Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Taktik-Analyse Warum Werder gegen den FC Bayern doch noch unter die Räder kam

Aufschluss über das Leistungsvermögen des SV Werder gab der Saisonauftakt nur bedingt. Taktik-Experte Tobias Escher erklärt, warum Spiele gegen die Bayern aus strategischer Sicht stets aus dem Rahmen fallen.
19.08.2023, 21:28 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Von Tobias Escher

Spiele gegen Bayern München sind immer etwas Besonderes. Nicht weil es für Werder Bremen dort etwas zu gewinnen gäbe. Diese Zeiten sind längst vorbei. Viel eher stechen die Spiele gegen den Rekordmeister aus taktischer Sicht heraus. Gegen die übermächtigen Bayern muss jeder Gegner defensiver spielen, als er dies sonst zu tun pflegt. Das traf am Freitagabend auch auf Werder zu, das mit einem 0:4 in die neue Saison startete.

Ole Werner setzt gegen FC Bayern auf 5-3-2

Werder-Coach Ole Werner hat in der Vorbereitung ausgiebig mit einer 3-4-3-Formation experimentiert. Zum Bundesliga-Auftakt kehrte er zurück zum klassischen 5-3-2 der Vorsaison. Senne Lynen gab den Abräumer vor der Abwehr.

Auch die Rolle von Rechtsverteidiger Mitchell Weiser kennen Werder-Fans noch aus der vergangenen Spielzeit: Er agierte als Rechtsverteidiger wesentlich offensiver als Linksverteidiger Anthony Jung. Beizeiten formierte sich so die Fünferkette zur Viererkette um. Amos Pieper rückte auf die Rechtsverteidiger-Position.

Werder schien in der Anfangsphase gewillt, sich von den Bayern nicht zu weit hinten reindrängen zu lassen. Die Bremer Abwehrkette schob nach vorne, während die Stürmer den Gegner früh anliefen. Werder wollte den Gegner zu Rückpässen verleiten, bis der Ball bei Bayern-Torwart Sven Ulreich angekommen war. Der Ersatzkeeper verfügt nicht über die spielerischen Stärken eines Manuel Neuers.

Musiala und Kane ziehen Verteidiger heraus

Die Bayern früh zu pressen, ist einfacher gesagt als getan. Die Münchener befreiten sich mit direkten Bällen ins offensive Mittelfeld. Hier stellten 100-Millionen-Mann Harry Kane und Jamal Musiala die Bremer Abwehr vor Probleme. Sie ließen sich gemeinsam in den Zehnerraum zurückfallen. Sie wollten den Ball erhalten und sofort Richtung Tor aufdrehen.

Um die Bewegungen der Bayern-Angreifer zu verteidigen, mussten die Bremer Spieler konsequent aus der Abwehr rücken. Häufig taten sie das auch. Sie gewannen jedoch nicht immer ihre Zweikämpfe; gerade Musiala konnte sich mehrmals mit Ball in Richtung Bremer Tor drehen.

In der Folge zeigte sich ein altbekanntes Bremer Problem, das sie bereits beim Pokal-Aus gegen Viktoria Köln plagte: Wenn ein Verteidiger herausrückt, müssen die übrigen Abwehrspieler in der letzten Linie zusammenrücken. Nur so lässt sich die Lücke schließen, welche der herausrückende Verteidiger hinterlässt. Nicht immer rückten die restlichen Abwehrspieler zusammen, sobald Milos Veljkovic oder Amos Pieper vorrückten. So fiel auch der frühe Führungstreffer der Bayern. Leroy Sané durfte völlig ungestört auf das Bremer Tor zulaufen (4.).

Frühes Tor spielt Bayern in die Karten

Der frühe Rückstand torpedierte den Bremer Matchplan. Mit der Führung im Rücken mussten die Bayern nicht mehr das letzte Risiko gehen. Sie ließen fortan mit ihrem 4-2-3-1-System Ball und Gegner laufen.

Auffällig war die Rolle der Münchener Doppelsechs. Joshua Kimmich und Leon Goretzka verließen nur selten ihre Positionen. Beide verharrten im Zentrum. Zwar fehlte den Bayern somit der letzte Zug zum Tor; so gut wie nie halfen die Nationalspieler, Überzahlen im offensiven Mittelfeld oder auf den Flügeln zu kreieren.

