werder-Mannschaft, und dafür brauchst du Typen, die genau das unbedingt wollen.“

Sich wehren. Alles geben. Einer diese Typen war Uli Borowka. Auch er kommt in unserem Magazin über Werders „Titel, Typen & Triumphe“ zu Wort, und was er sagt, führt zur heutigen Werder-Mannschaft: „Wir hatten richtig gute Typen und waren alt genug, um auf dem Feld schnell Entscheidungen zu treffen. Das mussten wir auch. Wenn es im Spiel eine schwierige Situation gab, konnte ich ja schlecht den Otto Rehhagel fragen, was ich da machen soll.“
Und heute? Bei den sieben jüngsten Bundesliga-Niederlagen, die Werder an den Abgrund zur Zweitklassigkeit führten, fehlte zuletzt genau das. Nach jedem kritischen Moment im Spiel, nach jedem Gegentor blickten Spieler fragend zur Trainerbank. Es wirkte schon oft so, als würde Florian Kohfeldt vom Spielfeldrand aus versuchen, seine Mannschaft fernzusteuern. Ermahnungen, Korrekturen und schwere Rüffel: Werders Trainer griff ständig ein, immer aus guten Gründen.
Und dann kam Leipzig. Das Halbfinale im DFB-Pokal. Ein Abend voller Emotionen. Auf dem Platz standen, anders als bei mancher Startaufstellung zuvor, nur Spieler, die man nicht bitten musste, noch einen Meter mehr zu laufen. Wie Christian Groß und Ludwig Augustinsson dabei den Rasen des Weserstadions umpflügten, beide von Krämpfen geplagt, erinnerte an den Willen früherer Werder-Generationen. Die taktischen Vorgaben waren diesmal auch simpel: Den Ball lang nach vorne ins letzte Drittel hauen – und dort Stress erzeugen. Kohfeldt musste nur noch loben und antreiben, nicht mehr rüffeln.
Seit diesem Abend fragen sich viele, auch intern bei Werder: Was war das? Eine neu entdeckte Mentalität, gerade rechtzeitig, um in den drei letzten Spielen gegen Leverkusen, Augsburg und Mönchengladbach den Klassenerhalt zu sichern? Oder war es doch nur der einmalige Wille einer Mannschaft, die sich selbst den Traum vom Pokalfinale erfüllen wollte?
Die Antwort gibt es am Sonnabend im Weserstadion. Gegen Leverkusen. Auch die Typen von früher werden genau hinsehen, mit welcher Nachfolge-Generation sie es hier zu tun haben. Werders Spieler sind gefordert, wieder so leidenschaftlich zu kämpfen. Die nächsten drei Spiele haben historische Bedeutung: Sie entscheiden nicht nur darüber, ob Bremen aus der Bundesliga verschwindet, sondern auch darüber, wie diese Mannschaft und wie jeder dieser Spieler selbst in Werders Geschichte eingeht. Hat dieser Kader genug Typen, um das nun unter Druck auf dem Feld zu regeln? Wenn alles vorbei ist, werden an dieser Frage auch diejenigen gemessen, die den Werder-Kader für die Saison 2020/21 zusammengestellt haben.