Der schönste Spruch der Woche kam von Marvin Ducksch. Werders zweifacher Torschütze beim 2:2 in Gladbach hätte noch ein drittes Tor schießen können, wenn sein Sturmpartner Niclas Füllkrug nicht versucht hätte, den Ball im Strafraum noch mit dem Kopf zu erwischen. Er veränderte damit die Flugbahn des Balles, der freistehende Ducksch kam deshalb nicht mehr zum Torschuss – und formulierte später diesen wunderschönen Satz: „Bei unserem blinden Verständnis dachte ich, er hätte mich gesehen.“

Grün auf weiß ist die Werder-Kolumne des WESER-KURIER, in der Chefreporter Jean-Julien Beer einen Blick hinter die Kulissen des Bundesligisten wirft, Zusammenhänge erklärt und die Entwicklungen im Verein einordnet.
Dass Werders Sturmduo auch nach dem Aufstieg in der Bundesliga funktionieren würde, war schon nach wenigen Spieltagen zu sehen. Wobei man sie nicht nur an Toren und Vorlagen messen sollte, sondern auch an ihren Wegen und dem Positionsspiel. Durch beides schaffen sie Räume oder machen den Ball in der gegnerischen Hälfte fest. Mit ihren 23 Toren (15 von Füllkrug, acht von Ducksch) gelten sie als das beste Sturmduo der Liga – wobei man ehrlicherweise sagen muss, dass es ein eher kleiner Wettbewerb ist, dem sich die Bremer Sturmspitzen da stellen. Denn mehr als die Hälfte der Bundesligavereine spielt nie oder nur selten mit zwei Stürmern.
Ole Werner aber setzt immer auf seine beiden Sturmspitzen. Das war schon so, als er in der zweiten Liga in Bremen sein Amt übernahm. Der neue Trainer ordnete und beruhigte die Mannschaft mit einem logischen Ansatz, der bei Werder verloren gegangen war: Jeder spielt da, wo er am besten ist – und die besten spielen immer. Dann geht bei diesem Kader kein Weg an einem System mit zwei Stürmern vorbei, wenn Füllkrug und Ducksch gesund sind.
Der Erfolg dieses Sturmduos ist also auch ein Verdienst von Ole Werner, der bisher bei Werder viel mehr richtig gemacht hat als falsch. In der vergangenen Woche wurde aber deutlich, dass es durchaus Dinge gibt, die der junge Trainer noch nicht richtig verstanden hat. Weil es dabei aber vor allem um Sachen geht, die vor seiner Amtszeit in Bremen passierten, muss man es ihm vielleicht erklären.
Werder zeigte vor dem Abstieg Überheblichkeit und falsche Selbsteinschätzung
Werner war vor dem Punktgewinn in Gladbach jedenfalls überrascht vom Tenor der Berichterstattung und der Stimmung im Umfeld – weil es ihm zu oft darum ging, dass Werder vor zwei Jahren trotz 30 Punkten aus 24 Spielen noch abgestiegen war. „Hier hast du das Gefühl, dass von außen alle vor zwei Jahren stehen geblieben sind“, monierte Werner. Neben ihm saß Clemens Fritz. Beide machten auf Beobachter einen überraschend dünnheutigen Eindruck. Der Reporter der Deichstube notierte über Werner und Fritz: „Wie aus dem Nichts kritisierten sie die Berichterstattung, warfen dem Umfeld ein Verharren in der Vergangenheit vor und monierten die angeblich fehlende Wertschätzung für ihre und die Arbeit der Mannschaft.“
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Dass beide genervt sind, kann man zwar verstehen. Als Angestellte von Werder Bremen müssen sie aber auf legitime Fragen passende Antworten geben – auf und neben dem Platz. Denn es ist ja so: Werder hat in den zwei Jahren bis zum Abstieg so viel falsch gemacht, dass die Medien und das Umfeld des Vereins nun skeptischer geworden sind.
Im Jahr des Beinahe-Abstiegs, als Werder sich erst durch zwei Unentschieden in der Relegation gegen Heidenheim retten konnte, begegneten fast alle im Verein dem sportlichen Abstieg monatelang mit einer irritierenden Ignoranz. Diese Mischung aus Überheblichkeit und falscher Selbsteinschätzung war befremdlich – verbunden mit einer Kaderzusammenstellung, die den Anforderungen des Bundesligafußballs nicht gerecht wurde.
Werder hat sich die Skepsis der Beobachter selbst zuzuschreiben
Im Jahr des Abstiegs schien Werder zunächst auf dem Weg der Besserung zu sein und holte viele achtbare Ergebnisse, darunter Punktegewinne in München, Frankfurt, Leverkusen und Freiburg. Als der Klub aber am Saisonende wie gelähmt nach unten durchgereicht wurde, kam das Tun im Klub wieder verstörend rüber. Ein Trainerwechsel am 33. Spieltag ist nichts, was großen Sinn macht. In beiden Jahren wirkte es, als rase Werder in einem Auto auf einen Abgrund zu – am Rand standen Fans und Medien und warnten, aber die Insassen blieben bester Laune.
Ole Werner kann dafür nichts, er liefert seriöse Arbeit ab. Die Medienlandschaft in Bremen mag zwar größer sein, als er das aus Kiel kannte, dennoch geht es an der Weser moderater zu als an anderen Bundesligastandorten – was man auch daran erkennt, dass außer dem entlassenen Florian Kohfeldt die Verantwortlichen des Abstiegs noch im Amt sind.
Dass Fans und Medien den Handelnden bei Werder nun aber genauer auf die Finger schauen, hat sich der Verein letztlich selbst zuzuschreiben. Wie heißt es so schön: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Wenn der Klassenerhalt perfekt ist, war es gute Arbeit bei Werder – und auch die Folge eines Lerneffektes. Der Kader ist nun robuster. Und was dem Aufsteiger alles noch fehlt, kaschieren Ducksch und Füllkrug derzeit bestens.