Die Proteste der aktiven Fanszene waren ebenso lautstark wie langanhaltend und ließen einen störungsfreien Spielbetrieb zeitweise nicht mehr zu. Dementsprechend folgerichtig daraufhin die Entscheidung der Deutschen Fußball Liga (DFL): Im Februar sagte das Präsidium des Dachverbands das angestrebte Milliardengeschäft mit einem Investoren ab, was beim SV Werder Bremen seiner Zeit mit Verständnis aufgenommen wurde. „Ich halte das in der aktuellen Gemengelage für die richtige Entscheidung, denn das beruhigt das System, und das war durch die Spielunterbrechungen gefährdet. Es ist eine Befriedung“, sagte Klaus Filbry, der Vorsitzende der Werder-Geschäftsführung, damals. Die Bremer hatten sich zuvor in zwei Abstimmungen für den Einstieg eines Investors ausgesprochen. An ihrer grundsätzlichen Haltung zum Thema hat sich auch vier Monate später nichts geändert. "Dass die Notwendigkeit besteht, frisches Kapital zu beschaffen, ist die klare Meinung aller 36 Klubs", verdeutlicht Filbry im Gespräch mit unserer Deichstube - und betont: "Die Geschäftsführung der DFL ist aufgefordert, Lösungen zu entwickeln, wie wir dieses Kapital beschaffen können."
Im Kern der Diskussion steht die Frage, wie es dem deutschen Profifußball in Zukunft gelingen kann, gegenüber der finanzkräftigeren Konkurrenz aus dem Ausland wettbewerbsfähig zu bleiben, um beispielsweise auf den lukrativen Zielmärkten in China oder den USA an Bedeutung zu gewinnen. "Wir müssen einen guten Job machen und müssen ein entsprechend gutes Produkt anbieten", sagt Filbry - und zählt auf: "Dazu gehören natürlich gute Spieler, guter Fußball und Erfolg." Dass die deutschen Vereine dazu grundsätzlich in der Lage sind, habe die abgelaufene Saison deutlich gezeigt. "Als Bundesliga haben wir mit Leverkusen, Bayern und Dortmund international stark performt, sodass wir einen weiteren Champions-League-Startplatz dazubekommen haben", sagt Filbry. Auf dem sportlichen Höhenflug ausruhen sollte sich die DFL in den Augen des Werder-Bosses aber nicht: "Trotzdem benötigen wir Investitionen, um die Themen Digitalisierung und Internationalisierung voranzutreiben."
Ein Feld, das in den Augen vieler Experten weiterhin großes Potenzial besitzt, um frisches Geld in den Fußball zu spülen, ist die mediale Vermarktung des Sports. Für Filbry geht es unter anderem darum, sie an die Bedürfnisse der jüngeren Generationen anzupassen. "Wir müssen uns damit auseinandersetzen, dass vor allem junge Menschen den Sport Fußball heutzutage anders konsumieren. Dafür brauchen wir andere Formate und Angebote", sagt der 57-Jährige. In der Tat erfreuen sich beispielsweise kurze Highlight-Clips der Spiele in den Sozialen Medien immer größerer Beliebtheit: schnelle Schnitte, passende Musik, nächster Film. 90 Minuten Fußball, reduziert auf wenige Sekunden. Dass die veränderte Art der Rezeption des Sports perspektivisch einen Wandel seiner Grundstruktur herbeiführt, erwartet Filbry indes nicht.
"Ich glaube nicht, dass sich am Format 90 Minuten etwas ändern wird, weil es historisch gewachsen ist und wir mit der Sportart auf diese Weise sozialisiert sind", hält er fest. Die Frage sei eher, "wie wir das Format verbessern und schärfen können. Ich denke da zum Beispiel an den Videoassistenten. Wie können wir schnellere Entscheidungen herbeiführen? Wie können wir das Thema weniger komplex gestalten?" Dem Werder-Boss geht es darum, "dem Sport seine Ursprungskraft zurückzugeben und die Freude am Spiel, die unter dem Videoassistenten gelitten hat, wieder zurückzubekommen". Das Live-Erlebnis Fußball müsse gestärkt werden.
Ein Mittel, das dabei helfen könnte, ist für Filbry die weitere mediale Öffnung des Fußballs. Er spricht davon, "vielleicht die Exklusivität aufzubrechen, um das Produkt noch spannender zu machen". Im vergangenen Jahr hatte Filbrys Geschäftsführerkollege Frank Baumann mit Aussagen für Aufsehen gesorgt, dass er unter bestimmten Bedingungen bereit dazu wäre, die Kabine der Mannschaft für TV-Kameras zu öffnen oder Spieler für Interviews kurz vor dem Anpfiff sowie in der Halbzeitpause zur Verfügung zu stellen. Praktiken, die im US-Sport schon lange etabliert sind. Die Frage, wie etwaige Bilder in Zukunft beim Fan im Wohnzimmer landen, ist für Klaus Filbry ebenfalls ein Thema, mit dem sich die DFL beschäftigen muss. "Wir müssen zukünftig über die Frage diskutieren, ob die Bundesliga in drei, vier oder fünf Jahren noch Rechtepartner braucht, oder ob sie sich selbst vermarkten kann", fordert der Werder-Boss, womit er nichts anderes als die Idee eines eigenen DFL-Senders umreißt, was für aktuelle Rechteinhaber wie Sky und Dazn das Aus bedeuten könnte. Von heute auf morgen, so betont es Filbry, lasse sich die Frage nach frischem Kapital für den deutschen Profifußball bei allen Ideen, bei allem Potenzial, definitiv nicht lösen. Die Antwort benötige Zeit. Fest steht: Kommen wird sie eines Tages. In welcher Form auch immer.