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Zum 125. Geburtstag Ehrenpräsident Fischer lobt Investoren-Einstieg und hat eine Bitte

Am Sonntag feiert der SV Werder seinen 125. Geburtstag. Klaus-Dieter Fischer hat mit dem Verein so viel Zeit verbracht wie kaum ein anderer. Im Interview spricht der 83-Jährige über seine Liebe zu dem Klub.
02.02.2024, 17:07 Uhr
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Von Björn Knips

Herr Fischer, welches Geschenk hätte sich der SV Werder Bremen zum 125. Geburtstag verdient?

Ich glaube, das schönste Geschenk hat sich der Verein gerade selbst erarbeitet mit dem Einstieg der Investorengruppe. Das ist eine gute Geschichte, die wunderbar passt. Ich habe ja schon vor Jahrzehnten davon geredet, dass wir einen Club von Bremer Kaufleuten und Unternehmern gründen sollten, was mir aber nicht geglückt ist. Ich habe die jetzige Geschäftsführung dafür kritisiert, dass es so lange dauert, aber sie haben es gut gemacht. Sie haben es hingekriegt. Ich bin sehr froh darüber und auch dankbar.

Warum hat es denn jetzt geklappt und in der Vergangenheit nicht, als die sportlichen Zeiten noch deutlich bessere waren?

Ich glaube, es hat auch mit einem Wandel im Verhalten der Unternehmer zu tun. Werder war schon immer ein Verein, der die Zusammenarbeit mit Unternehmern in der Stadt gesucht hat, aber das war sehr schwierig. Mit wem es gut gepasst hätte, war damals Haake Beck mit Jupp Hattig als Geschäftsführer. Investor werden wollte er aber auch nicht, obwohl Willi Lemke und ich probiert haben, ihn zu gewinnen. Das haben wir nicht geschafft. Inzwischen ist Werder in Sachen Seriosität noch besser geworden. Und es ist ein Verein zum Anfassen geblieben, jeder fühlt sich einfach wohl bei Werder. Diese Bodenständigkeit macht vieles einfacher. Außerdem haben wir im Verein richtige Macher, die gute Kontakte haben.

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Wer sind für Sie die Macher bei Werder?

Die aktuelle Geschäftsführung hat fähige Leute mit der nötigen Ernsthaftigkeit und Entschlossenheit, denen man glaubt. Dazu kommt der neue Aufsichtsrat, der sich wunderbar zusammensetzt. Das passt alles.

Dabei ist Klaus Filbry einst nachgesagt worden, er würde als Vorsitzender der Geschäftsführung nicht genügend auf die Bremer Wirtschaft zugehen und Kontakte pflegen.

Das ist ein Vorwurf gewesen, ja. Aber er hat immer hinter den Kulissen gearbeitet. Ich habe ihm häufig gesagt, dass er mehr an die Öffentlichkeit gehen muss. Er hat es aber auch so geschafft. Dass er seinen Vertrag verlängert hat, hat sich für Werder gelohnt.

Frank Baumann hingegen verlängert nicht, im Sommer scheidet er als Sportchef aus…

Ich kann ihn verstehen. Auf der einen Seite finde ich es natürlich schade, weil uns mit Frank eine lange Geschichte verbindet. Aber wenn er jetzt aufhören möchte, ist das in Ordnung. Für die anderen Geldgeber war es mit Sicherheit ein toller Anreiz, als sie gesehen haben, dass Frank auch dabei ist.

Er war Spieler bei Werder, Sportchef und ist jetzt noch Investor – in welcher Rolle könnte Frank Baumann eines Tages zu Werder zurückkehren?

Ich würde mir wünschen, dass er irgendwann mindestens einen Posten im Aufsichtsrat übernimmt. Dass er irgendwann zurückkommt, da bin ich mir ziemlich sicher.

Wie bewerten Sie es grundsätzlich, dass der Verein 18 Prozent seiner Anteile an der ausgegliederten Profiabteilung verkauft hat? Mussten Sie kurz schlucken, weil jetzt ein Stück aus den Händen gegeben wurde?

