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Interview Werder-Boss Klaus Filbry: "Wir können Rekordumsätze vermelden"

Im Interview spricht Werder-Boss Klaus Filbry, warum es einen Rekordumsatz zu vermelden gibt, wie die finanzielle Lage beim Klub ist und was er für die kommende Saison fordert.
17.06.2024, 17:59 Uhr
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Von dco/kni

In der Bundesliga ist Sommerpause, der Fokus im Fußball liegt auf der EM, doch beim SV Werder Bremen wird natürlich trotzdem intensiv an der Zukunft gebastelt. Nach Platz neun in der abgelaufenen Saison ist die Ausgangslage sehr gut, aber nicht nur deshalb, wie Werder-Boss Klaus Filbry im Interview mit unserer Deichstube erklärt. Der 57-Jährige vermeldet Rekordumsätze, bezeichnet den Klub als finanziell „sehr gesund“ und wünscht sich für die neue Saison sportlich vor allem eines: „Einen höheren Punkteschnitt.“

Klaus Filbry, welches europäische Land würden Sie gerne noch kennenlernen?

Das Baltikum fehlt mir noch – also Estland, Lettland und Litauen. Aber ich bin trotzdem mit unserem Abschneiden in der vergangenen Saison sehr zufrieden.

Okay, Sie haben uns durchschaut – also konkret nachgelegt: Was hat Werder das knappe Verpassen eines internationalen Wettbewerbs gekostet?

Ich habe es nicht ausgerechnet. Es wären sicherlich Mehreinnahmen gekommen, die Conference League ist aber nicht der attraktivste Wettbewerb. Gleichzeitig hätten wir eine andere Kaderstruktur haben müssen, um die Mehrbelastung zu kompensieren. Für die Entwicklung der Mannschaft ist es vollkommen okay, wo wir jetzt sind. Wenngleich man als Sportler und Verein immer das Optimale erreichen will. Aber im zweiten Jahr nach dem Aufstieg so sicher in der Klasse zu bleiben mit einem Etat, der Platz 15 oder 16 bedeuten dürfte, das ist sehr positiv.

Hätte Europa für Werder angesichts der Mehrfachbelastung und damit verbundener Kosten womöglich gefährlich werden können?

Das weiß ich nicht. Wir wollen den nächsten Schritt gehen, aber wir werden trotzdem in jede Saison mit dem Ziel gehen, fester Bestandteil der Bundesliga zu bleiben. Das ist die Messlatte für uns. Wenn das Ziel erreicht ist, können wir nach mehr schauen. Das ist die Lehre aus der Vergangenheit.

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Ist das nicht zu sehr ein Vermeidungsziel?

Wir wollen uns doch weiterentwickeln. Ich möchte einen höheren Punkteschnitt haben. Aber ich tue mich schwer damit, Platzierungen zu nennen. Diesmal haben 42 Punkte für Platz neun gereicht, in der nächsten Saison landet man vielleicht mit 48 Punkten auf Rang elf. Mir ist es wichtiger, von Anfang an die Sinne zu schärfen und gallig zu sein. Wir gehören zu den Mannschaften, die erst mal die 40-Punkte-Marke erreichen müssen.

Skelly Alvero wurde gerade fest verpflichtet, Keke Topp soll bald folgen. Beide kosten nicht wenig Ablöse – wie viel Spielraum gibt es noch für weitere Neuzugänge?

Trotz des Einstiegs des regionalen Bündnisses werden wir den Weg der wirtschaftlichen Vernunft nicht verlassen. Werder musste schon immer Transfererlöse erzielen, das wird sich nicht verändern. Durch die 38 Millionen Euro des Bündnisses haben wir aber eine komfortablere Situation, also mehr Beinfreiheit bei Transfers. Wir können anders als zuletzt agieren und müssen nicht mehr nur reagieren. Das spiegelt sich aktuell beim Alvero-Transfer wider.

Müssen Leistungsträger verkauft werden, um Transfererlöse zu erzielen?

Nein! Transfererlöse können wir auch im Winter oder im nächsten Sommer erzielen.

Durch besagte 38 Millionen Euro gilt der einstige Patient Werder als geheilt. Aber es gibt immer noch Kredite und die Anleihe. Wie gesund ist Werder wirklich?

Wir werden in diesem Geschäftsjahr, das am 30. Juni endet, ein sehr vernünftiges, positives Ergebnis erzielen, das sicher über zwei Millionen Euro liegen wird. Durch den Einstieg des Bündnisses haben wir auch wieder ein positives Eigenkapital. Wir haben nach dem Abstieg das landesverbürgte Darlehen in Höhe von 20 Millionen Euro und die Mittelstandsanleihe mit 18 Millionen Euro benötigt. Das Darlehen wird nach insgesamt fünf Jahren abbezahlt sein. Bei der bis 2026 laufenden Anleihe sehen wir auch gute Möglichkeiten für eine Ablösung oder eine vernünftige Anschlussfinanzierung. Deswegen kann ich durchaus sagen: Wir sind sehr gesund, haben aber Herausforderungen.

Welche?

Wir wollen den Kader entwickeln, haben infrastrukturelle Themen und müssen Rückzahlungen leisten.

Wie sollen gerade infrastrukturelle Themen wie zum Beispiel der Fußball-Campus finanziert werden?

