Wenn man sich das Restprogramm von Werder anschaut mit den Spielen gegen Bayern, in Leipzig, gegen Köln und bei Union Berlin – dann ist das mehr als happig. Die beste Nachricht ist deshalb, dass die Bremer vier Spieltage vor Saisonende einen ordentlichen Abstand auf die Abstiegsplätze haben.
Viele betonen, dass Werder noch nicht gerettet ist. Das ist natürlich richtig. Und wenn es ganz blöd läuft im Saisonfinale, wird Werder in diesen schweren Spielen noch irgendwo punkten müssen, um in der Liga zu bleiben. Aber: Die anderen Klubs im Keller werden auch nicht alle Spiele gewinnen, die haben teilweise ebenfalls ein heftiges Restprogramm. Es könnte sein, dass Bremen für das Erreichen des Klassenerhalts gar keinen Punkt mehr braucht, sondern dass die bisher geholten 35 Punkte ausreichen. Ich persönlich gehe davon aus, dass Werder allein schon deshalb gerettet ist, weil die Konkurrenten ihren jetzigen Rückstand auf den SVW nicht aufholen werden.

Der langjährige Bremer Torhüter Oliver Reck schreibt im WESER-KURIER abwechselnd mit Jörg Wontorra, Lou Richter und Christian Stoll über die Werder-Saison.
Aber es geht für Werder jetzt nicht nur um den Klassenerhalt, sondern um mehr. Es sollte eine Lehre aus der Saison sein, dass der Kader in der Breite verstärkt werden muss. In vielen Spielen konnte Werder von der Bank keine gleichwertige Qualität einwechseln, die erste Elf hat sich oft fast von selbst aufgestellt. Werder wird nun durch den ein oder anderen Verkauf Geld einnehmen müssen, um damit den Kader zu verändern. Dieses Geld zu generieren, ist die erste Herausforderung. Es richtig einzusetzen, wird die zweite. Werder muss wieder für echten Konkurrenzkampf im Kader sorgen. Das kenne ich ja aus meiner Karriere: Wenn ich einen Konkurrenten hatte, musste ich noch besser sein und mich zeigen, in jedem Training und in jedem Spiel. Es spornt an, wenn man weiß, dass der Trainer Alternativen zu dir hat. Ein solcher Konkurrenzkampf tut jeder Mannschaft gut.
Beim Spiel auf Schalke wurde es ja deutlich: Diese Partie brauchte Werder nicht zu verlieren, wenn man gleichwertig hätte wechseln können. Durch die Wechsel ist ein Bruch entstanden, erst dadurch hat Schalke Oberwasser bekommen und dann die Kulisse in dieser tollen Arena hinter sich gebracht. In der Breite des Kaders fehlen Werder vier oder fünf Spieler, die qualitativ nicht abfallen. Hier ist die Mannschaft ein Jahr nach dem Aufstieg noch nicht gut genug aufgestellt. Und das ist ein großes Problem, die Lücke zwischen der Stammelf und dem Rest ist einfach viel zu groß.
Dafür hat Werder einen überragenden Sturm mit Niclas Füllkrug und Marvin Ducksch. Es war genial, was die beiden in dieser Saison gezeigt haben. Füllkrug war eher für das Grobe zuständig, für das Festmachen von langen Bällen und für die Kopfballduelle. Ducksch hat diese Bälle verarbeitet und manchmal mit nur einer Berührung sensationelle Tore geschossen, die im Moment kein anderer in der Bundesliga so erzielt. Ich glaube schon, dass Ducksch nach einem Wechsel auch woanders funktionieren würde – wenn er denn auch dort einen zweiten Stürmer neben sich hätte. Doch da fängt das Problem schon an: Wer spielt heute noch alles mit zwei Stürmern?
Jetzt, wo die Bayern ins Weserstadion kommen, möchte ich noch etwas zur Torwartdiskussion bei den Münchnern sagen. Für Mönchengladbach war Yann Sommer ein sehr guter Torwart, der seiner Mannschaft geholfen hat. Aber bei Bayern gibt es völlig andere Ansprüche, da hast du K.-o.-Spiele in der Champions League gegen Manchester City. Um dort weiterzukommen, brauchst du einen Ausnahmetorwart. Und das ist Sommer nicht. Das war er nie, und das wird er auch nie sein. Deshalb ist Manuel Neuer ja so ein außergewöhnlicher Torwart, der über allen anderen steht – auch weit über einem Yann Sommer. Das ist nicht böse, sondern die Realität.
Das wussten die Bayern, als sie Sommer holten. Und sie haben ihn nicht freiwillig geholt, sondern nur wegen Neuers Verletzung. Es gab auf dem Markt im Winter keinen besseren Torwart als Sommer, den hätte ich auch geholt. Er bringt sehr viel mit, auch wenn er – wie alle anderen Torhüter – kein Manuel Neuer sein kann. Aber verrückt ist es schon, wie sich die Diskussion entwickelt hat: Im Winter gab es nach dem Skiunfall vielerorts schon den Abgesang auf Neuer, jetzt wünschen ihn sich alle zurück. Das zeigt einmal mehr, dass sich die Dinge im Fußball immer noch auf dem Platz entscheiden und nirgendwo sonst.