Neulich in der „Tagesschau“, nach Konflikten rund um den Globus dann Meldungen vom Hochleistungsbolzen: Bundestrainerin Voss-Tecklenburg verlängert beim DFB, der VfB Stuttgart stellt Coach Labbadia frei. Meine am Fußball vielfältig desinteressierte Frau fragte gelangweilt: „Gehört so was zu den wichtigsten Meldungen des Tages?“ Als Fan musste ich bis zum „Heute-Journal“ grübeln, wo dieselben Angestelltenarbeitsverhältnisveränderungen (1A-Scrabble-Wort) ebenfalls verblasen wurden, um einzugestehen: Nö, eher nicht. Aber es zeigt die unmäßig aufgeblähte Bedeutung des Fußballs im Allgemeinen und des Trainers im Speziellen.
Als der FC Bayern seinen leitenden Mitarbeiter Nagelsmann durch den Münchner Mitbürger Tuchel ersetzte, las ich von einer „Inthronisierung“. Mei, Sappradi, was sagt denn der bajuwarische Monarch Markus der Erste dazu? Trainer kommen im Optimalfall in den Status der Heiligenverehrung, man dichtet ihnen magische Fähigkeiten an. Wenn's doof läuft, werden sie allerdings zu Fußabtretern, erfreulicherweise ist Teeren und Federn aus der Mode geraten.
Beide Reaktionen auf „Tor“ und „Daneben“ erscheinen mir hochgradig übertrieben. Welchen Einfluss hatte Dortmunds Coach Terzic, als sein Torwart Kobel im Spitzenspiel bei den Bayern epochal am Ball vorbei latschte? Wie viel Schuld trifft Tuchel, wenn Wunderkind Musiala den Handballer in sich entdeckt, dummerweise im eigenen Strafraum? Inwieweit war Labbadia dafür verantwortlich, dass seine Stürmer nicht mal aus drei Metern einen Möbelwagen treffen? Apropos VfB Stuttgart, da lamentierte Sportdirektor Wohlgemuth gerade: „Bei uns haben in dieser Saison bereits drei sehr unterschiedliche Trainer mit sehr ähnlichen Bilanzen gearbeitet.“

Lou Richter schreibt neben Jörg Wontorra, Oliver Reck und Christian Stoll regelmäßig im WESER-KURIER über den SV Werder und die Bundesliga.
Also: der Vorturner kann noch so gelenkig sein – wenn seine vogelwilde Truppe stocksteif rumtaumelt, wird's traurig. Und dann kommt auch noch Pech dazu. Eine aufwendige Studie der Sporthochschule Köln analysierte über Jahre insgesamt 7263 Tore der Premier League. Ergebnis: 46 Prozent aller Treffer kamen unter tätiger Mithilfe des Zufalls zustande, also durch Situationen, die nicht planbar, trainierbar sind – krumm abgefälschte Schüsse, skurrile Abpraller, rätselhafte Missgeschicke usw. Fast jedes zweite Tor wird durch (un-)glückliche Umstände begünstigt. Ich habe mal Werders Trainer Ole Werner gefragt, wie er mit der Unberechenbarkeit des Kickens klarkommt. Seine Antwort: An über der Hälfte der Tore könne man ja arbeiten!
Mein Eindruck ist, dass bei Werder so gearbeitet wird, wie ich mir ein mopsfideles Osterfest gerade nicht vorstelle, nämlich nüchtern, sachlich, ohne Rumeiern. Werner-Werder eben, gut so! Auch wenn Menschen mit einer posttraumatischen Abstiegsstörung an die Negativspirale der vorletzten Saison erinnern, als plötzlich nichts mehr klappte, aber dafür alles schiefging: Es liegt kein Segen darauf, sich Sorgen auf Vorrat zu machen. Das sollen mal schön die Trainer übernehmen. Wer deren Macht überschätzt, begeht einen großen Fehler; wer sie unterschätzt, allerdings auch. Am Sonnabend in Mainz, bei der Mannschaft der Stunde, könnten schon ein paar glückliche Sekunden sehr weiterhelfen. Gebt dem Zufall eine Chance!