Crowdfunding, Anleihe, Darlehen – da gibt es viele Möglichkeiten, die wir nutzen könnten, auch als Mix. Wir werden diese Optionen intensiv prüfen. Durch das Geld des regionalen Bündnisses können wir bei Finanzierungen nun mehr Sicherheiten bieten. Außerdem haben wir eine Rekordsaison hinter uns.

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Inwiefern?

Bei den Themen Sponsoring, Hospitality und Merchandising können wir Rekordumsätze vermelden. Wir haben so viele Trikots verkauft wie seit ganz langer Zeit nicht mehr, dazu noch viele Zusatzprodukte rund um das 125-jährige Jubiläum. Im Bereich Merchandising liegen wir bei 11,4 Millionen Euro, das hatten wir noch nie. Wir merken auch an allen anderen Stellen, dass die Nachfrage so groß wie noch nie ist.

Ihr langjähriger Geschäftsführerkollege Frank Baumann hat sein Büro schon geräumt, was wird sein Nachfolger Clemens Fritz in dem Raum verändern?

Clemens bekommt auf jeden Fall neue Möbel und wird sicherlich seinen eigenen persönlichen Geschmack einbringen.

Was unterscheidet Clemens Fritz von Frank Baumann?

Eines vorweg: Ich habe acht Jahre lang sehr gut und vertrauensvoll mit Frank zusammengearbeitet. Wir haben eine extrem intensive Phase gemeistert, in der wir Fehler gemacht haben, die wir aber auch korrigiert und damit das Schiff Werder Bremen wieder auf Kurs gebracht haben. Ich habe die Zusammenarbeit genossen und viel von Frank gelernt. Natürlich sind Frank und Clemens unterschiedlich, sie sind aber beide auf ihre Art sehr gut.

Und darüber hinaus?

Clemens ist – wie schon auf dem Platz – ein etwas anderer Spielertyp als Frank. Frank war auf dem Platz ein Stratege, das hat er sich auch in seinen weiteren Rollen bewahrt. Clemens ist – wie auch als Spieler - ein Tick impulsiver. Frank hat die Themen immer sehr gut, breit und tief durchdacht. Das macht Clemens natürlich auch, ist aber trotzdem an der einen oder anderen Stelle bereit, schneller zu handeln.

Müssen Sie da etwas aufpassen?

Nein! Wir haben genügend Instrumente eingebaut, dass alle Entscheidungen gut abgewogen sind. Beide haben eine sehr empathische Führung und einen klaren Wertekompass gepaart mit einem hohen Leistungsanspruch. Gerade in unserer Branche ist es extrem wichtig, dass man ein inneres Brennen nach Erfolg und Leistung besitzt. Beide setzen auch auf ein Team, aber Clemens ist schneller bereit, zu delegieren und loszulassen, Frank war schon immer sehr tief in den Themen verankert. Da besitzt Clemens einen anderen Pragmatismus.

Was sind aktuell die größten Baustellen bei Werder?

In jedem Fall die Zusammenstellung des Kaders, den wir zu 90 Prozent zum Trainingslager im Zillertal Mitte Juli zusammen haben möchten. Ganz wichtig ist zudem die Verpflichtung von Peter Niemeyer als Nachfolger von Clemens. Wir sind stolz, dass wir ihn von einer Rückkehr zu Werder überzeugen konnten. Das ist bei seinem Erfolg mit Preußen Münster, also dem Durchmarsch von der Regionalliga in die 2. Liga, nicht selbstverständlich.

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Kommen wir noch zu Ihnen persönlich: Frank Baumann hat sich mit 48 Jahren eine Pause verordnet, Sie sind 57 - wie lange wollen und können Sie Ihren Job noch machen?

Mir macht der Job extrem viel Spaß. Ich arbeite hier mit vielen Menschen sehr, sehr gerne zusammen. Wir haben mit Anne-Kathrin Laufmann, Tarek Brauer, Clemens Fritz und mir eine sehr gute Konstellation in der Geschäftsführung. Und wir merken, dass wir gerade in vielen Themen ein gutes Momentum entwickeln. Wir sind finanziell stabil, können infrastrukturell vieles wieder aktiv bewegen, entwickeln uns fußballerisch weiter und sind dort in den Führungspositionen personell qualitativ sehr gut aufgestellt. Ich spüre im ganzen Verein, dass die nächsten Schritte kommen können und wir alle Spaß daran haben. Ich bin davon überzeugt, dass dieser Verein noch viel mehr Potenzial hat.

Also werden Sie ihren in zwei Jahre auslaufenden Vertrag verlängern?

Das ist nicht allein mein Thema, sondern vor allem eines des Aufsichtsrates. Grundsätzlich sehe ich uns da auf einem guten Weg.

Sie haben 2010 bei Werder angefangen und im ersten Jahr noch Spiele in der Europa und der Champions League erlebt. Dann war Werders internationale Zeit vorbei. Wann wird Bremen das wieder einmal erleben?

Eine zeitliche Definition halte ich für schwierig. Aber wir sind auf einem guten Weg, in Zukunft wieder europäische Nächte in Bremen zu erleben – das kann ich ganz klar sagen!

Das Gespräch führten Daniel Cottäus und Björn Knips.

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