Nachdem ich darüber informiert wurde, wie die Investorengruppe aussieht, wie sie auftritt und welche Rechte sie hat, hatte ich den Gedanken nicht mehr, dass etwas aus den Händen gegeben wurde. Man merkt bei der Lösung einfach, dass es eine mit Herz ist. Die Anteile bleiben für eine lange Zeit in den Händen von Werderanern, die in ihren Verein investiert haben.

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38 Millionen Euro bringt dem Verein der Verkauf der Anteile ein. Das ist einerseits natürlich sehr viel Geld, innerhalb der Branche Profifußball aber keine Riesensumme.

Das ist richtig. Als ich den Betrag zum ersten Mal gehört habe, habe ich auch ganz schnell gerechnet, wie hoch der Verein da insgesamt wohl bewertet worden ist. Man darf aber nicht vergessen, dass es den Abstieg gab und wir mit einem negativen Eigenkapital unterwegs waren. Auf dem Stadion liegt auch noch eine Schuldenlast. Vor diesem Hintergrund sind 38 Millionen Euro ein guter Betrag.

Wie sollte das Geld eingesetzt werden?

Ich gehe den Weg gerne mit, den Werder ausgerufen hat. Es war auch immer meine Philosophie, dass wir Leute aus dem eigenen Nachwuchs entwickeln. Genau solche Spieler sollen in Zukunft ja verstärkt verpflichtet werden, die in Bremen die nächsten Schritte machen. Der zweite Punkt ist, dass das Leistungszentrum wieder in Schuss gebracht wird. 2014 bin ich zurückgetreten, und zehn Jahre später sind wir endlich so weit, dass wir Geld haben, um zu investieren.

Werders Entscheidung, mit dem Leistungszentrum in der Pauliner Marsch zu bleiben, ist inzwischen nach Jahren der Ungewissheit gefallen.

Das war ganz wichtig. Jetzt scheint es voranzugehen, und auch die Stadt sieht offenbar ein, dass man aus der Bezirkssportanlage „Platz 11“ etwas machen kann – in Zusammenarbeit mit Werder.

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Hatten Sie Sorge, dass Werder seine Heimat Pauliner Marsch mit dem Leistungszentrum verlassen könnte?

Nein, diese Sorge habe ich eigentlich nie gehabt. Ich hätte mich auch immer dagegen ausgesprochen. Werder ist Bremen und gehört in diese Stadt. Bei Tarek Brauer (Werder-Geschäftsführer, Anm. d. Red.) ist das Thema jetzt in guten Händen.

In den vergangenen Jahren ist viel darüber geredet worden, ob Traditionsvereine wie Werder noch eine Zukunft haben. Wie wird die Ihrer Meinung nach aussehen?

Wenn es gut und richtig gemacht wird, dann haben Traditionsvereine auch mit ihren Abteilungen eine Zukunft. Man wird sie aber nicht ohne Investoren erfolgreich angehen können. Ich schließe auch nicht aus, dass der Verkauf der jetzigen Anteile der letzte Schritt ist. Es könnte immerhin bis 49 Prozent gehen. Wenn es um die Konkurrenzfähigkeit in der Bundesliga geht, muss das in Erwägung gezogen werden.

Wer sollte Nachfolger von Frank Baumann als Sportchef werden?

Ich bin zu weit weg vom operativen Geschäft, um das beurteilen zu können. Aber ich denke, wenn wir Leute haben, die wir selbst ausbilden und auch schon teilweise in die Position übernommen haben, wie wir es bei Clemens Fritz (Werder Leiter Profifußball, Anm. d. Red.) gemacht haben, dann ist das der erste Schritt in Richtung Sportchef. Ich könnte mit der Lösung sehr gut leben.

Können Sie nachvollziehen, dass sich der Aufsichtsrat trotzdem andere Kandidaten anschaut, und glauben Sie, dass es Einfluss auf das Standing von Clemens Fritz hat?

Ich hoffe nicht, dass es etwas mit ihm macht. Ich kann das öffentliche Gerede von Short- und Longlist nicht verstehen. Das muss nicht sein. Wenn ich eine Position neu zu besetzen habe, wäre aber jeder schlecht beraten, der sich nicht umschaut – unabhängig von dem eigenen Kandidaten. Das muss gemacht werden, denn man trägt ja die Verantwortung.

