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Werder-Kolumne Söldner Kruse weckt Erinnerungen an seine Bremer Zeit

Es wird immer bremischer in Wolfsburg, nach Florian Kohfeldt steht nun auch Max Kruse beim VfL unter Vertrag. Kruses Wechsel erinnert an sein Ende bei Werder, meint Jean-Julien Beer. Gibt es bald eine Pointe?
01.02.2022, 09:15 Uhr
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Söldner Kruse weckt Erinnerungen an seine Bremer Zeit
Von Jean-Julien Beer

Max Kruse hat ganz erheblich dazu beigetragen, dass Florian Kohfeldt als Bundesligatrainer ziemlich früh einen guten Ruf genießen konnte. Bei Werder Bremen bildeten die beiden ein geniales Gespann, und neben zahlreichen Siegen in der Bundesliga und in den Runden des DFB-Pokals gab es auch persönliche Ehren: Kohfeldt wurde vom Deutschen Fußball-Bund zum Trainer des Jahres 2018 ernannt, Kruse wurde bester Torschütze der Bremer und auch Mannschaftskapitän. Es waren die guten Zeiten, als Werder schönen Offensivfußball spielte und von einer Rückkehr in den Europapokal träumte.

Kruse ist sicher kein einfacher Typ, weder im Spiel noch unter der Woche in der Kabine. Aber Kohfeldt wusste ihn zu nehmen und gab ihm Freiheiten. Kruse bedankte sich mit vielen Siegen, oft traf er auf dem Feld intuitiv die richtigen Entscheidungen. Der Trainer musste sich in der Zeit vor allem um die zehn anderen Spieler kümmern.

Werder empfand Abgang von Max Kruse als Chance

Dass Kruses Anteil am Bremer Aufschwung doch etwas größer war, als man das im Verein damals einschätzte, zeigte sich nach seinem Weggang im Frühsommer 2019. Nach wochenlanger Pokerei um eine Vertragsverlängerung entschied sich Kruse dagegen, den guten Weg mit Bremen fortzuführen. Es gibt verschiedene Versionen der Geschichte, die sich hinter den Kulissen abspielte. Aber egal, ob es nun am Gehalt scheiterte, an der Vertragslaufzeit oder an Kruses Launen – am Ende war man bei Werder gar nicht so böse darüber, eine der größten Ich-AGs der Bundesliga losgeworden zu sein. Schlagzeilen um nächtliche Ausflüge, Nutella-Sünden und heimliches Fettabsaugen sollten in Bremen fortan der Vergangenheit angehören.  

Werder empfand Kruses Verschwinden als Chance, sich breiter aufzustellen. So erklärten die Bremer das zumindest. Die Realität sah völlig anders aus: Ohne Kruse fehlten Tore, Vorlagen und Mentalität. Yuya Osako konnte Kruse nie ersetzen. Werder geriet in den Tabellenkeller und stieg nach einem zweijährigen Siechtum ab.

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Wie sich so ein plötzlicher Kruse-Abschied anfühlt, erleben nun auch die Fans von Union Berlin. Beim Kultklub aus der Hauptstadt war Kruse wegen seiner Tore und Vorlagen beliebt und ein wichtiger Grund für den Erfolg, doch jetzt heuerte er für mehr Geld und einen längeren Vertrag beim VfL Wolfsburg an – der Mannschaft von Kohfeldt. Auch wenn er das manchmal gut überspielt, belegt das einmal mehr: Kruse ist viel weniger ein Fußballromantiker als jeder normale Fan. Das unterscheidet ihn übrigens geradezu kolossal von Kohfeldt.

Unions Vereinsführung beklagt nun, Kruse habe sich dagegen entschieden, mit ihrem Verein Geschichte zu schreiben. Worte, die damals auch zu Werder gepasst hätten. Doch die Bremer wählten einen blumigeren Ausweg: Sie drückten Kruse am letzten Spieltag einen bunten Strauß in die Hand und ließen zeitgleich das Weserstadion beben, indem sie auf der Anzeigetafel die Vertragsverlängerung von Claudio Pizarro verkündeten. Krasser hätten die Gegensätze in dem Moment kaum sein können.

Werder-Zweifel an Kruses Erstliga-Tauglichkeit waren unbegründet

Heute weiß man, dass es falsch war, an Kruses Fitness und seiner Tauglichkeit für noch mehrere Bundesligajahre zu zweifeln. Zwar wird er im März 34 Jahre alt, doch er spielt noch immer auf tollem Niveau, er schießt Tore und kann Spielen in kritischen Phasen eine Wendung geben. Im Gegensatz zu Werder tut er das immer noch in der ersten Liga, jetzt wieder gemeinsam mit Kohfeldt.

Nach einer beachtlichen Niederlagenserie der Wolfsburger steht diese Zusammenarbeit am Sonntag auf der Kippe: Gelingt dem VfL im Heimspiel gegen den Tabellenletzten Fürth kein Sieg, könnte Kohfeldts Zeit bei den Niedersachsen enden. Aber man weiß ja: Kruse liebt nichts mehr als solche Spiele und diesen Druck. Er ist ein Söldner, aber er erledigt jeden Job.

Bekommen Kohfeldt und Kruse mit den Wölfen die Kurve, schauen auch Bremer Fans wieder vermehrt nach Wolfsburg: Es sähe dann noch mehr nach Werder aus, was dort passiert, obwohl es sportlich wie finanziell eine andere Liga ist. Dass beide Namen in Bremen noch in den Köpfen stecken, zeigen die vielen Diskussionen um Kohfeldt und Kruse. Sie polarisieren. Manche trauern ihnen nach, andere sind froh, dass sie weg sind.

Vielleicht gibt es noch eine besondere grün-weiße Pointe: Relegationsspiele zwischen Werder und Wolfsburg wären mittlerweile fast so reizvoll wie das ewige Duell mit dem Hamburger SV. So ein Alles-oder-Nichts-Vergleich mit Kohfeldt und Kruse könnte natürlich auch schmerzhaft enden – das aber gilt jetzt sicher für beide Seiten.

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