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Kommentar zum SV Werder 2021 war historisch, 2022 wird entscheidend

Zum Jahresende dürfen die Werder-Fans durchatmen, nach drei Siegen zum Schluss. 2021 war für Werder ein historisches Jahr, doch das nächste ist vielleicht noch entscheidender, meint Jean-Julien Beer.
01.01.2022, 17:13 Uhr
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2021 war historisch, 2022 wird entscheidend
Von Jean-Julien Beer

Selten waren drei Siege des SV Werder so wichtig für die Gemütsverfassung der Fans. Die Spiele vor Weihnachten gegen Regensburg, Aue und Hannover bedeuteten mehr als neun weitere Punkte in der Tabelle. Sie verpassten Werders schwierigem Jahr 2021 zum Ende hin einen leicht positiven Anstrich und nähren die Hoffnung, dass die Mannschaft im neuen Jahr um den Aufstieg mitspielt und dadurch wieder mehr Freude als Enttäuschung verbreitet.

Schönfärberei sollte man das nicht nennen. Im Fußball geht es vor allem um Gefühle, die Treue und Zuneigung zu einem Verein lassen sich nicht rational ergründen. Im Land der 80 Millionen Bundestrainer sind auch Hunderttausende Werderanerinnen und Werderaner zu Hause. Da gibt es den Mathematiklehrer an der Schule, der im Unterricht statt der Koordinaten ABC lieber die Buchstaben SVW benutzt. Es gibt die Bäckereifachverkäuferin, die liebevoll ein grünes Herz auf die Brötchentüte klebt. Oder den Feuerwehrmann, der nach seiner Schicht mit der Werderjacke nach Hause radelt. Und viele mehr. Sie alle haben sich einfach mal über diesen siegreichen Jahresabschluss gefreut.

2021 brachte Werder einen historischen Tiefpunkt

Sie alle werden 2021 nicht vermissen. Das Jahr war der bisherige Tiefpunkt in der ruhmreichen Geschichte des Traditionsvereins: erst der Abstiegskampf in leeren Stadien, dann der panische Trainerwechsel vor dem letzten Spiel und die Herabstufung in die Zweitklassigkeit nach zu vielen Fehlern und Fehleinschätzungen. Und das war nur das erste Halbjahr.

Es folgten noch der große Ausverkauf, die unschöne Trennung von der Vereinslegende Thomas Schaaf, der Impfpass-Skandal um Markus Anfang samt staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen, ein suspendierter Torjäger und letztlich vier verantwortliche Trainer in einer Hinrunde: Der SV Werder, der viele Jahrzehnte als vorbildlicher Verein galt, war kaum wiederzuerkennen.

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Das alles lässt sich aus der Vereinshistorie nicht mehr wegradieren – und gemessen an diesem Trubel ist es erstaunlich, dass die Mannschaft in Schlagdistanz zu den vorderen Tabellenplätzen überwintert: 2021 hätte für Werder auch schlimmer enden können.

Die Freude über die Siege zum Jahresende ist jedoch auch trügerisch. Sie wurden gegen Mannschaften errungen, die in der Tabelle aktuell hinter Werder rangieren und sagen nichts darüber aus, wie es im neuen Jahr weitergeht. Schon die Prognosen vor der Saison waren mehr von Gefühlen geleitet als von erlebter Stärke. Man wollte die Favoritenrolle annehmen, sagte die Vereinsführung. Schließlich leistet sich Werder den wertvollsten und teuersten Kader der zweiten Liga, vor dem HSV und Schalke. Dem stehen acht Siege und zehn nicht gewonnene Spiele gegenüber. Der siebte Tabellenplatz bringt Aufwand und Ertrag nicht in Einklang. Hinzu kommt das Aus im DFB-Pokal beim unterklassigen VfL Osnabrück.

Diese ernüchternde Bilanz der bisherigen Zweitligasaison führt direkt zu den Herausforderungen im neuen Jahr: Denn über allem schwebt bei Werder die schwierige wirtschaftliche Lage. Der Januar wird mit Geisterspielen und fehlenden Einnahmen in Millionenhöhe beginnen. Niemand weiß, wie sich die Pandemie weiterentwickelt. Schon jetzt hält sich der Verein dank Krediten und einer Anleihe über Wasser – geliehenes Geld, das Luft zum Atmen verschafft, aber zurückbezahlt werden muss. Abstieg und Pandemie machten es nötig, dass Werder sich erstmals deutlich verschulden musste.

Nur ein Wiederaufstieg würde die Werder-Zukunft absichern

Nur ein Wiederaufstieg würde den Verein an die größeren Geldtöpfe im deutschen Fußball bringen und die Zukunft absichern. Bleibt Werder in der zweiten Liga, sind erhebliche Einsparungen nötig, auch die Qualität der Mannschaft würde sinken.

Der sportliche Erfolg im neuen Jahr wird über die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit entscheiden – und das in Zeiten, die für den Verein finanziell schon jetzt belastend sind. 2022 könnte für Werders weitere Zukunft also entscheidender werden, als es 2021 war. Auch deshalb waren diese drei Siege so schön: Sie verdrängten für einen Moment die Sorgen und nähren die Hoffnung auf ein glückliches Ende.

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