Zumindest aber gelang es den Münchenern, die Bremer nicht ins Spiel zurückfinden zu lassen. Das Bremer Mittelfeld traute sich nicht, allzu aggressiv herauszurücken und somit Kimmich und Goretzka konsequent zu stören. Das war keine Überraschung, schließlich hatten Musiala und Kane die Abwehr vor große Probleme gestellt. Das Mittelfeld postierte sich tiefer, um keine Räume für die beiden zurückfallenden Stürmer zu öffnen.

Somit begann jedoch eine Phase, in der Werder fast gänzlich auf Pressing verzichtete. Sie verharrten am eigenen Strafraum. Die Bayern verwalteten das Spiel. Bis zur Pause sammelten sie fast 75 Prozent Ballbesitz. Das ist selbst für den Spitzenclub aus München ein extrem hoher Wert.

Aufbäumen nach der Pause

Aus der Kabine kehrte eine gänzlich anders auftretende Werder-Elf zurück. Plötzlich sah man viele Elemente, die Werder in der vergangenen Saison stark gemacht hatten: Sie stellten den Aufbau der Bayern mannorientiert zu. Die Mittelfeldspieler erzwangen somit viele Eins-gegen-Eins-Duelle. Nach Ballgewinnen schaltete Werder schnell um. Sie suchten vor allem den Weg über die rechte Seite. Der weit aufrückende Mitchell Weiser schaltete sich nun in die Offensive ein.

Lesen Sie auch

Auch Niclas Füllkrug war nun präsenter im Bremer Spiel. Er bewegte sich immer wieder auf die Flügel, um sich den gegnerischen Verteidigern zu entledigen. Werder schlug vermehrt lange Bälle auf den Angreifer. Die Bayern-Innenverteidigung sah in Kopfball-Duellen überraschend schwach aus gegen Bremens Nationalstürmer. Erst mit der Einwechslung von Mathijs de Ligt (68., für Min-Jae Kim) gewannen die Münchener wieder die Oberhand bei hohen Bällen.

Werders Zwischenhoch hielt allerdings nicht dauerhaft. Spätestens mit den Wechseln verflüchtigte sich das Bremer Momentum. Oliver Burke konnte als Rechtsverteidiger nicht dieselben Akzente setzen wie Mitchell Weiser. Die offensiven Wechsel in der Schlussphase halfen eher den Bayern als Werder. Die Bremer verteidigten fortan wieder luftiger, ließen erneut große Lücken zwischen den Innenverteidigern. Nachdem Werder siebzig Minuten lang gut verteidigt hatte, mussten sie nun noch drei Gegentore hinnehmen.

Fazit: Spiele gegen die Bayern sind Muster ohne Wert

Ole Werner kann aus dem ersten Pflichtspiel positive wie negative Aspekte ziehen. Gerade die Schlussphase unterstrich, dass Spiele gegen Bayern meist ein Muster ohne Wert sind; zu stark ist der Gegner, zu groß der Leistungsunterschied. Werders wahren Leistungsstand und Werners taktische Pläne werden wir erst nach den Spielen in Freiburg und gegen Mainz kennen.

Lesen Sie auch

Info

Bewegende Choreo: Werder-Anhänger gedenken verstorbenem Fan Tobi

Unmittelbar vor dem Anpfiff des Spiels hatte die grün-weiße Fanszene ein großes Banner mit dem Schriftzug „Tobi unvergessen“ ausgerollt. Was es mit der emotionalen Botschaft auf sich hat? Der leidenschaftliche und langjährige Werder-Fan Tobi war bei einem Unfall in diesem Sommer tödlich verunglückt.

Mit einem weiteren Banner („Dein Herz wird ewig weiterbrennen“) und einem großen Bild von Tobi gedachte die Bremer Fan-Szene nun dem verstorbenen Fan. Neben Tobi wurde auch der kürzlich verstorbenen Werder-Legende Horst-Dieter Höttges gedacht. Auch für den früheren deutschen Nationalspieler gab es zwei Plakate mit den Schriftzügen: „Höttges unvergessen“ und „RIP Eisenfuß“. Zudem liefen die Profis des SV Werder Bremen gegen den deutschen Rekordmeister mit einem Trauerflor auf, und es gab kurz vor dem Anpfiff eine Gedenkminute anlässlich des Todes von Höttges.

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)