Stadionverbot für Tim Wiese – das ging vor ein paar Monaten durch die Gazetten. Dazu der Ausschluss aus der Werder-Traditionsmannschaft. Tim Wiese will sich das nicht gefallen lassen. Seit Montagmorgen geht er gerichtlich gegen das Stadionverbot vor. Er kämpft aber auch dafür, dass sein ramponierter Ruf nicht noch mehr leidet.
Was war passiert? Gleich zweimal soll der ehemalige Werder-Schlussmann während eines Stadionbesuchs anlässlich des Bundesliga-Spiels gegen Bayer Leverkusen (2:3) am 12. März dieses Jahres rassistische Äußerungen getätigt haben. Einmal vor der Loge, in der er zu Gast war, in der Halbzeitpause des Spiels direkt über eine Servicemitarbeiterin.
Eine andere Servicekraft will zudem unabhängig vom ersten Vorfall in der Loge gehört haben, dass Tim Wiese mehrmals das Wort „N-Wort“ benutzt habe. „Danach haben alle gelacht“, sagt die Schülerin; sie habe daraufhin entsetzt die Loge verlassen und sei an diesem Spieltag auch nicht mehr dort gewesen. Acht Monate nach dem mutmaßlichen Vorfall kann sie sich nicht mehr daran erinnern, ob es Wiese war, der die Äußerung gemacht hat; direkt am Spieltag war sie sich noch sicher gewesen, weil sie ihm die Stimme zugeordnet hatte.
Unternehmer entlastet Wiese
Ob jemand anderes die Äußerung gemacht haben könnte, wird sie gefragt. Eine Antwort darauf hat sie nicht. Wie sich herausstellt, ist aber nur ein anderer Mann in der Loge 32 – der Inhaber. Und der sagt als Zeuge für Wiese aus. Es sei völlig absurd, dass solche Witze gemacht würden: „Wir hätten demjenigen die Leviten gelesen“, sagt der Medienunternehmer. Die ganze Zeit über befanden sich demnach nur er und seine Frau, seine beiden Töchter, Tim Wiese und dessen Tochter in der Loge.
Der Unternehmer steht dem ehemaligen Torhüter kräftig bei, hat ein Foto in seinem Smartphone, das Wiese auf dessen 40. Geburtstag zeigen soll: „Fast alle Gäste haben Migrationshintergrund“, sagt er. Er versucht jeglichen Eindruck zu zerstreuen, Wiese sei fremdenfeindlich oder habe Verbindungen zur rechten Szene, die ihm ebenfalls schon öffentlich nachgesagt wurden. „Das ist nicht in Ordnung, was man mit ihm macht.“
Während die Servicekraft in Wieses Loge allgemeine Äußerungen mitbekommen hat, soll Wiese bei dem ersten Vorfall seinen Begleitern erklärt haben, als die dunkelhäutige Mitarbeiterin an ihnen vorbeigelaufen war: „Gott sei Dank bedient uns diese N... nicht.“ Sie, die sich selbst als Wiese-Fan bezeichnet („ich habe ihn sofort erkannt“), meldete den Vorfall nach ihrer Schicht ihrem Vorgesetzten und erzählte später ihrer Mutter davon: „Ich bin ehrlich, ich war sehr verletzt.“
Anwalt zieht Glaubwürdigkeit der Zeugin in Zweifel
Warum sie in einem Areal unterwegs gewesen war, der nicht zu ihrem eigentlichen Aufgabenbereich zählte, kann nicht geklärt werden. Tut aber auch nichts zur Sache. Dass die Zeugin auch nicht mehr weiß, ob die Äußerung während des Spiels oder in der Halbzeitpause gefallen sein soll, wird von Klägerseite dankend angenommen und immer wieder hinterfragt. "Es kommt auch auf die Glaubwürdigkeit der Zeugen an und die Glaubhaftigkeit der Aussagen. Und da denke ich, dass man durchaus zu dem Ergebnis kommen kann, dass die besagten Äußerungen nie getätigt worden sind", erklärt Wieses Anwalt Heiko Klatt später. "Die Aussagen der Zeuginnen halte ich für wenig glaubhaft – zumindest in bestimmten Teilaspekten und die sind hier teilweise eben auch relevant."
Wiese hat zu dem Termin im Landgericht seine Familie und mehrere Zeugen mitgebracht. Neben dem Medienunternehmer auch seine Tochter und einen Bekannten, der mit Wiese in der Pause vor dessen Loge gestanden und sich mit ihm unterhalten haben will. Eine Äußerung „hätte ich auf jeden Fall mitbekommen“, sagt der 38-Jährige. Sie seien zu dritt gewesen und hätten die ganze Pause beieinander gestanden. Die Servicekraft hatte berichtet, neben Wiese nur einen weiteren Mann gesehen zu haben.
Stadionverbot endet am 31. Dezember
Die Chancen für eine Aufhebung des Stadionverbots sind mäßig. Zum einen läuft es am 31. Dezember dieses Jahres sowieso aus, zum anderen hält die vorsitzende Richterin Dr. Wiebke Wesser das Stadionverbot nach einer ersten Einschätzung für rechtmäßig. Nur wenn sie allein den von Tim Wiese aufgebotenen Zeugen glaubt, könnte die Klage von Erfolg gekrönt sein. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass sie nach der sogenannten Beweislast in Zivilprozessen entscheidet. Dann würde Tim Wiese den Prozess verlieren, weil er nicht beweisen konnte, dass die Service-Mitarbeiterinnen gelogen hätten.
"Ich fand, dass die Aussagen der Zeuginnen so stark waren, dass es jede Form von konstruiertem Verhalten nicht bestätigt", betont Werders Mediendirektor Christoph Pieper, der ebenfalls im Gerichtssaal zugegen ist. "Im Verfahren hat man gesehen, dass sich beide Frauen nicht kannten – und wenn, dann nur flüchtig. Sie wussten nicht voneinander und wussten auch nicht, dass am gleichen Spieltag diese Aussagen getätigt worden sind und sie am gleichen Tag zu unterschiedlichen Vorgesetzten mit diesem Thema gegangen sind." Piepers Fazit lautet deshalb: "Wir können für uns aus dem Verfahren mitnehmen, dass das Stadionverbot unserer Auffassung nach berechtigt ausgesprochen worden ist."
Für den 13. Dezember hat das Gericht einen Termin zur Verkündung einer Entscheidung terminiert. Entweder geht das Verfahren dann weiter, zum Beispiel mit der Vernehmung zweier Zeugen, die noch nicht gehört werden konnten. Oder das Gericht verkündet, wenn es keine weitere Sachaufklärung mehr benötigt, das Urteil.