Es gibt da eine Anekdote, die inzwischen schon mehr als 20 Jahre alt ist, die aber auch heute noch stellvertretend für genau das steht, was Horst Steffen verkörpert – „eine besondere, menschliche Art.“ Ein ruhiger, aber zuvorkommender Mensch sei er, der neue Cheftrainer des SV Werder Bremen, aber eben auch einer, der die Leute in seinen Bann zieht. Diese Eigenschaften attestieren dem 56-Jährigen aktuelle und ehemalige Weggefährten unisono.
Erste Station als Trainer im Jahr 2004
Bereits bei seiner ersten Trainerstation im Sommer 2004 beim damaligen Landesligisten SC Kapellen-Erft profitierte Steffen von diesen besonderen Fähigkeiten, als einer seiner Spieler nach einer Partie aufgrund seiner geringen Einsatzzeit wutentbrannt fluchtartig das Vereinsgelände verlassen wollte. „Horst ist dem direkt hinterhergerannt und hat ihn davon überzeugt, dass auch er ein ganz wichtiger Bestandteil der Mannschaft ist“, berichtete sein damaliger Trainerkollege Frank Weber im Gespräch mit dem Saarländischen Rundfunk. Die Konsequenz? „Der Spieler kam zurück und die Mannschaft ist am Ende der Saison aufgestiegen.“
Es sind Geschichten wie diese, die Horst Steffens Weg begleiten. Über sich selbst als Trainer sagte der gebürtige Nordrhein-Westfale mal: „Ich will für alle da sein. Egal, ob sie Stammspieler sind, Ersatzspieler sind oder noch gar keine Minute gespielt haben, weil ich einfach die Menschen schätze. Die Leistung kommt danach.“ Und Horst Steffen weiß, wovon er spricht. Schließlich war er einst selbst als Bundesliga-Profi (207 Spiele, 16 Tore) für den MSV Duisburg, Borussia Mönchengladbach und den KFC Uerdingen erfolgreich unterwegs.
Steffen trainierte über seine Grenzen hinaus
Das Talent für den Sport hat er von seinem Vater, dem ehemaligen Nationalspieler Bernhard Steffen. Als Spieler trieb der ehrgeizige Junior seinen Körper oft ans Limit und nicht selten auch darüber hinaus, wie er rückblickend erklärt. „Ich war sehr verbissen und hatte das Gefühl, ich muss jedes Spiel 90 Minuten spielen und mit Willen alles erreichen. Dementsprechend hatte ich viele Verletzungen. Daraus habe ich gelernt“, sagt er heute. Und weiter: „Das will ich meinen Spielern nicht antun. Diese überehrgeizige Verbissenheit will ich ihnen nicht abverlangen, weil ich das Gefühl hatte, dass mir das geschadet hat.“
Nach seiner Laufbahn als Spieler arbeitete Steffen sich als Nachwuchscoach Stück für Stück näher an den Profibereich heran. Nach Stationen beim MSV Duisburg (U 19 und U 23) und Borussia Mönchengladbach (U 19) heuerte er im September 2013 beim damaligen Drittligisten Stuttgarter Kickers an. Von Erfolg gekrönt war das Engagement genau wie die anschließenden Kapitel bei Preußen Münster und dem Chemnitzer FC jedoch kaum.
Sensationelles mit Elversberg erreicht
Das änderte sich, als Steffen im Sommer 2018 bei der kleinen SV 07 Elversberg im Saarland einstieg und mit dem Verein sieben Jahre später sensationell ans Tor der Bundesliga anklopfte. Nach 257 Pflichtspielen mit einem sagenhaften Punkteschnitt von 1,96 Zählern pro Spiel, zwei Aufstiegen in Serie und einer ersten sorgenfreien Zweitliga-Saison scheiterte Steffen mit Elversberg im zweiten Jahr erst vor wenigen Tagen in der Bundesliga-Relegation am 1. FC Heidenheim.
Der Traum vom Oberhaus war geplatzt, doch diesen erfüllt sich der gelernte Sozialversicherungsfachangestellte und Heilpraktiker nun mit Werder Bremen. Dabei war ihm ein derartiger Karrieresprung lange eigentlich gar nicht mehr zugetraut worden. Heute staunt längst die ganze Branche darüber, auf welches fußballerische Niveau Horst Steffen die Elversberger gehoben hat.
Spielweise ist eher offensiv geprägt
Mit einer sehr offensiven, ballbesitzorientierten Spielweise und hohem Gegenpressing setzt der 56-Jährige auf einen modernen Stil und verfolgt dabei sehr klare taktische Abläufe und Prinzipien. Steffen räumt seiner Mannschaft im von ihm bevorzugten 4-2-3-1-System aber auch viele Freiheiten ein. „Wir haben eine klare Philosophie, spielen keine langen Bälle von hinten raus, das wird man bei uns nicht sehen. Das lässt der Trainer auch gar nicht zu“, beschrieb Top-Torjäger Fisnik Asllani im Youtube-Interview mit Manu Thiele kürzlich den erfrischenden Elversberger Spielstil.
„Wir wählen den Ansatz flache Spieleröffnung, wollen von hinten raus spielen, und arbeiten viel mit Steil-Klatsch. Nur wenn es sein muss, spielen wir vielleicht auch mal mit kleinen Chips.“ Charakteristisch für den Steffen-Fußball sind zudem gezielte Seitenverlagerungen übers Zentrum und Positionswechsel in der Offensive, um in die ballfernen Halbräume zu gelangen.
Ruf als Nachwuchsförderer
Doch Horst Steffen ist nicht nur taktisch versiert, der 56-Jährige genießt auch den Ruf eines großen Nachwuchsförderers, der ein Faible dafür hat, Talente in seine Mannschaft einzubauen. So formte er die Leihspieler Fisnik Asllani, Mohammed Damar (beide TSG Hoffenheim) und Elias Baum (Eintracht Frankfurt) zu Top-Spielern der zweiten Liga. Auch der Ex-Bremer Nick Woltemade blühte unter Steffen in Elversberg auf.
Das rief auch Werder Bremen auf den Plan. Schließlich wollen sich die Norddeutschen bei der Heranführung der eigenen Talente besser aufstellen. Deshalb fiel die Wahl für die Nachfolge von Ole Werner auf Horst Steffen. Mit seiner empathischen Art und seiner fast schon stoischen Ruhe vermittelt Steffen seinen Spielern eine große Sicherheit und das nötige Selbstvertrauen. Punkte, die die Verantwortlichen an der Weser überzeugt haben und von denen sie künftig auch am Osterdeich profitieren wollen. Wie genau der neue Werder-Trainer seine Ideen und Vorstellungen umsetzen wird, bleibt abzuwarten. Klar ist bisher nur, dass es bis auf Torwarttrainer Christian Vander einen runderneuerten Trainerstab geben wird.