Sie haben sehr schöne und sehr traurige Momente mit dem Verein erlebt. War es sehr anstrengend, mit Werder zu leben?

Ich habe nie an meiner Liebe zu diesem Verein gezweifelt. Ich habe Werder kennengelernt und war sofort verknallt. Ich wollte schon als Achtjähriger unbedingt dazugehören. Eingetreten bin ich dann erst mit 14, weil meine Eltern vorher kein Geld hatten, um mir Fußballschuhe zu kaufen. Meine Oma hat das später übernommen. Die Schuhe gab es zum Geburtstag im Dezember. Anfang Januar habe ich mich dann sofort angemeldet. Ich habe Werder nie als Last empfunden. Sicher habe ich Sorgen gehabt, weil es schwere Zeiten gab. Gezweifelt habe ich aber nie an diesem Verein.

Proficlub, Sportverein, Unternehmen – was genau ist der SV Werder im Jahr 2024?

Alles. Und das ist das Schöne. Wir sind ein Sportverein, aber auch ein Unternehmen und Arbeitgeber. Wir sind ein Club, mit dem man sich identifizieren kann. Es ist mir ganz wichtig, dass das so bleibt. Dass meine Nachfolger diesen Geist sogar beim Einstieg der Investoren erhalten haben, macht mich sehr glücklich. Werder ist ein Flaggschiff für Bremen.

Vereinspräsident Hubertus Hess-Grunewald träumt von 100.000 Mitgliedern, die Werder eines Tages haben soll. Aktuell sind es knapp 50.000. Ist so ein Ziel realistisch?

Es ist immer schön, sich Ziele zu setzen. Wir sollten sie aber lieber in 10.000er-Schritten angehen. 100.000 ist eine stolze Zahl. Man muss ja auch bedenken, dass man diesen Mitgliedern auch etwas bieten muss. Es muss Angebote geben. Eine Mitgliederzahl sollte beherrschbar bleiben.

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Wem gehört Werder in Ihren Augen eigentlich?

Werder gehört den Mitgliedern, aber auch den Fans. Und jetzt natürlich auch zu einem gewissen Teil den Investoren. Einen Traditionsverein macht es aus, dass jeder für sich in Anspruch nimmt, dass ihm ein Teil des Vereins gehört. Das gibt einem ein unglaublich gutes Gefühl, selbst wenn man sich mal über eine Niederlage ärgert.

Die Bremer Ultras sind gegen den Investoreneinstieg. Es ist aus der aktiven Fanszene aber auch zu hören, dass die Art der Umsetzung durchaus Anklang findet.

Ich kann die Ultras verstehen, dass sie an ihre Ideologie glauben. Auf der anderen Seite müsse sie aber einsehen, dass es bestimmte Dinge gibt, die gemacht werden müssen. Ich habe gerade gelesen, dass Eintracht Frankfurt wegen des Fehlverhaltens seiner Fans 100 000 Euro Strafe zahlen muss. Auch den Fans darf nicht alles erlaubt werden.

Was liegt Ihnen besonders am Herzen, wenn Sie auf Werder schauen?

Ich habe mal gesagt „SV heißt nicht nur Sportverein, sondern auch soziale Verantwortung“. Ich wünsche mir, dass wir dafür wieder mehr stehen werden. Es gab mal eine leichte Delle, als gewisse Maßnahmen zurückgenommen worden, wie zum Bespiel das Projekt „100 Schulen, 100 Vereine“. In diesem Bereich wird jetzt aber wieder etwas aufgebaut.

Bei der Feier zum 100. Geburtstag war kein Geringerer als Udo Jürgens der Stargast. Auf welchen Gast freuen Sie sich, wenn Werder am 10. Februar sein 125-jähriges Bestehen feiert?

Ich würde den Bundespräsidenten einladen, und freue mich auf jeden Spieler, der mal bei uns war. Es ist immer schön, wenn sie mich wiedererkennen. Außerdem hoffe ich, dass Werder bei allem nicht den Breitenfußball vergisst. Ich weiß, dass die Zahl der Plätze begrenzt ist: Aber alle Kinder, die den Wunsch haben, für Werder zu spielen, sollten ihn sich erfüllen können. 

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