Schon in der vergangenen Bundesliga-Saison hat es nur drei Teams gegeben, die mehr Tore kassiert haben als der SV Werder Bremen. Und gleich zum Auftakt der neuen Serie ließen sich die Grün-Weißen vom FC Bayern München vier Stück einschenken. Nun überrascht eine Niederlage gegen den inzwischen sogar mit einem 100-Millionen-Euro-Transfer aufgemotzten Abo-Meister nicht wirklich, die Art und Weise dieses 0:4 (0:1) schmerzte dann aber doch enorm. Denn nun weiß die ganze Welt, wie schlecht die Bremer inzwischen verteidigen. Die Partie wurde schließlich in fast alle Länder übertragen. Aber die Abwehr ist nicht das einzige Werder-Problem, es geht auch um Teamgeist, Transfers und ein enormes Leistungsgefälle im Kader. Es drohen schwierige Wochen.
„Wir müssen zusammenbleiben. Wir haben gesagt, dass es Phasen geben wird, in denen es nicht so läuft, und jetzt haben wir so eine. Da müssen wir zusammenhalten!“, forderte Kapitän Marco Friedl und erinnerte indirekt noch einmal an das Pokalaus vor einer Woche. Nach dem 2:3-Desaster beim Drittligisten Viktoria Köln hatte Stürmer Niclas Füllkrug die Verteidiger öffentlich angezählt. „Ich kritisiere jetzt die ganze Mannschaft“, meinte nun Friedl: „Es darf nicht sein, dass wir hinten gegen die vorne schießen oder umgekehrt. Wir sind ein Team! Wir sind im zweiten Jahr nach dem Aufstieg und müssen weitermarschieren. Das hat uns im vergangenen Jahr ausgezeichnet, und da müssen wir wieder hinkommen.“ Was aber eben auch heißt: Im Moment marschiert das Team nicht gemeinsam.
Werder Bremen: Gegentore offenbaren fehlende Abstimmung
Wie schlecht die Abstimmung gerade ist, zeigte sich gegen die Bayern schon nach drei Minuten. Ein Fehlpass von Jens Stage tief in der gegnerischen Hälfte reichte, damit ganz schnelle Bayern ganz langsame Bremer ganz dumm aussehen ließen. Nach feinem Pass von Mega-Neuzugang Harry Kane vollstreckte Leroy Sané. „Wir stehen viel zu hoch. Wir wollten das Spiel auf eine Seite lenken und uns fallen lassen, wenn wir den Ball da nicht erobern. Das haben wir nicht gemacht, und dann kommen wir jedes Mal einen Schritt zu spät“, monierte Friedl, der selbst ein Teil der Fehlerkette gewesen war. Anschließend konnten die Bremer froh sein, nicht vollends überrannt zu werden. Immerhin wurde die Defensive etwas stabiler. In Abwesenheit des aus familiären Gründen fehlenden Niklas Stark bewiesen Friedl und dessen Dreierketten-Kollegen Amos Pieper und Milos Veljkovic, dass sie bei voller Konzentration durchaus gut verteidigen können. Das lag auch an der guten Arbeit davor – vor allem von Neuzugang Senne Lynen, der als Sechser viele Löcher stopfte und immer wieder Bälle eroberte.
Nach dem Wechsel agierte Werder auch endlich mutiger nach vorne. Und prompt kamen die großen Bayern sogar ein wenig ins Wanken. Doch im Abschluss fehlte Werder dann eben die Qualität. So konnte Leonardo Bittencourt eine feine Füllkrug-Vorlage nicht nutzen, Stage zielte aus guter Position knapp am Tor vorbei – und Marvin Ducksch fehlte nach einer Burke-Hereingabe nicht zum ersten Mal das Durchsetzungsvermögen. Mitunter sah es so aus, als würde nur ein Füllkrug dauerhaft den Bayern Paroli bieten können. Kaum auszumalen, was passiert, falls der Nationalspieler doch noch wechseln sollte. „Die Räume waren doch da“, monierte der Angreifer: „Aber wenn ich den Ball vorne verlängert oder behauptet habe, hat uns der Mut und die Genauigkeit gefehlt. Da haben wir Luft nach oben.“
Das gilt noch mehr für die Defensive: Denn in schöner Regelmäßigkeit wird dort seit Monaten geschludert. Darauf ist Verlass. Vor dem 0:2 hatte Oliver Burke einfach vergessen, dass er aktuell nicht mehr Stürmer, sondern Außenverteidiger ist. Aber auch Friedl und Co. ließen diesen letzten Biss vermissen. „Wir müssen die Gegentore mit unbedingtem Willen verhindern. Wenn wir müde werden, machen wir diesen letzten Schritt eben nicht mehr, und dann wird jeder Fehler eiskalt bestraft“, haderte Friedl. Der musste gegen seinen Ex-Club noch miterleben, wie Sané und Mathys Tel in der Nachspielzeit das Ergebnis mühelos auf 4:0 schraubten.
Werder Bremen: Alternativen fehlen im Kader
Was freilich auch daran lag, dass die Bayern Topstars einwechseln konnten, während Werder-Coach Ole Werner wieder improvisieren musste – zumindest auf den Außenbahnen. Dort fehlen weiterhin Alternativen zu den Stammkräften Anthony Jung und Mitchell Weiser. Werder kann sich aber nur noch einen Neuzugang leisten, betonte Clemens Fritz als Leiter Profifußball. Werner weiß um die schwierige finanzielle Situation an der Weser, akzeptiert sie angeblich auch, wünscht sich aber dennoch: „Uns würde insgesamt noch ein bisschen Bewegung in der Gruppe guttun. Wir haben bislang drei externe Neuzugänge und ein sehr stabiles Gerüst, aber grundsätzlich ist es auch immer gut, wenn ein bisschen frischer Wind da ist.“
Nach großem Vertrauen in den aktuellen Kader klingt das nicht, wenngleich Werner noch anfügte: „Auch wenn nur einer kommt, werde ich bestmöglich mit der Mannschaft arbeiten – und es ist dann trotzdem möglich, erfolgreich zu sein.“ Nächste Woche dürfte das allerdings auch schwierig werden, denn dann steht das Gastspiel beim Europa-League-Teilnehmer SC Freiburg an.